29. Alles findet seinen Platz

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Der Schock saß tief. Selbst am nächsten Tag noch konnte ich an nichts anderes mehr denken, als an den Heiratsantrag, den Nathan mir gemacht hatte. Ich saß gerade in der Kutsche auf dem Weg ins Krankenhaus, als ich unsere Unterhaltung nochmal im Kopf Revue passierte...

D-Das geht mir einfach zu schnell!", hatte ich völlig aufgelöst gesagt.

Nathan hatte langsam meine Hand von seinem Mund genommen. Ein undefinierbarer, dunkler Schatten lag in seinen Augen. „Du hast doch noch gar nicht gehört, was ich sagen wollte."

Ich wusste, dass mir die Röte ins Gesicht geschossen war. „Ich weiß sehr wohl, wofür eine solche Schatulle genutzt wird, Nathan." Ich war seinem Blick ausgewichen. „Findest du es nicht etwas übertrieben mir einen Antrag zu machen, nur damit die Leute nicht hinter unserem Rücken reden?"

Er sagte einen langen Augenblick lang nichts. Dennoch konnte ich ihm nicht in die Augen sehen. Da hatte er seine Hand an mein Kinn gelegt und mein Gesicht gehoben, damit ich ihm in die Augen sehen musste. Er sah mich eindringlich an, als würde er verlangen, dass ich ihm genau zu hörte. „Ich finde es interessant, dass du denkst, mich könnte irgendjemand oder irgendetwas dazu zwingen einer Frau einen Antrag zu machen. Wenn ich mir nicht sicher wäre, könnte mich nichts auf dieser Welt dazu bringen, Ella."

Ich hatte ihn überrascht angesehen.

„Ich weiß, dass ich dich will, Ella. Und nur deshalb mache ich dir diesen Antrag."

Ich konnte nicht umhin mich geschmeichelt zu fühlen. Seine Worte glichen einer Liebeserklärung.
Meine Unsicherheit schien ihn jedoch verletzt zu haben. Das letzte, was ich aber wollte, war es ihn zu verletzten. Zumal hatte ich mich sehr über den Antrag gefreut. Ich hatte einfach nur nicht damit gerechnet in diesem Moment. Schließlich hatte ich mir selbst erst vor kurzem die Liebe zu ihm eingestehen können. Es kam nun alles Schlag auf Schlag.
Außerdem kam ich halt aus einem Jahrhundert, in dem man erstmal eine jahrelange Beziehung führte, bis man sich dazu entschied zu heiraten. Es hatte also nichts damit zu tun, dass ich nicht wollte - ganz im Gegenteil. Ich war es nur nicht gewohnt gewesen.

„Darf ich nun bitte meinen Antrag machen?", fuhr er fort und riss mich aus meinem Gedankenkarussell.

Er wartete gar nicht erst eine Antwort ab, sondern kniete sich sofort vor mich hin. Atemlos sah ich zu ihm auf. Nathan Kurt, ein skrupelloser und eiskalter Geschäftsmann, hatte sich vor mich hingekniet und sah dabei noch dazu atemberaubend gut aus. Er blickte auf die Schatulle hinab, drehte sie für einen Moment nachdenklich in der Hand, als überlege er weise über seine Worte nach. Dann öffnete er sie und hielt mir den Ring hin. Ich hatte aber keine Augen für den Ring, sondern sah wie gebannt nur zu Nathan auf. „Ella,", begann er. Dabei sprach er meinen Namen aus, als wäre es ein Gedicht. Jedenfalls fühlte es sich für mich so an. „Ich bin kein Mann, der gerne die Kontrolle abgibt oder viel Romantik bieten kann. Ich bin mir auch im Klaren, dass du nicht die typische Ehefrau sein wirst, die sich einfach unterwerfen und keine Widerworte geben wird. Aber ich habe für mich erkannt, dass ich das brauche in meinem Leben. Ich war bisher umgeben von scheinheiligen Menschen aus leeren Hüllen. Deshalb wollte ich auch nie heiraten. Du aber hast alles verändert. Du hast mich verändert. Und so unangenehm mir Veränderungen auch waren, mittlerweile will ich es nicht mehr missen müssen. Ich kann allein den Gedanken nicht ertragen dich eines Tages an einen anderen Mann zu verlieren. Ich würde alles dafür tun, derjenige sein zu dürfen, der jeden Tag mit dir einschläft und aufwacht, der dich küsst und dich glücklich macht. Selbst mit dir zu diskutieren, macht mir auf absurderweise Spaß. Ich will keinen Tag mehr ohne dich verbringen. Die Stunden vergehen langsam, wenn du nicht da bist. Ich kann immerzu nur an dich denken. Noch nie habe ich so sehr den Verlangen nach einer Familie verspürt wie jetzt. Ich möchte eine Familie... aber nur mit dir, Ella. Ich möchte dich als meine Frau. Und ich bin bereit dafür alles zu geben, was es braucht. Ella Blanc...würdest du mich heiraten? Wärst du bereit mich als deinen Mann zu akzeptieren?"

Ella - Die Stille nach dem SturmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt