♕ Raven VII ♕

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"Hast du jemandem davon erzählt, dass ich hier bin?" Aleksanders Stimme war locker, doch sein Blick flog bei diesen Worten prüfend über die symmetrisch angeordneten Reihen von Buchsbäumen. Sie begrenzten ein Feld gefüllt mit zweifärbigen Schmuckdahlien und blassvioletten Gladiolen, die sich durch die Beete im gesamten Schlossgarten zogen. Adelige mit Spitzenschirmen gegen Wind, Wetter und Sonne trugen ihre Sommerkleider ein letztes Mal auf. Wie kleine Wölkchen schwebten die Damen in Pastell über die geschwungenen Pfade, die weitläufig angelegt zu allen interessanten Punkten des Gartens führten.

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, während wir den Weg einschlugen, der uns an den Klippen vorbeiführen würde. "Zum Beispiel dem König?"

Gar nicht begeistert von diesem Scherz, verzog Aleksander den Mund und ich legte ihm mitleidig eine Hand auf seinen Arm.
"Ich bin mir sicher, er kann sich gar nicht mehr daran erinnern, was auf dem Winterfest damals passiert ist", sagte ich beruhigend.

Cam hob die Augenbrauen an, sparte sich jedoch einen Kommentar, wofür ich sehr dankbar war. Obwohl er heute bemüht freundlich zu Aleksander war, merkte ich ihm die Verstimmung an. Was war nur sein Problem? Wenn ich dem Händlerssohn seine jugendliche Dummheit vergeben konnte, dann konnte Cam es alle mal.

"Almar ist immerhin Cambriel und mich gewohnt. Er macht einiges durch mit uns, das kannst du mir glauben", fügte ich überzeugt hinzu.

Nun lächelte Aleksander wieder. "Aus irgendeinem Grund glaube ich das gerne. Du warst damals zu jedem Unsinn bereit, nur um ordentlich Unruhe zu stiften. Genau wie ich."

"Ich habe mich gebessert", behauptete ich prompt, doch Cams ungläubiges Schnauben untergrub meine Glaubwürdigkeit. "Nun gut, ich arbeite daran."

"Hast du dir den Kopf gestoßen? Erst vor kurzem hast du dir eine Standpauke von Jonathan eingefangen, wie in früheren Zeiten."

Seine Erinnerung wäre unnötig gewesen, denn ich wusste noch genau, was wir der Komtess von Ehrenhall angetan hatten und welche Auswirkungen es gehabt hatte. Eine Grimasse schneidend, drehte ich mich zu Cambriel um.

"Das war ich aber nicht alleine", sagte ich mit Nachdruck. Er würde nicht damit davonkommen, mich vor einem alten Freund zu blamieren und selbst keine Schuld einzugestehen. "Aus irgendeinem Grund befinde ich mich meistens in der Gesellschaft eines bestimmten Jemands, wenn ich in Schwierigkeiten gerate."

Der blonde Prinz lächelte wissend.

Aleksander unterbrach unseren Schlagabtausch. "Ich muss gestehen, ich war etwas verwirrt, dich mit Cam hier zu sehen und nicht mit seinem Bruder. Ihr seid offenbar gute Freunde geworden, während ich weg war."

Ich spürte Cams Blick bei diesen Worten auf mir ruhen und hoffte, dass man mir die aufgestiegene Hitze nicht ansah. Nach unserem kleinen Ausflug in die Taverne hatte er seine Bemühungen, mich zu einer öffentlichen Bekanntmachung zu drängen, verdoppelt. Mit Grauen stellte ich mir das Aufhebens vor, das um uns gemacht werden würde, und verdrängte den Gedanken daran, es hier und jetzt zu tun, schnell wieder in die dunkle Ecke meines Gehirns, aus der er gekommen war. "Jonathan ist diesen Sommer leider sehr beschäftigt. Wenn ich eine Wahl gehabt hätte, würde ich mich natürlich nicht mit dem Ersatzprinzen herumschlagen."

Die beiden Männer lachten, auch wenn Aleksander bedeutend unbeschwerter klang. Mir war bewusst, dass ich Cam mit meinem Widerwillen womöglich verletzte; aber ich brauchte noch etwas Zeit, um mich auf die Reaktionen unserer Eltern und Freunde vorzubereiten.
Vor uns stolzierte ein Pfau gemächlich über den weißen Kies, als gehöre ihm der Grund und Boden, und zwang uns dazu, einen Moment anzuhalten. Trotz der eingebrochenen Kälte war es ein klarer Herbsttag und der Schlossgarten gut gefüllt; womöglich war es einer der letzten Tage, an denen man die Gewächse in voller Pracht betrachten konnte, bevor es zu kalt wurde. Wir drei trafen uns jedoch aus einem ganz anderen Grund hier draußen: Aleksander fürchtete, dass der Zorn des Königs noch nicht zur Gänze abgeklungen war und wollte sich lieber nicht im Schloss mit uns blicken lassen. Tatsächlich war ich mir nicht sicher, ob Almar unseren Umgang gutheißen würde, aber solche Überlegungen hatten mich noch nie aufgehalten.

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