4. Kapitel

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Schon in aller Frühe stand ich auf und verließ leise das Quartier, um die anderen nicht zu wecken, die noch selig weiter schlummerten.
Draußen empfing mich die kühle Morgenluft und es roch ein wenig nach Tau. Gähnend streckte ich mich einmal und erzitterte kurz, als ein eisige Windhauch mich streifte. Jeder Muskel in meinem Körper schmerzte, doch ich biss die Zähne zusammen. Ich tat das Ganze hier ja schließlich nicht umsonst.
Trotzdem startete ich äußerst unmotiviert meinen Lauf und rannte um den schwach beleuchteten Trainingsplatz im Stützpunkt, der in diesen frühen Morgenstunden wie ausgestorben war.
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, als ich endlich alle Runden hinter mir hatte und mich schnaufend auf den Boden fallen ließ. Mit einem leichten Lächeln konnte ich beobachten wie die Sonne langsam aufging und den Himmel in ein helles Rot gemischt mit Orange und Gelb verwandelte, während sich mein Atem wieder beruhigte und ich tief die frische Luft einsog. Nachdem ich mir kurz diesen Moment der Ruhe gegönnt hatte, überkam mich ein starkes Hungergefühl und ich rappelte mich vom feuchten Boden auf, um mir mein wohlverdientes Frühstück zu holen. Wo ich gestern noch keinerlei Appetit verspürt hatte, könnte ich jetzt ein ganzes Wildschwein verdrücken. Alleine, wohl gemerkt.
Mit einem randvollen Teller beladen, suchte ich mir einen kleinen Tisch etwas Abseits und ließ mich erschöpft auf einen der alten Holzstühle sinken. Während ich mein Essen herunterschlang, gesellten sich Lex und Stana zu mir und schenkten mir einen fragenden und zeitgleich belustigten Blick.
,,Wow, wie siehst du denn aus? Hast du trainiert? Und das auch noch vor dem Frühstück?'' Stana musterte mich neugierig.
,,Und wo warst du eigentlich gestern? Wir haben dich gar nicht mehr gesehen. Beim Essen warst du auch nicht.'', ergänzte Lex fragend und verengte seine Augen misstrauisch.
Unbehaglich rutschte ich etwas auf dem Stuhl herum und vermied es ihnen in die Augen zu schauen. ,,Ich habe festgestellt, dass meine Ausdauer viel zu schlecht ist und trainiere diese jetzt.''  Das war nichtmal gelogen.
,,Aha.'', machte Lex . ,,Und wieso jetzt?''
,,Wieso nicht jetzt?'', fuhr ich ihn ein bisschen zu harsch an und schaute ihn gleich danach entschuldigend an. ,,Sorry. Ich bin ein wenig müde und mir tut alles weh.''
Lex runzelte kurz die Stirn, winkte dann aber nur ab. ,,Ist schon gut. Geht mich ja eigentlich auch nichts an.''
Den Rest des Frühstücks schwiegen wir und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Direkt nach dem Essen machte ich mich auf den Weg zur Lichtung und erreichte diese schließlich auch nach einigem herumirren. Xander erwartete mich bereits und ich ging mit zögerlichen Schritten zu ihm.
,,Ab jetzt beeilst du dich mehr.'' Streng sah er mich an. ,,Immerhin hast du wie ich sehe dein Ausdauertraining vor Sonnenaufgang ernstgenommen.''
,,Ich nehme alles hier ernst!'', verteidigte und empörte ich mich zugleich und ließ meine Augen Funken sprühen.
,,Dann streng dich an.'' Xander klatschte in die Hände. ,,Und jetzt beginnen wir mit dem Nahkampf ohne Waffen.''
Er stellte sich gegenüber von mir auf. ,,Zuerst machen wir einen kleinen Übungskampf, damit ich sehen kann woran wir überall arbeiten müssen.'' Er nickte mir zu. ,,Greif mich an.''
Ich schaute ihn zweifelnd an. Das konnte er doch nicht ernst meinen, schließlich wusste jeder wie gut Roywen's Rechte Hand im Kampf war. Nämlich so gut wie unbesiegbar. Da hatte ich doch gar keine Chance.
,,Mach schon. Greif mich an.'', wiederholte er gelassen. Seine Körperhaltung war komplett entspannt.
Für einen Moment war ich noch unsicher, bis ich schließlich mit den Schultern zuckte und in Angriffsposition ging.
Dann machte ich einen schnellen Schritt nach vorne, gleichzeitig holte ich mit der Faust aus und zielte auf seinen Kopf, doch schneller als ich blinzeln konnte hatte Xander meinen Schlag mit nur einer Hand geblockt, meinen Arm verdreht und mich zu Boden gehen lassen. Irritiert blinzelte ich, als ich auf einmal vor ihm im Dreck kniete, während er hinter mir stand und meinen Arm verdreht hielt. Mir entwich ein schmerzhaftes Stöhnen und Xander ließ meinen Arm los. ,,Nochmal.''
,,Was?'' Mit einer Mischung aus Wut, Scham und Fassungslosigkeit sah ich zu ihm hoch, während ich mir den schmerzenden Arm rieb. Der Muskelkater war vergessen.
,,Ich sagte, nochmal.''
,,Das habe ich verstanden.'', zischte ich. ,,Ich will wissen, warum ich mich von dir verprügeln lassen sollte.''
Xander sah mit undurchschaubarer Miene auf mich herab. ,,Du sollst dich nicht von mir verprügeln lassen, sondern mich angreifen.'' Er trat einen Schritt zurück und nahm wieder die gleiche lässige Pose wie vorhin ein.
Zähneknirschend rappelte ich mich wieder auf und ging leicht in die Knie, bevor ich erneut einen Satz nach vorne machte, nur das ich dieses Mal nicht nur einen Faustschlag gegen sein Gesicht ausführte, sondern auch einen Fußtritt gegen seinen Brustkorb mit hinzunahm. Doch auch dieses Mal kam ich nicht auch nur in die Nähe meiner Ziele, da Xander mit Leichtigkeit auswich und plötzlich hinter mir stand. Bevor ich reagieren konnte, kickte er mir auch schon die Beine weg und ich schlug hart auf den Boden auf. Stöhnend blieb ich einfach liegen.
,,Steh auf. Erste Regel: Nie aufgeben. Sonst hast du gleich verloren.'' Unbarmherzigkeit lang in seinem Blick, als er mich auffordernd ansah. Mit einem Seufzen erhob ich mich schwerfällig und mit schmerzverzerrtem Gesicht.
,,Also gut. Wie ich bereits sagte, hast du absolut keine Technik, geschweige denn kennst du irgendwelche Tricks. Außerdem bist du für einen richtig ausgebildeten Soldaten langsamer als eine einbeinige Ente ohne Flügel und deine Reaktionszeit ist gelinde gesagt grottenschlecht. Mal ganz abgesehen davon, dass keinerlei Eleganz und Leichtigkeit in deinen Bewegungen liegt. Da haben wir echt noch viel Arbeit vor uns.'' Ein genervter Ausdruck lag in seinen Augen. ,,Wir beginnen mit dem richtigen Stand. Der ist entscheidend, damit du dein Gleichgewicht nicht verlierst und deinem Gegner damit einen entschiedenen Vorteil verschaffst oder sogar gleich direkt ins Messer fällst.''
Xander stellte sich neben mich und zeigte mir den richtigen Stand, den ich auch gleich versuchte zu kopieren.
,,Geh nicht so tief in die Knie.....Nein jetzt bist du zu hoch, geh ein wenig weiter runter.'' Immer wieder korrigierte er meine Haltung, bis er zufrieden war.
,,So. Jetzt machst du ganz normal ein paar Schritte und gehst immer dann wenn ich ‚Jetzt' sage, in die Ausgangsposition. Verstanden?''
Ich nickte und tat wie mir geheißen. Nach einigen kleinen Fehlern, klappte es und ich spürte wie ich die Position immer mehr verinnerlichte, bis ich mir sicher war, sie auch noch zu können, wenn Xander mitten in der Nacht bei mir auftauchen würde. Etwas, dass ich ihm sehr wohl zutrauen würde.
,,Gut, das reicht. Komm her, ich zeige dir ein paar Techniken. Wie man richtig schlägt, weißt du ja bereits." Xander gab mir mit einer Handbewegung zu verstehen mich ihm gegenüber zu stellen und führte dann einen komplizierten Griff aus, den er zu meinem Leidwesen direkt an mir demonstrierte. Mit verrenkten Körperteilen sah ich aggressiv vom Boden zu ihm auf. ,,Ist das wirklich nötig?''
,,Ja. Und jetzt nochmal langsam.'' Erneut vollführte er das Manöver, doch erklärte mir diesmal langsam dabei die einzelnen Schritte und verzichtete glücklicherweise darauf mich wieder auf den Erdboden zu befördern.
Nachdem ich mir die Bewegungen gut eingeprägt hatte, lag es an mir die Angriffsmethode anzuwenden und ich sprang nach vorne, wobei ich auf seinen Arm zielte, ihn verdrehte, gleichzeitig in seine Kniekehlen trat und ihn über meine Schulter warf. Oder versuchte es zumindest. Denn der letzte Part stellte sich als schwieriger heraus als gedacht. Ich hatte Xander's Gewicht nicht mit einberechnet und schaffte es nichtmal annähernd seine Füße auch nur einen Zentimeter von der Erde zu lösen. Deprimiert trat ich einen Schritt zurück und sah zu Xander, der mich schief anlächelte, was aber trotzdem den fiesen Glanz in seinen leeren Augen nicht verdecken konnte. ,,Ich schätze, das bedeutet mehr Steine schleppen. Du brauchst eindeutig mehr Muskeln.''
,,Aber Adelstöchter dürfen doch gar keine Muskeln haben.'', erinnerte ich ihn selbstzufrieden, doch Xander schien auf alles eine passende Antwort zu haben, was Diskussionen und Wortgefechte mit ihm so gut wie unmöglich machte. ,,Du sollst ja auch keine ausgeprägten Muskel bekommen, sondern nur genug, um ordentliche Kampftechniken anwenden zu können.''
Ich stöhnte genervt über den misslungenen Versuch mich vor dieser anstrengenden und in meinen Augen völlig sinnlosen Aufgabe zu drücken.
,,Dann wirst du jetzt vor Trainingsbeginn und am Ende einmal Steine schleppen. Und jetzt konzentrieren wir uns erstmal auf Techniken, die effektiv und schnell sind, aber kaum Kraftaufwand benötigen. Bei dir werden wir auf Schnelligkeit, Geschick und Ausdauer setzten.''

Lyana- The Story of a QueenМесто, где живут истории. Откройте их для себя