EINS - Hölle, Rauch und Hitze

16.4K 648 562
                                    


EINS

Hölle, Rauch und Hitze

Müde schlinge ich mein Frühstück herunter, das mir heute ganz sicher nicht im Magen bleiben wird. Seufzend schaue ich auf und beobachte Dad, der seine zerknitterte Zeitung liest. Er hat viele Falten bekommen, die sein frisches Gesicht viel älter wirken lassen. Ursprünglich waren seine dichten Haare von einem glänzenden Schwarz, doch das Alter, der Stress, arbeiten zu gehen und drei Kinder alleine zu erziehen, haben ihn gezeichnet, sodass sein Haar nun von vereinzelten grauen Strähnen durchzogen wird. Ein kleines V bildet sich auf seiner Stirn, als er die Stirn runzelt.

„Ist was, Dad?", frage ich ihn zaghaft. Kurz legt er seine Zeitung beiseite und sieht mich an. Leicht nach vorne lehnend beobachte ich meinen Vater, dessen grünen Augen ihren Glanz nach all den Jahren trotz des Stresses nicht verloren haben.

„Alles okay, Liebling", erwidert er. „Hier stand nur etwas Seltsames, nichts von Bedeutung."

„Okay."

Nachdem ich mehr oder weniger mein Frühstück, das aus zahlreichen Pancakes besteht, aufgegessen habe, stelle ich meinen Teller in die Küche und trinke noch hastig meinen Orangensaft leer.

„Hast du denn keinen Hunger?", höre ich Dad aus dem Esszimmer. Doch, eigentlich habe ich wirklich Bärenhunger, aber ich kriege einfach nichts herunter. Heute steht die Chemieklausur bevor, die entscheidet, ob ich versetzt werde oder nicht. Und wie es nicht anders zu erwarten ist, bin ich grottenschlecht in Chemie, weswegen ich so nervös bin.

„Es ist wegen der Klausur oder etwa nicht?" Oh, ich habe ganz vergessen, ihm zu antworten. Mit schlürfenden Schritten laufe ich wieder in das Esszimmer und setze mich zu Dad. Inzwischen hat er seine Zeitung wieder beiseite gelegt, um ein paar Schlücke seines Kaffees zu trinken.

„Ja ...", antworte ich ihm, während ich meine Hände knete. Sie sind wieder total schwitzig, wie ich das hasse. „Immerhin entscheidet die Klausur, ob ich versetzt werde. Ich muss unbedingt über die 50 Prozent kommen." Ja, 50% sind nicht wirklich der Renner, aber in Chemie ist das bei mir vollkommen akzeptabel.

Dad tätschelt mir die Schulter. „Das wird schon, ja? Ich drück' dir die Daumen."

Lächelnd nicke ich und gebe ihm einen Kuss auf die Wange, die Stoppeln kratzen ein wenig.

„Ich geh dann mal", berichte ich. „Und rasier dich mal wieder."

Er lacht, ein wirklich schöner Ton, der  in unserer Wohnung leider viel zu selten ertönt. Grinsend laufe ich in den Gang, um mich anzuziehen. Die dünne Strickjacke, die ich mir überziehe, sollte reichen.

„Ellie, Al, kommt ihr?", schreie ich durch die Wohnung. Ein Poltern ist aus dem Bad zu hören, das höchstwahrscheinlich gerade von Ellie in Anspruch genommen wird. Albert kommt als erstes aus seinem Zimmer.

„Ich bin fertig, Nora!", prahlt er und hebt mit beiden Händen seinen Rucksack fest.

„Ganz toll, Großer. Hast du alles eingepackt? Auch deine Dose?"

„Jap."

„Gut."

Er strahl über beide Ohren, mir geht das Herz auf. Seine Zahnlücke, mit der er ebenfalls die ganze Zeit herumprahlt, fällt sofort auf, weshalb ich ein wenig schmunzeln muss. Al ist das Herzstück der Familie, auch wenn er adoptiert worden ist.

Genervt von Ellie, die mal wieder trödelt, wippe ich mit dem Fuß auf und ab, bis sie dann auch endlich mal aus dem Badezimmer kommt.

„Ach, auch mal fertig?", brumme ich. Sie wirft mir nur einen Killerblick zu, mehr nicht. Al rennt nochmal in das Esszimmer, um sich von Dad zu verabschieden. Ich höre, wie er ihm einen Kuss gibt, doch Ellie schreit nur „Tschüss, Dad!" Ich könnte sie jedes Mal für ihre fehlende Dankbarkeit gegenüber Dad verfluchen, aber vor Al möchte ich das nicht ausdiskutieren.

Blazing FireWhere stories live. Discover now