22. Der Kampf - Teil 2

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Mr Kurt löste sich unwillkürlich von mir und drehte sich zur Tür zum Saal, aus dem der Schrei gekommen war. Stirnrunzelnd öffnete er sofort die Tür und trat in den Türrahmen. Über seine Schulter hinweg konnte ich schwer etwas erkennen, da sich viel zu viele Gäste zwischen mir und dem Geschehen befanden. Nach dem markerschütternden Schrei der Frau herrschte für einen Moment vollkommene Stille im Saal, im nächsten liefen Männer los, die zur Hilfe eilten.

„Bleib hier.", wies mir Mr Kurt über seine Schulter an, ehe er sich einen Weg durch die Menge bahnte. Meine Neugier packte mich und ich dachte keine Sekunde daran ihm zu gehorchen, sondern folgte ihm stattdessen direkt auf dem Absatz. Eine Wand aus neugierigen Gästen hatte sich um das Geschehen gebildet. Mit einem knappen „Macht Platz." ließ Mr Kurt die besagten Gäste zur Seite schrecken, ohne dass er wirklich die Stimme erheben musste. Es war die raue Autorität, die in seiner Stimme mitschwang, immer wenn er einen Befehl erteilte. Die Frauen in unmittelbarer Nähe hielten den Anblick scheinbar nicht länger aus und entfernten sich vom Geschehen mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen und vor den Mündern geschlagenen Händen.

Erst als ich hinter Mr Kurt in den Kreis des Geschehens geschlüpft war, konnte ich endlich sehen, worum es sich bei dem Aufruhr handelte. Die Gattin des Gastgebers, Mrs Zadora, war auf die Knie gesunken und hielt sich verkrampft den Magen. Vor ihr eine Lache aus Erbrochenem, dessen Gestank mir tief in der Nase brannte. Sie versuchte verzweifelt nach Atem zu ringen. Ihr Mann, Mr Zadora, schien überfordert und hielt sie an den Schultern, während er ihr beruhigende Dinge zusprach, die allerdings völlig an ihr vorbeigingen. Sie hatte das Gesicht verzerrt und keuchte angestrengt.

Ich versuchte noch zu verstehen, was geschehen war, als ich grob zur Seite geschoben wurde.

„Ich bin Doktor! Lassen Sie mich durch!", rief ein Mann und drängte sich an mir vorbei. Er nahm den Hut von seinem Kopf und zog sich seine schwarze Jacke aus, ehe er sich die Ärmel hochkrempelte.

Stirnrunzelnd sah ich ihm dabei zu, wie er sich zu ihr hinkniete und fragte, ob es ihr gut ginge.Natürlich geht es ihr nicht gut, du Genie! Schau sie dir an! Sie erstickt jeden Moment an ihrer Kotze!

Ich versuchte mein Bestes um nicht einzugreifen, denn der vermeintliche Doktor verschwendete kostbare Zeit, indem er versuchte ihr aufzuhelfen, obwohl es ganz offensichtlich war, dass die Frau nicht in der Lage war aufzustehen.

„Sie haben sicher etwas verdorbenes gegessen.", sagte der Doktor, als wäre ihr plötzlicher Zusammenbruch nicht wirklich besorgniserregend.

„Verdorben?", fragte Mr. Zadora entsetzt neben seiner Frau, „Sicher nicht! Ich habe alles frisch liefern lassen! Ich verbiete mir eine solch falsche Aussage, Sir!"

„Dann muss Sie wohl vergiftet worden sein.", vermutete der Doktor als nächstes und schien es völlig ernst zu meinen. Die Gäste in unmittelbarer Nähe zogen erschrocken die Luft ein und fingen an wie wild durcheinander zu reden. Ich rollte nur fassungslos die Augen. War das sein Ernst?

Natürlich verbreitete sich das Gerücht im Saal, dass das Essen vergiftet worden und dass ein Mörder unter uns sei, wie ein Lauffeuer.

„Wissen Sie überhaupt, was Sie tun?", fragte Mr Kurt den Arzt skeptisch, als er merkte, dass die Frau in den Armen des Arztes langsam das Bewusstsein verlor.

„Wenn Sie vergiftet worden ist, kann ich ihr nicht helfen.", erklärte der Doktor, woraufhin ich die Hände zu Fäusten ballte. Das reichte!

„Sie ist nicht vergiftet worden.", erklärte ich verbissen und trat einen Schritt vor. Mr Kurt hob den Blick und bemerkte erst in dem Moment, dass ich ihm gefolgt war und folglich seinen Befehl ignoriert hatte.

Ella - Die Stille nach dem SturmWhere stories live. Discover now