26. Kapitel

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Zusammen machten Xander und ich uns auf den Weg zum Ballsaal. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Nachdenklich drehte ich unbewusst den Verlobungsring an meinem Finger hin und her. Ich wusste nicht, wie ich Leyon gegenüber treten sollte. Sollte ich ihm in die Arme fallen, sauer sein? Oder doch einfach so tun als wäre die letzte halbe Stunde nicht geschehen?
Und wie würde seine Reaktion ausfallen? War er immer noch wütend, verletzt? Tat es ihm leid, verspürte er Reue? Oder würde er auch einfach so tun als wäre nichts passiert?
Ich konnte es nicht sagen. Und es machte mir Angst so unvorbereitet zu sein.
,,Da vorne ist der Ballsaal.'' Xander wies um die nächste Ecke. Ich musterte ihn von der Seite. ,,Du kennst dich hier echt gut aus. Fast ein bisschen zu gut, findest du nicht?''
,,Ich hatte einige Aufträge hier im Palast.'' Er klang ausweichend. Kam es mir nur so vor, oder verbarg er etwas? Was wusste ich eigentlich über Xander und sein Leben? So gut wie nichts. Der Gedanke war erschreckend.
Ich beließ es dabei. Bei Xander würde ich eh nur auf Granit schlagen.
Die Wachen vor der der mächtigen Flügeltür verbeugten sich tief bei unserem Anblick und kamen erst wieder hoch, als wir ihnen den Rücken zukehrten. Gemeinsam mit Leyon hier aufzutauchen hatte sich spätestens jetzt erledigt. Es wunderte mich, das er nicht nach mir hatte suchen lassen.
Suchend wanderte mein Blick über den versammelten Adel, doch ich konnte ihn nirgendwo entdecken. Vielleicht war er immer noch im Wintergarten.
,,Sag mal, Xander, müssten sich die Leute hier nicht über deine Anwesenheit wundern? Schließlich bist du ihnen doch ein unbekanntes Gesicht. Das Risiko ist-‚'' Stirnrunzelnd sah ich mich um. ,,Xander?'' Er war weg. War einfach abgehauen und hatte mich stehen lassen. Ich stieß ein kleines Schnauben aus. Na vielen Dank auch.
,,Solch ein Geräusch ziemt sich aber nicht für eine Lady.''
Ich fuhr herum. Der Sprecher war ein Mann, dessen Kleidung und Körperhaltung keinen Zweifel an seiner adeligen Herkunft schließen ließen. Großgewachsen, stechend eisblaue Augen und grau meliertes Haar, das früher einmal schwarz gewesen sein musste. Er kam mir merkwürdigerweise bekannt vor.
Als seine Augen meine trafen, entfuhr ihm ein überraschtes Aufkeuchen. Unglaube und Schmerz, aber auch eine starke Sehnsucht traten auf einmal in seinen Blick und ließen das kalte Blau schmelzen. Der Ausdruck in seinem Gesicht war verletzlich, als er leise einen Namen vor sich hin murmelte. ,,..adell''
,,Wie bitte?'', fragte ich höflich nach, da ich weder den Namen richtig verstanden hatte, noch ihn zuordnen konnte. Mein Name war es jedenfalls schon mal nicht.
Der Mann starrte mich ein paar Sekunden einfach nur an, studierte meine Gesichtszüge. Ein wehmütiges Lächeln lag auf seinen Lippen, bevor er leicht den Kopf schüttelte und seine eingebrochene Haltung wieder richtete.
,,Verzeihung, Mylady. Ihr habt mich nur....Ihr seht jemandem sehr ähnlich.''
Ich zog eine Augenbraue hoch. ,,Nun, dann hoffe ich, dass diese Person keine schlechten Erinnerungen in Ihnen weckt, Sir.''
Er lächelte nur, auch wenn es nicht mehr so echt wie anfangs wirkte. Und war das Reue in seinem Blick?
,,Ihr seit die Verlobte unseres Prinzen, nicht wahr? Lady Lyana Dorados.'' Er betonte dabei meinen Namen so komisch. Ich kräuselte meine Oberlippe ein wenig. ,,Ganz recht. Nur leider habe ich im Gegensatz zu Ihnen nicht den leisesten Hauch einer Ahnung mit wem ich hier das Vergnügen habe.''
,,Fürst Lundos. Detlev von Lundos.'', stellte er sich galant vor und deutete eine Verbeugung an.
Ich nickte nur, was anderes viel mir nicht ein. Irgendetwas an diesem Edelmann kam mir vertraut vor und auch sein Name weckte eine alte, längst vergessene Erinnerung in mir. Etwas entscheidendes, von großer Bedeutung. Doch ich konnte sie nicht greifen. Die Erinnerung verschwand genauso schnell wieder in den unendlichen tiefen meines Bewusstseins, wie sie aufgetaucht war.
,,Sind Sie alleine hier?'', erkundigte ich mich mäßig interessiert. Einerseits hatte ich keine Lust auf eine Unterhaltung, aber andererseits wollte ich herausfinden, was es mit diesem Mann auf sich hatte.
,,Nein, mein Sohn begleitet mich.'' Ein schwer deutbarer Funke glomm in seinem Blick auf. Wäre es nicht so merkwürdig, hätte ich vielleicht auf Hoffnung getippt.
Ich wollte gerade ein gelangweiltes Aha von mir geben, als seine nächsten Worte mir förmlich den Boden unter den Füßen wegrissen. ,,Vielleicht habt Ihr schon seine Bekanntschaft gemacht, sein Name ist Xander Lundos.''
Mit aufgerissenen Augen starrte ich ihn einfach nur sprachlos an. Das konnte nicht sein, oder? Xander, ausgerechnet der Xander, sollte ein Adeliger sein? Der eiskalte Rebell ein Hochwohlgeborener? Da musste ein Missverständnis vorliegen. Es konnte nicht anders sein.
,,Xander?'', hakte ich nach und konnte das leise Zittern in meiner Stimme nicht verbergen. ,,Eisblaue Augen? Blonde Haare? Lange Narbe im Gesicht?''
,,Ihr seit euch also schon begegnet, wie schön.'' Fürst Lundos lächelte schmal.
Ich zwang mich dazu meine Mundwinkel ebenfalls zu heben. ,,Ja, wie schön...'' Meine Gedanken spielten verrückt. Xander stammte aus dem Adel! Er hatte mir- uns- die ganze Zeit etwas vorgemacht! Er war einer dieser.... Nein, stopp. Das ergab keinen Sinn. Xander war nicht wie die anderen Adeligen, er war einer von uns. Aber...warum verschwieg er so etwas wichtiges? Wussten die anderen Rebellen Bescheid? Warum hatte er sich den Rebellen angeschlossen? Wer war er wirklich?
Immerhin hatte ich jetzt die Antworten darauf, warum der Fürst mir so bekannt vorkam, wieso er sich so gut im Palast auskannte, das Outfit eines Adeligen trug und hier ein und ausgehen konnte.
Auch wenn ich damit nun wirklich nie im Leben gerechnet hätte.
Mein Arm schoss zur Seite und der Diener, der sich gerade ein Tablett mit Getränken balancierend an uns vorbei drängen wollte, hielt erschrocken an. Es gelang ihm gerade noch das Überschwappen einiger Flüssigkeiten aus den Gläsern zu verhindern, erleichtert atmete er auf. Ich schnappte mir eines der Champagnergläser und stürzte den teuren Wein gierig herunter. Die bernsteinfarbene Flüssigkeit verursachte ein angenehmes Prickeln in meinem Hals, während sie meine Kehle herabrann. Das brauchte ich jetzt.
Ich ignorierte die entsetzten und geschockten Blicke der umstehenden Gesellschaft samt Diener und besagter Fürst, griff mir ein weiteres Glas, nickte kurz in die Runde und tauchte in der bunten Menge unter. Das leichte Schwindelgefühl vom teuren Wein, das mich nun überkam, beachtete ich nicht. Dieses Gespräch mit der Erkenntnis hatte mich so sehr aus der Bahn geworfen, da konnte mir niemand einen Vorwurf machen, wenn ich zum ersten Mal in meinem Leben überstürzt zum Alkohol griff.
Meine Augen suchten den Saal nach dem bestimmten blauen Augenpaar ab, das an zugefrorene Seen erinnerte. Wo ist Xander nur? Nach einiger Zeit sah auch ich ein, dass es hoffnungslos war bei einem so großen Ball nach einer einzelnen Person zu suchen, die lautloser als ein Schatten verschwinden konnte.
Also widmete ich mich meinem neuen Ziel: Dem König.
Ich nahm eine, wie ich stark hoffte, königliche Haltung ein und bemühte mich ein Spiegelbild der Königin und allen anderen adeligen Frauen hier zu sein. Zielstrebig steuerte ich direkt auf König Lysander zu, der mich jetzt endlich zu bemerken schien. Ich setzte schnell ein höfliches, aber noch distanziertes Lächeln auf und senkte für einen Herzschlag den Blick. Im Laufen passte ich den persönlichen Diener der königlichen Familie ab, der in einer Reihe mit der persönlichen Leibgarde des Königs stand. Das war also einer der Sicherheitsmaßnahmen des Königs, um eine Vergiftung zu vermeiden. Ließ niemand anderen an seine Getränke ran.
Tja, das wird ihm nur leider nichts bringen.
Unauffällig strich ich über eine lange Strähne meines Haares, die mir ins Gesicht fiel und hantierte im selben Zug an dem Anhänger meiner Kette rum.
Ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, während ich mein leeres Glas auf seinem Tablett abstellte.
,,Ist das derselbe Wein?'', erkundigte ich mich, hielt seinen Blick mit meinen vergrößerten Pupillen fest und lehnte mich etwas vor, wobei meine Haare die offene Piole an meinem Hals aus der eine dünne Spur grünes Gift floss, zu beiden Seiten verdeckten. Der junge Mann starrte mich überrumpelt an und nickte hastig. Ich nahm wieder eine gerade Haltung ein und erwiderte unter den scharfen Augen der Wachen das Nicken. ,,Gut.'' Bei einem erneuten durch die Haare streifen, ließ ich den nun leeren Anhänger wieder in meinem Ausschnitt verschwinden.
Mit zwei neuen Gläsern bewaffnet setzte ich meinen Weg fort und erklomm die drei Stufen zur Empore des Königs. Vor seinem Thron vollzog ich einen anmutigen Knicks, bei dem es mir diesmal sogar gelang die spöttische Note zu unterdrücken.
,,Mein König, mir ist das meinerseits für äußerst bedauernswert empfundene Versäumnis aufgefallen, gemeinsam auf meine Verlobung mit Eurem Sohn einen Plausch zu trinken.'' Ich hielt die beiden Gläser hoch. ,,Lasst uns doch zusammen anstoßen!''
Nach ein paar Sekunden, in denen er mich hatte erbarmungslos zappeln lassen, bedeutete König Lysander mir endlich näher zu treten.
Ich hielt ihm das linke Glas hin, er blickte mir einen Moment in die Augen und nahm es dann entgegen. Mein Lächeln wurde breiter. Ich hob mein Glas hoch, der König tat es mir nicht ganz so elanvoll nach. Die bernsteinfarbene Flüssigkeit drehte sich und schwappte leicht gegen das Glas. Im Licht funkelte der Farbton intensiv auf.
,,Auf die Verlobung und ein neues zukünftiges Königspaar!'' Langsam setzte ich es an meine Lippen und beobachtete über den Rand hinweg wie König Lysander ein paar Schlücke trank. ,,Und auf Eure Gesundheit, mein König...'', fügte ich in Gedanken böswillig hinzu.
Das harte Gesicht des Königs verzerrte sich plötzlich und seine blasse Haut glänzte vor Schweiß. Seine Hände fingen so sehr an zu zittern, dass er das Weinglas nicht mehr halten konnte. Mit einem lauten Klirren zersprang das Glas auf dem Parkettboden. Ein dünnes Rinnsal der vergifteten Flüssigkeit ergoss sich über die Scherben und verfärbte die Splitter.
Jemand schrie gellend laut auf. Meine Augen suchten jedoch nicht den Ursprung, sondern ließen König Lysander keine Sekunde aus den Augen.
Sein Körper verkrampfte, er fiel gekrümmt zu Boden. Direkt zu Füßen seines Throns. Er öffnete den Mund, doch außer einem erstickten Laut kam nichts raus. Die Augenlider fielen ihm zu und zuckten wild. Erneut öffnete sich sein Mund zu einem Schrei, doch kein einziger Ton verließ mehr seine Lippen. Die Adern traten unter seiner schweißbedeckten Haut hervor. Dann regte sich der zitternde, krampfende Körper nicht mehr. Sein Kopf rollte mit einem leisen dumpfen Aufprall zur Seite, doch das Geräusch tönte im ganzen Saal wieder, der mucksmäuschenstill geworden war. Die Menschen starrten nur mit schreckgeweiteten, geschockten Augen auf die sich abspielende Szene. Und ihren nun toten König.
Ein Funken Genugtuung glomm in mir auf. Er war tot. Der König war endlich tot.
Schrille Schreie und panische Rufe wurden laut, als diese Erkenntnis auch bei den anderen Gästen und Bediensteten durchsickerte. Die Königin starrte einfach nur wie paralysiert auf die Leiche ihres Gatten.
Ich ließ mein eigenes Glas ebenfalls fallen, der Boden wurde von der bräunlichen Flüssigkeit benetzt. Voller gespieltem Entsetzen schlug ich mir die Hand vor den Mund, dämpfte meinen Aufschrei. Meine Augen füllten sich mit Tränen und ich zitterte vor Schreck wie Espenlaub. Eine angemessene Reaktion, wie ich fand.
Die Soldaten begannen Befehle zu brüllen und Ärzte eilten herbei. Die Königin wurde umzingelt von Wachen weggeführt. Die Gäste schrieen durcheinander und eilten auf den Ausgang zu, wobei sie keine Rücksicht aufeinander nahmen. Aus dem Augenwinkel sah ich wie ein Schatten sich von der Wand löste, mir kaum merklich zu nickte und durch eine kleine Seitentür verschwand. Kurz entschlossen täuschte ich ein Würgen vor, um meine Flucht zu rechtfertigen, und stürzte hinter der Person her.
,,Xander, warte!'', brüllte ich ihm hinterher, doch er beschleunigte seine Schritte nur. ,,Xander Lundos, bleib gefälligst stehen!'' Tatsächlich hielt er bei der Erwähnung seines ganzen Namens an. Es stimmte also wirklich.
Um nicht zu stolpern, raffte ich meinen Rock noch etwas mehr und schnaufte erleichtert auf, als ich ihn endlich eingeholt hatte.
,,Du weißt es.'', stellte Xander stumpf fest.
Mit verschränkten Armen stellte ich mich vor ihn. Er würde jetzt nicht abhauen. Ich wollte Antworten. Und die würde ich auch bekommen.
,,Du meinst, dass dein Vater ein Fürst ist und du von adeligem Blut bist? -Ja, das weiß ich.'' Ich bemühte mich emotionslos zu klingen. Xander starrte mich an, suchte in meinen Augen nach bestimmten Gefühlsregungen, er wurde nicht fündig. Mein Blick war verschlossen und er hatte den Schlüssel verloren.
,,Nun, leugnen ist zwecklos, stimmt's?'', gab er sich nach ein paar Sekunden unangenehmer Stille geschlagen. Fest erwiderte ich seinen Blick. ,,Stimmt.''
Der junge Adelige -Rebell; ich wusste nicht mehr, als was ich ihn nun bezeichnen sollte- sah sich im Gang um und stieß dann eine Tür neben uns auf. Er machte eine einladende Handbewegung in den Raum hinein. Ich warf ihm einen abschätzenden Blick zu und trat dann wortlos ein. Ein weiterer Salon, der so ziemlich wie der von vorhin aussah. Dieser Palast war echt viel zu groß.
Abwartend ließ ich mich mit verschränkten Armen in einen weichen roten Ohrensessel sinken und überschlug die Beine. Mit der Hand wies ich auffordernd auf den Sessel mir gegenüber. Xander's Augenbraue wanderte bei dieser unmissverständlichen Anweisung in Form von einer schlichten Geste nach oben, nahm aber ohne ein Wort zu verlieren Platz.
,,Was willst du wissen, Lyana?'' Ihm war anzusehen, dass ihm dieses Gespräch so gar nicht gefiel. Er würde es am liebsten umgehen.
,,Die Wahrheit. Und zwar die ganze.'' Ich war fest entschlossen diesen Salon nicht eher zu verlassen, ehe sich alles geklärt hatte.
Trotz der angespannten Situation, war Xander's Haltung gelassen. Es war bewundernswert wie es ihm gelang immer die Ruhe zu bewahren. Ich konnte das nicht.
,,Gut. Mein voller Name ist, wie du gerade schon herausgefunden hast, Xander Drillian Lundos. Ich bin der einzige Sohn des Fürsten von Lundos und somit sein Erbe.'' Als er stoppte, zog ich meine Brauen zusammen. ,,Und weiter?''
,,Für meine gesamte Lebensgeschichte fehlt uns die Zeit. Stell mir einfach Fragen, und ich werde sie dir ehrlich beantworten.''
,,Hast du Geschwister?'', wollte ich wissen. Es war bestimmt besser erstmal nur solche nicht ganz so schwierige Fragen zu stellen. Das ich damit wohl komplett falsch lag, konnte ich in dem Moment erkennen, in dem Xander's Gesicht sich verfinsterte und das Blau seiner Augen noch gefrorener wurde, als eh schon. Ich wäre nicht überrascht gewesen, würden die Temperaturen in diesem Zimmer auf einmal sinken.
,,Ja.'', presste er nach etlichen Sekunden des Schweigens hervor, in denen ich damit beschäftigt war, den Drang mir über die Arme zu reiben zu unterdrücken. ,,Eine kleine Schwester.''
Neugierde packte mich, doch ich zwang sie mit aller Macht zurück. Seine Schwester war anscheinend ein gefährliches Terrain und ich wollte nicht riskieren, dass er dicht machte, noch bevor ich die entscheidenden Fragen stellen konnte.
Seine Familienprobleme gingen mich nun wirklich nichts an, auch wenn es mich brennend interessierte.
,,Bist du ein Verräter oder ein Spion?'', rutschte es mir unsicher heraus. Aus einem bedachten Vorgehen wurde scheinbar nichts. Bei dieser Frage huschte ein verletzter Ausdruck über sein Gesicht. ,,Denkst du das wirklich von mir?''
Zerknirscht zuckte ich mit den Schultern, wobei ich die Hände hob. ,,Naja, irgendjemanden musst du ja verraten haben. Die Frage ist nur: Die Rebellen oder den Adel?''
Xander schloss für den Bruchteil einer Sekunde die Augen. Seine Loyalität war noch nie angezweifelt worden, doch ich wusste das meine Worte stimmten. Er war ein Verräter. Denn bei zwei so gegensätzlichen Seiten, die auf Kriegsfuß miteinander standen, konnte man nicht auf beiden Seiten mitspielen. Also, für welche Seite war er? Er war als Adeliger geboren, aber schon seit seit sehr vielen Jahren bei den Rebellen. Welcher Teil von ihm überwog?
,,Ich bin ein Rebell.'' Aufrichtig sah er mir in die Augen. ,,Mein Geburtsrecht erhebt mich zwar in den Stand eines Adeligen, doch im Herzen bin ich ein Rebell. Schon als Kind konnte ich mich mit dem Adel und seiner Lebensweise und ständigen Protokollen und Vorschriften nicht anfreunden. Immer, wenn sich mir die Möglichkeit bot,  rannte ich weg und mischte mich unters Volk. Schnell lernte ich wie anders, wie viel schlechter, es ihnen erging. Und niemand tat etwas dagegen. Ich hatte immer schon einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und dieses Unrecht, was in Crowen herrscht, hat mich von Anfang an wütend gemacht. Ich konnte mich im Adel nicht wirklich einfügen, und wollte es auch gar nicht. Ich ließ mich von unseren Soldaten in Kampfkunst unterrichten. Als Vorwand nahm ich, dass ich später unserem Haus Ehre bringen und meine Zukünftige beschützen können wollte. Ich bekam die Erlaubnis und begann früh zu trainieren. Trotzdem schlich ich mich in meiner freien Zeit immer noch raus. Bei einem meiner Streifzüge bin ich dann Roywen begegnet. Er war gerade in einem Kampf mit mehreren Soldaten verwickelt und schien zu verlieren. Es waren einfach zu viele, egal wie gut er kämpfte. Bei einem Auftrag war etwas schief gegangen und er wollte seinem Team Zeit verschaffen. Ich weiß nicht mehr warum, aber ich habe mich mit ins Gefecht gestürzt und seinen Rücken gestärkt.'' In der Erinnerung gefangen, strich er gedankenverloren über die lange Narbe in seinem Gesicht. ,,Bei dem Kampf habe ich mir diese Narbe zu gezogen. Aber ich habe den Schmerz durch den Stolz, der sich in mir breit gemacht hatte, als wir tatsächlich siegreich hervorgingen, kaum gespürt. Danach kam eins zum anderen und Roywen nahm mich mit zu den Rebellen. Ich lernte von ihm meinen Kampfstil zu verbessern und fand Gefallen an den Zielen der Rebellen. Ich wollte zu ihnen gehören, Teil von dieser Gruppe sein. Etwas bewirken. Zur Verbesserung so vieler Leben beitragen.'' Ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mund. ,,So bin ich zum Rebellen geworden. Und bereue es bis heute kein bisschen.''
,,Weiß Roywen über dich Bescheid?'', erkundigte ich mich neugierig.
,,Natürlich. Was glaubst du, warum ich so gut wie jeden Auftrag im Palast bekomme?''
Das ergab Sinn. Ich nickte.
Doch irgendetwas sagte mir, das etwas an seiner Geschichte nicht passte. Das ein entscheidendes Detail fehlte. Ich konnte es nur nicht genau bestimmen...
Ich runzelte die Stirn. ,,Das ist alles?''
,,Was hast du denn erwartet?'' Xander ließ es amüsiert klingen, doch mir entging das kurze Aufflackern in seinen Augen nicht. Er verschwieg mir etwas. Und es musste bedeutend sein. Nur warum? Und was war es?

Lyana- The Story of a QueenWhere stories live. Discover now