♕ Juliana V ♕

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Melodisches Klingeln kleiner Glöckchen über der Tür kündigte unsere Ankunft an und hallte noch nach, während ich, Jonathan ein paar Schritte hinter mir, auf den Tresen zusteuerte, hinter dem ich jedoch keinen Verkäufer entdecken konnte. Ein leichter Duft nach Rosenwasser hing in der warmen, wenn auch etwas stickigen Luft, als wir weiter in den Laden vordrangen und ich die Hutbänder und Stoffbahnen musterte, die in allen Farben und Mustern in dunklen mahagonifarbenen Regalen präsentiert wurden.

Auch wenn ich behauptet hatte, ein neues Kleid für den Ball zu Ehren des Geburtstags des Kronprinzen zu benötigen, stimmte das eigentlich nur zur Hälfte. Wenn ich ehrlich war, entsprangen meine Motive eher den Briefen, die in immer kürzeren Abständen nach Silbermeer flatterten. Meine Eltern schienen immer ungeduldiger darüber, dass ich ihnen keine Ergebnisse präsentieren konnten und mir war – konträr zur allgemeinen Meinung – durchaus bewusst, dass ich auf verlorenem Posten kämpfte. Nichtsdestotrotz hatte ich das Gefühl, zumindest irgendetwas tun zu müssen; auch wenn das hieß, den Prinzen gewissermaßen zu meiner Begleitung zu zwingen.

„Ich bin froh, dass Ihr mich begleiten konntet", setzte ich an, nachdem die Stille unerträglich geworden war und ich das Thema Wetter bereits während der kurzen Kutschfahrt ausgereizt hatte. „So fühle ich mich deutlich sicherer." Das war nicht einmal gelogen. Die Schneiderei, die wir auf Anraten meiner Zofen aufgesucht hatten, schien zwar einen tadellosen Ruf zu genießen, lag jedoch am Rande eines Viertels, das ich nachts nur mit einer vierköpfigen Leibwache betreten hätte – und selbst dann nicht freiwillig. Während ich leichten Ärger darüber verspürte, dass der Inhaber des Geschäfts noch immer nicht zu sehen war, wartete ich auf eine Erwiderung Jonathans, die mit einiger Verspätung schließlich ausgesprochen wurde.

„Mit Vergnügen." Scheinbar abwesend wanderte sein Blick immer wieder aus den dicken Fenstern, durch die die Umgebung nur verschwommen zu sehen war. Er räusperte sich, bevor er sich zu mir wandte und mich ansah. Direkten Augenkontakt vermeidend, verweilte sein Blick kurz auf meiner Gestalt, bevor er die Regale musterte. „Habt Ihr schon eine Vorstellung, was Ihr kaufen wollt?"

„Nun, ich hatte vor, mir vom Schneider neue Stoffe zeigen zu lassen und mich dann auf einen Schnitt festzulegen. Wenn sich denn endlich jemand zeigen würde." Den letzten Satz mit erhobener Stimme in Richtung der kleinen Tür ausgesprochen, die vermutlich in ein Hinterzimmer führte, wo ich den Inhaber des Geschäfts wähnte, dauerte es nicht allzu lang, bevor das Geräusch leiser Schritte näherkam.

„Entschuldigung, die Herrschaften!" Die kleine Tür mit dem Rücken aufstemmend, trat ein hoch gewachsener Mann, dessen Haar bereits ergraut war, in einer karminroten Weste in den Verkaufsraum, eine große Holzkiste vor der Brust. Als er sich umdrehte und besagte Kiste auf dem Tresen abstellte, hielt er inne, als er mich sah. Der Blick seiner dunkelgrünen Augen huschte weiter zu Jonathan und seine Augen wurden groß.

„Eure Majestät!" Eilig trat er hinter seiner Theke hervor und verbeugte sich tief, bevor er auch mich angemessen begrüßte. „Wie kann ich Euch dienen?" Unschlüssig blickte er zwischen uns hin und her.

Ich hob mein Kinn. „Ich möchte ein Abendkleid in Auftrag geben."

„Aber natürlich. Darf ich Euch meine neuen Stoffe zeigen, oder habt Ihr bereits eine genaue Vorstellung?"

Während Jonathan sich im Hintergrund hielt und nur auf gelegentliche Fragen meinerseits antwortete, ließ ich mir vom Schneider allerlei Stoffe präsentieren. Die Verkaufstheke ging über vor Stoffproben, während ich versuchte, Begeisterung für ein Muster oder Material zu finden. Meine Gedanken schweiften immer wieder ab, doch damit der Ausflug nicht völlig umsonst war – nachdem mein halbherziger Versuch, Jonathan näher zu kommen und Zeit mit ihm zu verbringen, alles andere als erfolgreich war – und entschied ich mich schließlich für purpurrote Seide, die bei Bedarf noch mit Kristallen am Rock und am Mieder bestickt werden konnte.

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