EINUNDVIERZIG - Opfer bringen, Schmerz und Gedankenkontrolle

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EINUNDVIERZIG

Opfer bringen, Schmerz und Gedankenkontrolle





„We walk through the fire.

Is there a way out? [...]

There's no way to go, no way to go

But straight through the smoke, straight through the smoke

And the fight is all we know."

Zayde Wolf and Ruelle – Walk Through the Fire





Nachdem Helen mich allein gelassen hat und ich weiterhin in meiner Zelle vor mich hin gedöst habe, denke ich über ihre Worte nach. Valorac hat also vor, den Mächtigsten von uns zu töten und ihn seiner Fähigkeit zu berauben. Aber wer von uns ist laut ihm der Mächtigste? Weiß er das schon oder ist er noch dabei, es für sich selbst herauszufinden? Woran macht er das überhaupt fest? Deshalb mussten wir ihm etwas zeigen. Eine Seite in mir hofft, in Valoracs Augen nicht die Mächtigste zu sein, allerdings gibt es auch eine Stimme in mir, die sagt, ich könnte dadurch die anderen retten.

Ohne zu hinterfragen weiß ich sofort, dass ich mich für Nicholas opfern würde, was mich jedoch ein wenig erschreckt. Doch würde ich mich ohne Widerstand für Liz und Darius opfern? Stehen die beiden mir nah genug? Und Nicholas?

Grübelnd fällt mir etwas wie Schuppen vor die Augen: Nicholas hat sich absichtlich keine Mühe gegeben, er musste von Valoracs Vorhaben gewusst haben – aber woher?

Die Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag. Er wollte nicht, dass Valorac ihn als Mächtigsten ansieht und ihn wählt. Noch vor ein paar Stunden habe ich mir gewünscht, Nic würde seine Einstellung, dass er nichts zu verlieren hat, überdenken, da er jetzt mich hat, und dennoch ist sein Egoismus mit ihm durchgegangen. Er will seine eigene Haut retten – offenbar um jeden  Preis.

Geschockt und wütend zugleich möchte ich von der Wut vernebelt ein Feuer gegen die Wand leiten, allerdings wird mir bewusst, was Helen gesagt hat. Solange ich mein Feuer im Kerkerbereich auf eine gefährliche Weise ausnutzen will, funktioniert es nicht. Schreiend raufe ich mir an den Haaren.

Das ist nicht Nicholas. Nein, das kann er nicht getan haben. Er kann nichts von dem Plan gewusst haben! Oder?

Du bist so naiv, Nora. Natürlich hat er es absichtlich getan. Du vergisst, dass der Egoismus seine größte Schwäche ist. Und wir alle lassen uns oftmals von unserer Schwäche leiten, die uns Dinge tun lässt, die wir womöglich später bereuen. Bereut er es überhaupt? Oder hat er gar kein schlechtes Gewissen, weil er vielleicht fein aus dem Schneider sein wird und wir ihm völlig egal sind?

Ich bin ihm nicht egal oder etwa nicht? Was ist mit Liz und Darius? Kann ich ihn überhaupt dafür verurteilen? Jeder Mensch mit einem gesunden Menschenverstand würde sich selbst retten wollen – nur ich, die sich selbst immer an zweite Stelle stellt, mache mir Gedanken über die anderen.

Ob Liz und Darius davon schon wissen? Ganz sicher hat Helen ihnen bei ihrer Essensübergabe davon erzählt. Wie denken sie darüber?

Gott, mein Kopf explodiert gleich in tausend Teile. Meine Wut auf Nicholas wird von dem Schmerz, der mich durch seine Tat trifft, vernebelt. Bin ich ihm doch nicht so wichtig oder warum ist er so verdammt egoistisch? Wieder einmal stelle ich mir die Frage, ob ich ihn überhaupt verurteilen kann. Nur weil ich mich auf den ersten Reflex hin für ihn opfern würde, muss das noch lange nicht heißen, dass er das selbe tun würde. Er ist von Natur aus egoistisch und niemand kann einer Person ihre Natur austreiben. Womöglich hat er für mich Gefühle – so wie ich für ihn – aber das muss nicht zwangsläufig ein Grund sein, um für mich zu sterben. Ist es gerade von mir ebenso egoistisch, das von ihm zu erwarten? Eigentlich erwarte ich es gar nicht von ihm, natürlich wünsche ich mir sein Überleben, aber es tut trotzdem weh, zu wissen, dass ich es tun würde und er nicht.

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