7. Gebrochen - Teil 1

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Seit der Nacht im Krankenhaus waren einige Tage vergangen, ohne dass ich Mr Kurt wieder zu Gesicht bekam. Er war viel beschäftigt gewesen. Ich fand heraus, dass er zu einem der einflussreichsten Investoren und Börsenführer gehörte. Sein Vater baute zu seiner Zeit das Imperium auf, das er heute führte. Mr Kurt gehört neben dem Krankenhaus noch ein Bauunternehmen, die Maschinenproduktion, eine Waffen- und Rüstungsindustrie sowie zahlreiche kleinere Betriebe zum An- und Verkauf von Waren.

Kurz gesagt, er war reich – und ziemlich bekannt in der Gegend. Daher wunderte es mich nicht, dass er kaum zu Hause war. Wie sollte jemand noch durchblickten bei den ganzen Unternehmen?

Am frühen Morgen erhielten wir im Anwesen jedenfalls die Nachricht, dass er zum Abend mit Gästen nach Hause zurückkehren würde. Es sollten Generäle und Offiziere kommen. Ich vermutete stark, dass Mr Kurt seine Waffen an das Militär verkaufte – und an diesem Abend irgendwelche Geschäfte besprechen würde.

Sofort ging es drunter und drüber im Haus.

Mathilda und Hilde machten sich daran, das Essen zu kochen. Marie deckte im Speisesaal den Tisch, während Rosalie aus dem Hinterhof Feuerholz holte.

Ich hatte die Wahl einem von beiden zu helfen.

Da Rosalie und ich seit dem Zwischenfall in Mr Kurts Schlafzimmer kein Wort mehr miteinander gesprochen hatten, holte ich das Besteck aus der Küche und half Marie beim Decken. Wir waren rechtzeitig fertig mit den Vorbereitungen, als Peter hinauslief, um den Gästen das Tor zu öffnen.

Bei der Begrüßung standen alle in einer Reihe in der Eingangshalle. Nur ich versteckte mich in der Küche und tat so, als würde ich es plötzlich schrecklich wichtig finden die Suppe regelmäßig umzurühren. Ich biss mir auf die Unterlippe, während ich leise hinhorchte. Im Flur war lautes Gerede zu hören und schwere Schritte, als sie sich ohne Umschweife in den Speisesaal begaben.

Mathilda kam sofort in die Küche gestürmt, gefolgt von den anderen Hausmädchen. „Schnell, schnell, schnell." Sie nahm mir den Suppenkessel ab und schenkte die Suppe in ein halbes Dutzend tiefe Teller ein.

„Hilde und Ella servieren die Suppen!", ordnete sie an und legte die Teller auf zwei Tabletten ab.

Ich hob das schwere Tablett mit beiden Händen an und folgte Hilde, als sie aus der Tür trat. Da ich völlig konzentriert auf die Suppe starrte, damit sie nicht über den Tellerrand schwappte, sah ich nicht, wie Rosalie neben mir einen Arm hob und mir das Tablett mit einem Schwung aus den Händen riss.

Mit einem lauten Klirren fielen die Teller zu Boden und zerbrachen. Die heiße Suppe war auf alle umliegenden Gegenstände gespritzt, wobei ein Großteil auf meinem Kleid gelandet war. Es brannte mir die Haut an meinen Beinen weg. Ich sah sprachlos auf.

„Ups.", machte Rosalie und trat einen Schritt zur Seite, als Mathilda erschrocken dazukam. Ich hörte Mathildas Stimme wie aus der Ferne, denn mein Blick blieb wie angewurzelt an Rosalie haften. Sie erwiderte meinen Blick; Keine Reue. Ein kleines Lächeln umspielte ihren Mund. Das hatte sie mit voller Absicht getan. Aber warum?

„Ist schon gut, Mäuschen. Ich hätte nicht so hetzen sollen. Solche Unfälle können nun mal passieren.", drangen Mathildas Worte langsam und träge in mein Ohr. Hatte sie das allen Ernstes nicht mitbekommen? Sah denn hier niemand, was für eine Hexe Rosalie war?

„Das Servieren übernehmen besser Hilde und Rosalie.", bestimmte Mathilda als nächstes. „Lasst die Gäste nicht länger warten.", sagte sie an die beiden gewandt, „Wir räumen hier schon auf."

Marie hatte sich bereits hingekniet und sammelte die Scherben auf. Als ich mich vornüberbeugte, um ihr zu helfen, hielt Mathilda mich zurück.

„Du solltest dir besser etwas anderes anziehen.", schlug sie vor.

Ella - Die Stille nach dem SturmWhere stories live. Discover now