♕ Victoria IV ♕

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Voller Vorfreude schwang ich mich auf den Sattel des Pferdes, nachdem ich mich von Elion verabschiedet hatte und schlug gemütlich den Weg ein, der von den Stallungen Richtung Wald führte. Es dauerte nicht lange, bis lautes Hufklappern von hinten erklang und der Prinz neben mir erschien, die Haare durch den Wind etwas zerzaust und ein Lächeln auf dem leicht geröteten Gesicht. Das dunkelblaue Hemd und der beige Reitmantel standen ihm ausgezeichnet und ich ertappte mich dabei, wie ich ihn länger als nötig musterte.

„Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?", riss mich seine Frage aus meinen Gedanken und ich richtete den Blick wieder auf den Hals meines Pferdes, während Röte meinen Hals hinaufkroch.

„Guten Morgen, Eure Hoheit.", erwiderte ich. „Ja, ich habe wie eine Tote geschlafen. Der Ball war großartig!"

„Ich habe doch gesagt, dass du mich nicht zu siezen brauchst. Das fühlt sich einfach komisch an."

„Wie du willst." Das fühlte sich mindestens genauso seltsam an, wie ich nicht umhin kam zu bemerken, aber wenn er darauf bestand...

„Freust du dich auf den Besuch bei deinen Bekannten?", fragte er nach einem kurzen Moment des Schweigens, in dem nur die Schritte der Pferde auf dem weichen Waldboden zu hören waren.

„Ja, ich habe Charlotte zwar gestern auf dem Ball getroffen, aber richtig unterhalten konnten wir uns nicht." Die Sonne schien auf uns herunter, als sich der Wald lichtete und in weitläufige Wiesen überging.

„Dann sollten wir uns wohl beeilen." Ein kurzer Blick auf ihn zeigte das Grinsen, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete, bevor er in den Galopp überging und davonpreschte.

Ich zögerte nicht lang und tat es ihm nach. Die Umgebung flog an meinen Seiten vorbei, während ich mich an die Fersen des Prinzen heftete und mich bald auf gleicher Höhe befand. Das Pferd antreibend, zog ich an Prinz Jonathan vorbei und lachte ausgelassen. Nur Sekunden später bemerkte ich, wie ich ruckartig den Halt verlor. Überrascht bemühte ich mich darum wieder ins Gleichgewicht zu kommen, griff als letzten Versuch sogar nach der Mähne des Tieres unter mir, doch es war nicht zu ändern. Instinktiv versuchte ich noch, die Füße aus den Steigbügeln zu bekommen, aber dann folgten die Ereignisse zu schnell hintereinander. Einen Moment lang fühlte ich mich schwerelos, dann wurde die Luft aus meinen Lungen gepresst, als ich irgendwo hart aufschlug. Benommen rollte ich mich auf den Rücken. Der blaue Himmel verschwamm vor meinen Augen.

„Victoria!" Mit einem Mal war der Prinz neben mir, einen bestürzten Gesichtsausdruck zur Schau stellend. „Victoria, ist alles in Ordnung?"

Nicht in der Lage, zu antworten, rollte ich mich auf die Seite und stütze meine Hände auf dem Boden ab, nach Luft schnappend.

„Tut dir etwas weh?" Ich spürte seine Hand auf meinem Rücken und seltsamerweise genoss ich die Berührung, ungeachtet der Situation in der wir uns befanden. Noch immer außer Atem ergriff ich die andere Hand, die er mir hinhielt und ließ mich von ihm in eine sitzende Position ziehen.

Ich schluckte und hatte endlich wieder das Gefühl, normal atmen zu können. Ein Blick hinter ihn verriet mir, dass mein Pferd ein Stück weiter zum Stehen gekommen war und seelenruhig am Rand des Weges graste. Wenigstens einer von uns hatte etwas davon.

„Ich glaube, mir geht es gut", krächzte ich und griff mir mit der Hand an die Brust, die sich heftig hob und senkte, sich abgesehen davon im Großen und Ganzen jedoch heil anfühlte.

„Kannst du aufstehen?" Jonathans Augenbrauen waren zusammengezogen und ein besorgter Ausdruck lag in seinen Augen.

Ich nickte. „Ich denke schon." Mein Atem stockte, als ich bemerkte, wie nah sein Gesicht meinem war, etwas, das mir bis gerade eben entgangen war. Schnell senkte ich den Blick wieder und wich ein wenig zurück.

SilberblutWhere stories live. Discover now