♕Epilog: Raven♕

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Schwerer, goldener Schmuck, überladene Obstschalen mit saftigen Orangen und reifen Äpfeln, dicke Säulen, transparente Tücher und bunte Schals dominierten das Bild, das vor uns lag. Mittendrin Cambriel, dessen Unbehagen einen unendlichen Quell der Scherze für meine Geschwister darstellte. Mit einem Anflug von Mitleid beobachtete ich, wie Ivy und Marleene sich rechts und links von dem Prinzen auf dicken Sitzkissen platziert hatten, um ihm Löcher in den Bauch zu fragen. Auch meine älteren Brüder Caleb und Alistair kreisten um die drei, als würden sie auf ihre Chance mit den Resten der Frauen warten; niemanden schien zu interessieren, wie Cam sich dabei fühlte.

"Du hast uns alle überrascht", stellte Sage fest, die ihr jüngstes Kind auf dem Schoß hatte. Der kleine Junge namens Oleander war gerade einmal wenige Monate alt und sah aus, als könnte er sich zu einem perfekten Ball zusammenrollen, wenn er es wollte. "Aber dass es Cam wird... Nun, es ist mir natürlich recht, wenn du glücklich bist. Ein wenig überrumpelt war ich dennoch, als dein Brief angekommen ist."

Ich lächelte sie warm an und streckte mich auf den bestickten Kissen aus, die um uns herum und auf den Recamierén angehäuft waren. Dieser Raum gehörte zu meinen liebsten im Palast, denn obgleich er geräumig genug wäre, die gesamte Familie zu beherbergen, strahlte er mit seinen bunt-gemusterten Kachelfliesen und großen Rundbögen auf den Balkon eine Verspieltheit aus, die ansteckend war. Kleine Beistelltische trugen erfrischende Getränke und Obst, das die perfekte Reife erreicht hatte. Trotz der Jahreszeit züchtete man in Glashäusern und auch im Süden des Landes weiterhin die besten Früchte der Königreiche. Ein glücklicher Umstand, den ich auf all meinen Reisen in kühlere Gefilde vermisste.

"Ich bin glücklich", versicherte ich ihr und entlockte ihr ein Lächeln. "Obwohl mir die ganze Angelegenheit eine Heidenangst einjagt. Ein Gefühl, das ich bisher nicht wirklich kannte."

Den letzten Teil meiner Antwort ignorierte Sage geflissentlich. Sie kannte mich und wusste, dass meine Angst eher aus einer allgemeinen Sorge um meine Freiheit und die Zukunft stammte, als aus Zweifeln über meine Auswahl. "Das freut mich für dich. Ich bin mir jedoch nicht so sicher, ob du nach diesem Tag noch einen Verlobten haben wirst, wenn niemand ein Machtwort spricht."

Stirnrunzelnd sah ich sie an, bis sie mit dem Kinn auf die Szene vor uns deutete. Cam schien verzweifelt nach einem Ausweg zu suchen, den Marleene und Ivy ihm mit Nachdruck verwehrten. Die bronzenen Armreife meiner jüngsten Schwester klirrten bei jeder ihrer ausladenden Gesten.

"Worüber sie wohl reden? So kenne ich ihn gar nicht", sagte ich mit einem Anflug von Verwunderung. Normalerweise kam der blonde Prinz in sozialen Situationen überaus gut zurecht, sein natürlicher - und beizeiten irritierender - Charme half ihm auch schwierige Gespräche zu meistern.

Sage hielt sich die Hand vor den Mund, um ihr Kichern zu verbergen. "Ich kann es mir vorstellen", sagte sie schließlich geheimnisvoll. "Du kennst doch Marleene. Seit sie ständig mit Chet zusammen ist, nimmt sie kein Blatt mehr vor den Mund, wenn ihr Interesse geweckt ist."

"Künstlerische Freiheit", erwiderte ich automatisch und sprang mit einem Satz auf, den langen Rock in sattem Azurblau unter filigraner Stickerei bereits bereuend. Meine große Schwester nahm meine plötzliche Blässe ohne Überraschung zur Kenntnis. "Cam!"

Mein Ruf ließ Marleene und Ivy für eine Sekunde innehalten. Fragend sahen sie mich von der anderen Seite des Raumes an, in ihre bestickten Tücher gewickelt wie in eine Verteidung gegen meinen Eingriff in ihren Unsinn. Die dunkelbraunen Wellen der beiden ließen sie beinahe wie Zwillinge aussehen, obwohl die Farbe ihrer Augen nicht unterschiedlicher sein hätte können. Marleene war außerdem drei Jahre älter als Ivy, ein Umstand, der sie nicht davon abhielt genauso kindisch zu sein wie die Siebzehnjährige. Ich frage mich wo die Zeiten hin sind, als sie noch die Vernünftigste von uns allen war.

SilberblutWhere stories live. Discover now