18. Rendez-vous mit dem guten Freund

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Ich war nicht immer eine Person gewesen, die wirklich überzeugt und sicher von sich selbst war. Es gab Zeiten, in denen hatte ich mir gewünscht jemand anderes zu sein. Egal wer.

Früher in meiner Jugend trug ich eine Zahnspange und fühlte mich deshalb immer unwohl in meiner Haut. Ich mochte es nicht zu lachen oder zu reden. Jeder Anlass den Mund aufzumachen war für mich die Hölle. 

Nachdem sie mir abgenommen wurde, bekam ich wenig später schlimme Akne auf der Stirn und an den Wangen. Jeder, der in seinem Leben jemals Pickel bekommen hatte, weiß, wie schrecklich es ist anderen Menschen in die Augen gucken zu müssen. Ich war damals von einem Hautarzt zum nächsten gerannt. Keine Creme, kein Waschgel dieser Welt konnte mir helfen. Ich hatte mich nie hübsch genug gefühlt. 

Vor lauter Unglück hatte ich angefangen mehr zu essen. Mit den Jahren verging die Akne und ich kam aus der Pubertät, aber danach plagten mich meine dicker gewordenen Hüften. Die Zahl auf der Waage machte sich immer lustig über mich. Meine Hosen passten mir nicht mehr und ich zwang mich von einer Diät zur nächsten.

Es kam der Tag, an dem ich es satt hatte mich selber fertig zu machen. Ich sah ein, dass ich mich niemals wohl in meinem Körper fühlen würde, wenn ich nicht anfing anders über mich selbst zu denken. Statt mich selbst zu bekämpfen, hatte ich angefangen zu lernen für mich zu kämpfen.

Ich hatte nie wieder zugelassen, dass ich mich selbst nicht wert geschätzt oder gut genug fühlte.

Aber nach dem Kuss hatte ich wieder Selbstzweifel - und ich hasste es.

Eigentlich sollte man sich nach einem Kuss besser fühlen, vielleicht sogar Schmetterlinge im Bauch haben. Aber durch Mr Kurts Abweisung war das alles abhanden gekommen. In mir kochte die Wut, wenn ich nur daran dachte, wie er mich nach Hause geschickt hatte, obwohl er wusste, wie sehr ich mitansehen wollte, was mit Lieutenant Leonor passierte!

Er war nach jenem Abend erst drei Tage später wieder nach Hause gekommen. In diesen drei Tagen bin ich gestorben vor Neugier. Leider wurde diese Neugier auch nach seiner Rückkehr nicht gestillt, denn er erzählte rein gar nichts. Stattdessen machte ich meine eigenen Vermutungen;

1. Er hatte den Offizier getötet und hatte die Tage damit verbracht seine Leiche loszuwerden.

2. Er hatte ihm einen One-Way-Ticket für den Zug gegeben und dafür gesorgt, dass Lieutenant Leonor nie wieder zurückkehren konnte.

3. Er war nur deshalb drei Tage lang nicht nach Hause gekommen, weil er nach dem Kuss nicht wusste, was er tun sollte, und deshalb von mir fernbleiben wollte.

Auch wenn ersteres durchaus möglich war, vermutete ich letzteres. Denn als der Alltag wieder eintrat, schien alles wie früher; Er tat so, als wäre nie etwas passiert. Er behandelte mich wie jede andere.

Nein.

Das stimmte nicht ganz.

Er verhielt sich mir gegenüber schlimmer als vorher, viel kühler und distanzierter. Fast so, als würde er den Kuss bereuen und sich wünschen, es wäre nie passiert.

Ich hasste es, wie er mir das Gefühl gab, es wäre ein Versehen gewesen.

Aber er hatte sich das falsche Opfer ausgesucht! Ich war schon lange nicht mehr das verunsicherte Mädchen aus meiner Jugend. Früher wäre ich wahrscheinlich in Tränen ausgebrochen und hätte mich gefragt, was ich falsch gemacht hatte. Aber nicht heute.

Ich war bereit zu kämpfen.

Ich würde ihm zeigen, mit wem er es zu tun hatte.

Ich würde ihm zeigen, was es hieß, Ella Blanc zu küssen und dann so zu tun, als wäre nichts!

Ella - Die Stille nach dem SturmWhere stories live. Discover now