21. Der Kampf - Teil 1

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Er hatte mich doch tatsächlich gehen lassen.

Die Enttäuschung, die ich verspürte, konnte ich kaum in Worte fassen. Ich hatte gehofft, dass er mich zurückhalten würde, sobald er mich im Kleid sah. Aber er war kühl, distanziert und wie aus Stein - wie immer. Er hatte keinerlei Emotionen gezeigt und außer, dass ihm Wohltätigkeiten zuwider seien, hatte er auch keine anderen Einwende gehabt.

Wehmütig sah ich aus dem Fenster, als die Kutsche zum Stehen kam.

Breite Treppen führten in das große prachtvolle Gebäude, aus dem gedämpftes Gejubel und Applaus zu hören waren. Am Treppenende stand eine schmale Gestalt im Dämmerlicht der untergehenden Sonne. Ich musste zwei Mal hinsehen, um Mr Bennett - äh, Theo - zu erkennen. Er hatte im Gegensatz zu mir keine Schwierigkeiten mich zu erkennen und lief auf die Kutsche zu, bevor der Kutscher überhaupt von seinem Platz aufstehen konnte, und machte mir die Tür auf.

„Ich dachte schon, du kommst nicht mehr." Die Erleichterung in seiner Stimme war deutlich zu hören. Ich schob meine düsteren Gedanken über Mr Kurt beiseite und zwang mich zu einem Lächeln.

„Entschuldige meine Verspätung. Wartest du schon lange?"

„Nein. Ist schon gut.", er reichte mir die Hand und half mir beim Aussteigen, „Du hast nur die Eröffnungsrede verpasst."

Ich lachte. „Ich denke, das werde ich verkraften können."

Er schmunzelte und bot mir seinen Arm an. „Wollen wir?"

„Sehr gern." Ich hakte mich bei ihm ein und gemeinsam stiegen wir die Stufen auf. Je näher wir dem Eingang kamen, desto lauter wurde die Musik. Die schweren Eichentüren standen sperrangelweit offen und beim Eintreten wurden wir von zwei Butler freundlich begrüßt. Mir wurde der Mantel abgenommen, woraufhin Theo mich mit großen Augen von Kopf bis Fuß ansah.

„Du siehst wunderschön aus, Ella.", bemerkte Theo und lächelte verlegen.

„Danke." Wenigstens einer, dem es gefiel.

„Folgen Sie mir.", bat der Butler und ging voran.

Der Eingangsbereich alleine war bereits atemberaubend, doch wurde von dem großen Saal, in das wir geführt wurden, in den Schatten gestellt. Mehrere Kronleuchter hingen von der Decke und tauchten den Saal durch die Kerzenlichter in einen warmen Ton. Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich eine kleine Bühne auf der eine Tafel aufgestellt wurde; Auf der wurde die Spendenzahl geschrieben, die von einer attraktiven Dame nach jeder Spende überschrieben wurde.

Die Musik wurde von einem Streichorchester gespielt, die oben auf einem breiten Balkon standen und auf diese Weise den ganzen Saal mit schöner Melodie erfüllten. In der Mitte wurde in Paaren getanzt. Es schien sich um einen traditionellen Tanz zu handeln, bei dem sich die Paare jeweils gegenüberstanden und in der Mitte dann trafen, um sich herumzudrehen. Der Tanz war mir völlig fremd, aber im Grunde war mir im Moment die ganze Situation ziemlich fremd. Daher war von meinem Einschätzungsvermögen nicht viel zu erwarten.

„Theodor, mein Junge, ich bin froh, dass du es geschafft hast!"

Durch die Menge kam ein älterer Herr mit einer zierlichen Dame mittleren Alters an seiner Hand direkt auf uns zu. Theo ließ mich kurz los, um die ausgestreckte Hand des Herrn zu ergreifen und lächelte breit. „Das hätte ich mir niemals entgehen lassen, Mr Zadora."

„Wie geht es deinem Vater?"

„Besser. Er richtet seine besten Grüße aus, Sir.", versicherte Theo. Während sie sich kräftig die Hände schüttelten, fiel mein Blick auf die Dame an der Seite des Herrn. Sie hörte der Unterhaltung aufmerksam zu, jedoch fiel mir auf, wie sie sich unbewusst am Unterarm kratzte, bis es rot wurde. Vermutlich ein Mückenstich oder etwas ähnliches. Sie hatte ein warmes Lächeln auf den Lippen, aber es war ihr anzusehen, dass der Juckreiz sie sehr störte.

Ella - Die Stille nach dem SturmWhere stories live. Discover now