16. Erschwerungen

13.8K 725 119
                                    

Ich stand im langen, dunklen Flur im Krankenhaus. Mir zitterten leicht die Knie, während ich unaufhörlich die Tür anstarrte, hinter der Mr Todzy lag.

Am Morgen hatte ich furchtbare Kopfschmerzen gehabt und konnte nicht sofort aus dem Bett. Mathilda hatte sich natürlich schreckliche Sorgen gemacht und wollte mich erst nicht zur Arbeit gehen lassen. Aber ein starker Kaffee und genug Wasser, hatten mir gut getan und mir geholfen, meinen Kater so gut es ging zu überwinden. Dennoch hatte ich Schwierigkeiten mich an die meisten Sachen vom vergangenen Abend zu erinnern. Ich wusste noch, dass Mr Kurt da war und mir geholfen hatte. Ich wusste noch, wie wir aus der Kneipe nach Hause kamen. Aber an unsere genaue Unterhaltung und was wir getan hatten, als wir zu Hause waren, konnte ich mich nicht erinnern. Ich hatte auch nicht die Gelegenheit ihn zu fragen, da Mathilda mich nicht in seine Nähe ließ. Eigentlich hätte ich mir den Tag auch frei nehmen und mich ausruhen können, aber ich konnte zu Hause einfach nicht still sitzen. Einige Stunden verspätet, ging ich zur Arbeit ins Krankenhaus.

Dort hatte ich von Großschwester Helene erfahren, dass der Patient die Operation am vergangenen Tag überlebt hatte. Doktor Thomas und Richard konnten ihn retten, jedoch hatte er eine Menge Blut verloren und würde es wahrscheinlich nicht lange überleben. Ich hatte es zunächst gemieden nach Mr Todzy zu sehen, jedoch plagte mich mein Gewissen. Ich hielt es nicht länger aus und versuchte mich zu überwinden, aber verspürte eine stetige Unbehaglichkeit. Wie sollte ich ihm oder seiner Familie in die Augen schauen?

„Willst du nicht reingehen?"

Ich schrak auf und drehte mich zu Juli um. Die junge Krankenschwester hatte den Kopf zur Seite geneigt und lächelte mich aufmunternd an.

Ich atmete tief durch und nickte, ehe ich mich zur Tür wandte und mich zwang die Türklinke zu fassen. Mit all meiner Willenskraft drückte ich die Tür auf und trat ein, dicht gefolgt von Juli.

Mr Todzy lag schlafend in einem Bett aus weißen Laken. Neben ihm saß ein großer, kräftiger Junge auf einem Stuhl und sah auf, als wir eintraten. Seine dunklen Haare und die Gesichtszüge erinnerten mich an Mr Todzy. Er musste sein Sohn sein. Der besagte stand höflich auf und nickte zur Begrüßung.

„Wir wollten nach deinem Vater sehen.", erklärte Juli an meiner Stelle, als ich kein Wort herausbekam.

Der Sohn nickte. „Er ist noch nicht zu sich gekommen."

Ich schluckte schwer.

„Wo ist deine Mutter?", versuchte ich beklommen das Thema wechseln.

„Sie sieht gerade nach meinen Geschwistern zu Hause und will sie herholen für den Fall, dass er es nicht schafft..." Die letzten Worte waren nur noch ein Flüstern. Mir gefror das Blut in den Adern.

„Sag so etwas nicht.", bat Juli, „Wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren."

Betrübt nickte der Sohn und ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. „Sie haben Recht. Die Ärzte meinen zwar, dass mein Vater das schlimmste überstanden hätte, aber habe ich das Gefühl, sie verschweigen etwas vor uns."

Ich spürte wie mir sämtliche Wärme aus den Gliedmaßen wich.

„Wie kommst du denn darauf?", fragte Juli überrascht.

Dieser zuckte die Achseln. „Meine Mutter meinte, es sei komisch, dass wir die Operation nicht bezahlen müssten."

„Nicht?", fragte ich verwirrt.

„Mr Kurt hat die Kosten für die Operation übernommen.", erklärte Juli leise neben mir.

Ich sah gedankenverloren auf den blassen Patienten hinab. Ich konnte nicht ganz verarbeiten, was sie gesagt hatten. Mr Kurt hatte Anweisungen gemacht kein Geld zu verlangen? Mr Geizhals Kurt?

Ella - Die Stille nach dem SturmWhere stories live. Discover now