17. Im Mondschein

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Es war der Tag der Abrechnung gekommen. 

Mr Kurt würde sich an diesem Abend mit Lieutenant Leonor treffen, um dem ganzen Spiel ein Ende zu setzen. Es kribbelte in meinen Fingerspitzen, aber ich versuchte mir die Vorfreude nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Am meisten war ich neugierig auf den Gesichtsausdruck des Offiziers, sobald er erfuhr, dass er reingelegt wurde.

Ich wollte es so sehr, dass ich sogar abgelehnt hatte, Großschwester Helene's Schicht im Krankenhaus zu übernehmen, obwohl sie mich danach gefragt hatte. Das muss du dir erstmal vorstellen! Ich verzichtete freiwillig auf die Arbeit!

Eigentlich war ich immer noch sauer auf Mr Kurt, dass er ungebeten meinen Brief gelesen hatte und noch dazu die Unverschämtheit hatte mir zu verbieten mich mit Mr Bennett zu treffen, aber im Moment hatte ich ganz andere Dinge im Kopf. Das Treffen mit dem Offizier beschäftigte mich zu sehr, als dass ich noch nachtragend sein würde. Immerhin würde Mr Kurt alle Geschäfte mit ihm platzen lassen - für mich.

Dieser Gedanke war mir sehr befremdlich. Es war mehr als offensichtlich, dass Mr Kurt und ich nicht die besten Freunde waren. Vermutlich ärgerte ich ihn mehr, als es jemals jemand getan hatte und im Grunde hatte er nicht einen Grund, um mir zu helfen. Und dennoch tat er es. Ich musste zugeben, ich verstand diesen Mann nicht. 

Er war mir ein Rätsel. 

Genau wie die Spannung es war, die zwischen uns herrschte, immer wenn wir uns im selben Raum befanden.

Am Morgen durfte ich nach einer gefühlte Ewigkeit wieder mit Rosalie das Frühstück servieren. Ich versuchte es zu leugnen, aber ich spürte ein ständiges Kribbeln in seiner Nähe. Als ich an seiner Seite stand, um ihm Tee einzuschenken, brannte meine Haut unter seinem Blick. Ich verstand nicht, wie er es schaffte so distanziert zu wirken, während ich gleichzeitig die Hitze seiner Nähe spürte - und dabei brauchte er mich weder anzufassen, noch mit mir zu sprechen.

Ich verstand nicht, was das war zwischen uns.

Ich erwartete zugegebenermaßen, dass er mich vielleicht in den Plan für den heutigen Abend einweihen würde, aber die Zeit schritt voran und langsam bekam ich das Gefühl, er wollte gar nicht, dass ich es erfuhr. Den ganzen Tag über behielt ich Mr Kurt im Auge, während ich im Haus versuchte nebenbei die Arbeiten zu erledigen, die Mathilda mir beauftragt hatte. 

Er hatte das Haus nicht einmal verlassen und verbrachte die meiste Zeit im Arbeitszimmer mit Schmidt. Vermutlich besprachen sie den Ablauf des Abends. Ich war schrecklich neugierig, aber fand keinen Weg Mr Kurt anzusprechen - um ehrlich zu sein, traute ich mich nicht ihn anzusprechen. Immerhin waren wir am vorherigen Tag nicht wirklich freundlich auseinander gegangen. Ich konnte mir vorstellen, dass er mir aus Trotz nichts verraten würde, geschweige denn mir erlauben würde zum Treffen mitzukommen.

Ich würde ihm wohl oder übel am Abend folgen müssen, wenn er zu dem Treffen ging.

Nach dem Abendessen, als es ruhiger im Haus wurde, blieb ich in meinem Zimmer und horchte hin für den Fall, dass Mr Kurt und Schmidt das Haus verlassen würden. Einmal hörte ich wie Rosalie laut lachend aus seinem Arbeitszimmer gekommen war. 

Ich kaufte ihr das Gelächter aber nicht ab. 

Mr Kurt war nicht witzig. Er erzählte auch keine lustigen Geschichten.

Ich war mir sogar sicher, dass er keine Stimmbänder für das Lachen hatte - kein Lachorgan. Niemals hatte er sie zum Lachen gebracht. Ich kannte Mr Kurt gut genug. Wen versuchte sie für dumm zu verkaufen?

Ganz ruhig, Ella. 

Um Rosalie kümmern wir uns später. 

Erwürgen oder Erdrosseln wäre gegen den Ärzte-Eid... Aber es gab mehrere Wege, wie man Menschen aus dem Weg schaffen konnte. 

Ella - Die Stille nach dem SturmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt