27. Unerwartete Gäste

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Es war nun eine Woche vergangen, seit der Geburt von Emil Thomas Blanc. Der Kaiserschnitt war dahingehend erfolgreich, weil wir ihn gesund auf die Welt bringen konnten. Aber Mrs Blanc hatten wir verloren. Zu dieser Zeit war es nicht unüblich, dass die Frauen ausnahmslos beim Kaiserschnitt starben. Aus diesem Grund galt Emil bereits ab dem Tag seiner Geburt als Waise.

Bis alle Formalien für das Waisenhaus geklärt wurden, sollte er im Krankenhaus bleiben. Das hätte vielleicht einige Wochen gedauert. Da im Krankenhaus allerdings wegen der Seuche ein Notfall-Zustand eingerufen wurde, war das Risiko zu hoch gewesen, dass Emil sich anstecken könnte. Daher überredete ich Nathan dazu ihn mit ins Anwesen zu nehmen. Unter anderen Umständen hätte er das wahrscheinlich niemals erlaubt. Schmidt versuchte sogar Argumente zu finden, das Kind unbedingt im Krankenhaus zu lassen. Aber ich brauchte ihm nur das unschuldige Baby unter die Nase zu halten, während im Hintergrund die Kranken husteten und ächzten, und schon hatte ich die Diskussion gewonnen.

Schwieriger gestaltete es sich im Anwesen. Die Gesichter der anderen Bediensteten konnte ich schwer in Worte fassen, als sie uns mit einem Baby im Arm durch die Eingangstür eintreten sahen. Vor allem Rosalie hätte mich in diesem Moment mit ihren Blicken töten können.

"Wir haben ein Baby!", verkündete Schmidt mit einer sehr ungünstigen Wortwahl.

Mathilda wäre fast von der Treppe gefallen vor Schreck. Hilde hielt sie in letzter Sekunde fest und gab ihr Halt. Marie stand neben ihnen mit offenem Mund da und starrte uns mit großen Augen an.

"Das ist Emil Thomas Blanc.", ergänzte Schmidt, dem nicht bewusst war, wie aufgeheizt die Situation bereits war. "Gutschi-Gutschi-guuuuu.", machte er zum Baby in meinen Armen, als hätte er nicht vor einer halben Stunde noch darauf beharrt, das Baby im Krankenhaus zu lassen.

Rosalie, die uns die Tür geöffnet hatte, hatte die Hände zu Fäuste geballt und stampfte ohne ein Wort wütend in die Küche.

"Ich verstehe die Welt nicht mehr.", keuchte Mathilda atemlos, während Hilde mit ganzer Kraft versuchte sie auf den Beinen zu halten. Nathan war es so ziemlich egal, was die anderen dachten, daher machte er sich nicht die Mühe eine Erklärung abzugeben. Er zog nonchalant seinen Mantel aus und reichte ihn dem verwirrt dreinblickenden Peter.

Es blieb daher an mir, die anderen aufzuklären, ehe irgendwelche Gerüchte entstehen könnten. Ohne weiteres erzählte ich ihnen im Flur noch alles, was passiert war.

„... und Mrs Blanc verstarb gestern an den Folgen des Kaiserschnitts. Deshalb hat Emil jetzt niemanden mehr."

"Ah du meine Güte!", keuchte Mathilda auf, nachdem ich zu Ende erzählt hatte. Langsam kam sie mit der Hilfe von Hilde die Treppe hinunter und beugte sich zum Baby vor. "Das arme Kerlchen! So ein harter Schicksalsschlag und dabei ist er erst geboren."

Rosalie, die scheinbar heimlich aus der Küche alles mitgehört hatte, blickte aus der Tür vorsichtig in den Flur. Sie beäugte uns misstrauisch, aber ihr war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben.

"Und ich dachte für einen Moment, du warst heimlich schwanger!", lachte Marie laut auf.

Ich hätte mich fast an meiner Spucke verschluckt. "Bitte was?!"

"Nun ja, ihr kommt hier plötzlich mit einem Baby rein und der Junge heißt auch noch Blanc mit Nachnamen. Was sollen wir denn da denken?!", erwiderte sie.

"Wie sollte ich denn einen schwangeren Bauch verstecken können?", fragte ich völlig verstört.

Sie zuckte bloß die Achseln. "Was weiß denn ich? Um ein uneheliches Kind zu verstecken, haben schon viele den Bauch ins Korsett gezwungen."

Ella - Die Stille nach dem SturmWhere stories live. Discover now