DREIUNDFÜNFZIG - Das Ende ist gekommen

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DREIUNDFÜNFZIG

Das Ende ist gekommen


Meine Hände sind unfassbar zittrig, als ich den Reißverschluss des Koffers schließe. Noch einmal überschaue ich den Raum, um mich zu vergewissern, dass ich nichts vergessen habe.

„Die solltest du auch noch in deinen Koffer tun", sagt Nic und hält mir einen kleinen Zettel hin, auf welchem seine Nummer steht. Ich muss grinsen.

„Stell dir vor, wir hätten nach all dem Drama keine Möglichkeit, uns gegenseitig zu erreichen", scherze ich. Sanft greift er meine Hände, damit sie aufhören, zu zittern.

„Ich werde sobald wie möglich in die USA ziehen."

„Du bist verrückt. Der Vorgang wird ewig dauern."

„Na und? Bis dahin können wir uns mit dem Besuchen abwechseln. Du wohnst in Minnesota, das ist ein Staat an der Grenze zu Kanada."

„Nic", seufze ich. „Genau genommen lebe ich in Minneapolis, und das ist deutlich weiter weg von der Grenze. Man müsste ewig fahren und einen Flug können wir uns nicht einfach so oft leisten."

Seine Augen werden plötzlich groß, als hätte er eine grandiose Idee. Ich starre ihn stirnrunzelnd an.

„Was ist?"

„Bis das geklärt ist, können wir uns einfach hier treffen", schlägt er vor, was eigentlich ziemlich einleuchtend ist. „Ich meine, es ist zwar nicht die beste Lösung, immer wieder an diesen Ort zurückzukehren, und ich kann verstehen, wenn du das nicht willst, aber-"

„Es ist okay, keine Sorge. Wenn wir uns dadurch öfters sehen können, nehme ich das in Kauf."

Es ist ein komisches Gefühl, die Tür hinter mir zu schließen. Was für Monate mein Zuhause war, wird in der Zukunft nur noch eine Erinnerung sein.

Ich habe keine Ahnung, was ich fühlen soll, als wir alle vier nach unten gehen und in der Eingangshalle Platz nehmen. Mein Kopf ist viel zu voll.

„Monate waren wir hier, und jetzt ist der Tag gekommen, an dem wir für immer gehen. Schon ziemlich krass oder?", sagt Darius, während wir uns auf die Samtsofas setzen. Hier saß ich, als ich das erste Mal erfahren habe, warum ich hierher geschickt wurde. Eigentlich sollte das mein letztes Mal sein, doch ich weiß, dass ich zukünftig öfters hierher kommen werde. Nicht nur wegen Nicholas, nein.

Ich werde für Corins Beerdigung zurückkommen. Und für all die Menschen, die ihr Leben verloren haben.

Jetzt, nach dem großen Kampf, der endlich vorbei ist, dürfen wir nachhause zu unseren Familien.

Livia, Sanchia, Viktor und Concordia begleiten uns zum See. Es ist seltsam, sie alle zu umarmen, auch wenn ich weiß, ich werde sie früher oder später wiedersehen. Die Tatsache, dass ich eigentlich nie wieder hierher zurückkehren möchte, behalte ich für mich. Für Nicholas und Corin werde ich es tun müssen.

Es dauert nicht mehr lange, bis ich meine Familie und Freunde wiedersehe. Alles ist so surreal – bis vor wenigen Tagen habe ich mich an die Hoffnung geklammert, dass bald alles vorbei ist und nun ist es soweit. Nicholas hat überlebt und ich werde wieder nachhause gehen.

Mein Herz pocht vor Freude, Aufregung und Nervosität zugleich. Ich war mehr als zwei Monate weg, was wird wohl alles Zuhause passiert sein? Oh Gott, ich kann es kaum glauben. Ich darf tatsächlich nachhause. Ich werde sie alle wiedersehen.

Es wird mehr als schwierig, ja nahezu unmöglich, wieder meinen gewöhnlichen Alltag zu leben. In den letzten Monaten bestand mein Alltag unter anderem aus hartem Training und Überlebenskämpfen. Jetzt werde ich wieder zur Schule gehen, Hausaufgaben machen, lernen, den Haushalt schmeißen müssen und so tun, als wäre nie etwas passiert. Doch die Narben, die meinen Körper zieren, kann ich nicht für immer verstecken. Sie werden mich immer daran erinnern, was ich erlebt habe. Und meine Familie und Freunde werde ich auch nicht lange täuschen können.

Blazing FireWhere stories live. Discover now