5. Tatsächlich Zigeunerin?

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*fuuuuurz*

„Ohh.", machte der alte Mann und hielt sich den Bauch, „Das geht schon seit einer ganzen Weile so, mein Kind."

Es roch, als wäre im Inneren des Mannes etwas verstorben. Ich versuchte mein Gesicht nicht angewidert zu verziehen und sah dem Alten streng in die Augen. „Ich habe es Ihnen doch jetzt schon ein drittes Mal erklärt. Sie müssen nur auf Milchprodukte verzichten, dann hören die Blähungen auch auf."

„Das kann ich nicht machen. Meine Frau backt jeden Sonntag einen Käsekuchen. Außerdem brauche ich meine Milch zum Einschlafen."

Ich versuchte die Geduld zu bewahren.

Das war nun meine zweite Woche im Krankenhaus und mir wurden ständig nur nervige Patienten zugewiesen, um die sich keiner kümmern wollte. „Dann müssen Sie wohl noch etwas warten, bis Laktosefreie Produkte erfunden werden." Ich dachte kurz nach. „Aber wahrscheinlich erleben Sie das gar nicht mehr mit."

„Was sagst du, mein Kind?"

Ich schüttelte den Gedanken ab. „Hören Sie, ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen. Ich bin nur eine Krankenschwester - und selbst wenn ich Ärztin wäre, könnte ich Ihnen keine Arzneimittel verschreiben, weil es noch keine Pharmazie-Industrien gibt. Wahrscheinlich passiert das erst Mitte des 20. Jahrhunderts."

Der Alte sah mich völlig verwirrt an. „Kannst du das wiederholen, mein Kind, und dieses Mal bitte etwas langsamer?" Er neigte sein Ohr zu mir. Ich seufzte genervt und stand auf.

„Wie gesagt, verzichten Sie auf Milchprodukte und nun gehen Sie besser nach Hause." Ich half dem Alten auf die Beine und begleitete ihn zum Ausgang. „Und gehen Sie bitte das nächste Mal zu Ihrem Hausarzt für solche Fälle. Wir haben hier mit totkranken Menschen zu tun."

„Wie du meinst, mein Kind." Ich klopfte ihm auf die Schulter und ließ ihn los, bevor er durch die Tür ging.

Im selben Moment trat Schmidt ein.

Allein bei seinem Anblick seufzte ich innerlich auf.

Kevin Schmidt war der persönliche Sekretär von Mr Kurt und kam kurz vor jedem Feierabend vorbei, um mich zum Anwesen zu begleiten - oder viel mehr mich zu zerren und zu schleppen.

Er konnte mich nicht ausstehen. Und ich ihn nicht.

Wie es schien, hat ihm Mr Kurt viel von mir erzählt, denn er gab mir denselben herablassenden Blick wie sein Chef. Schmidt baute sich direkt vor mir auf und verschränkte die Hände hinter den Rücken. Er war nicht viel größer als ich, trug eine Runde Brille auf der spitzen Nase und hatte einen Anzug an, der aussah, als hätte er ihn von einem alten Rentner geklaut. Sein Jackett war eindeutig eine Nummer zu groß. Er hob das Kinn und sah mich mit seinen blauen Augen von oben herab an.

Er war engstirnig und ein Klugscheißer.

„Mr Kurt schickt mich.", sagte er. Keine Begrüßung, keine Fragen nach meinem Wohlergehen.

„Du brauchst das nicht jedes Mal zu sagen.", erklärte ich.

Mr Kurt ließ mich ohnehin nur drei Tage die Woche im Krankenhaus arbeiten. Die restlichen Tage arbeitete ich als Hausmädchen. Dieses Prinzip Mathilda und den anderen zu erklären, war ein ziemlicher Kampf gewesen. Mathilda wollte mich an meinen ersten Arbeitstagen nicht gehen lassen, weil es sich nicht schickte als Fräulein das Haus zu verlassen.

Erst als Mr Kurt die Lage erklärte, ließen sie mich gehen.

An meinem ersten Tag im Krankenhaus wurde ich nicht gerade warm empfangen. Die Großschwester mochte mich ohnehin nicht und ließ mich das jeden Tag spüren. Sie hatte mir mit knappen Worten erklärt, was meine Aufgaben waren und hatte mir meine Arbeitskleidung gegeben. Dieser bestand aus einem weißen Kleid mit einer weißen Schürze, sowie einer weißen Haube - die mich stark an die einer Nonne erinnerte.

Ella - Die Stille nach dem SturmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt