30. Kapitel

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Als ich diesmal aufwachte, lag ich alleine im Bett. Von Leyon war keine Spur zu sehen und ich wusste nicht, ob ich darüber erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Der Tag gestern und heute morgen war irgendwie ganz anders gelaufen als geplant, um nicht zu sagen es war eine einzige Katastrophe, ja, ein Desaster, gewesen.
Mein Innerstes war völlig zerrissen. Zwiegespalten zwischen dem dringenden Wunsch mich dem Prinzen einfach anzuvertrauen und dem instinktiven Drang nach Flucht, einfach abzuhauen und all meine Probleme hinter mir zu lassen. Auch wenn ich wusste, dass das unmöglich war.
Ich vergrub verzweifelt mein Gesicht in den nach Leyon duftenden Laken, die immer noch eine leichte Feuchtigkeit aufwiesen. Bei dem Gedanken daran wie ich den zukünftigen König dieses Landes vollgeheult hatte, schoss mir vor lauter Scham die Röte ins Gesicht. Ich hätte mich nie so gehen lassen dürfen. Es fiel mir immer noch schwer zu realisieren, dass ich wirklich nach so vielen Jahren solch einen gewaltigen Einsturz meiner inneren Mauern zu verzeichnen hatte.
Mit einem Seufzen setzte ich mich auf. Ich überlegte, was ich jetzt tun sollte. Sollte ich hierbleiben oder einfach zurück in meine Gemächer gehen? Definitiv die zweite Variante. Und wo war eigentlich Leyon?
Ich lauschte kurz, in der Hoffnung Wasserrauschen oder irgendein anderes Geräusch zu vernehmen, dass mir Aufschluss über den Aufenthalte des Prinzen geben könnte. Doch es war still, bis auf meinen eigenen Atem und dem leisen Rascheln der Bettdecke, als ich aufstand.
Kurz vor der Tür zum Gang hielt ich Inne. Meine Hand lag schon auf dem Türgriff, als ich mich nochmal umdrehte. Sollte ich mich vielleicht einfach mal ein wenig umsehen? Wenn ich schon mal alleine in den Räumlichkeiten des Thronfolgers war, warum sollte ich das nicht nutzen? Vielleicht würde ich ja etwas interessantes finden.
Andererseits würde es bestimmt nicht gerade einen guten, vertrauenserweckenden Eindruck machen, sollte Leyon oder jemand anderes hier reinkommen und mich beim Schnüffeln erwischen.
Unentschlossen schweifte mein Blick durch das große Zimmer und blieb bei den Türen hängen, hinter denen weitere Zimmer verborgen lagen. Den kleinen Salon hatte ich ja schon gesehen, aber der war sicherlich bei weitem nicht der interessanteste Raum hier. Mit Sicherheit hatte der Prinz hier auch ein Arbeitszimmer.
Ich konnte nicht anders, zu groß war meine Neugierde. Hinter der ersten Türe verbarg sich nichts weiter als ein luxuriöses Bad, dann der Salon und über ein Ankleidezimmer neben seinem Schlafgemach verfügte er ebenfalls. Dann musste es die letzte Tür sein. Als ich sie öffnen wollte, tat sich nichts. Ich rüttelte ein wenig am Griff, bis ich begriff, dass abgeschlossen war. Volltreffer. Niemand sperrte irgendeinen unwichtigen Raum ab.
Ich fasste mir ins Haar, um eine dünne Haarnadel hervorzuzaubern. Hektisch machte ich mich am Schloss zu schaffen, schließlich wusste ich nicht, wie viel Zeit mir blieb, bis der Prinz zurückkehren oder eine Bedienstete auftauchen würde.
Als das Schloss endlich mit einem verräterischen Klicklaut aufsprang, schob ich mich schnell ins Zimmer und schloss leise die Tür hinter mir. Auch wenn im Moment keiner da war, wollte ich dennoch nicht durch laute Geräusche auf mich aufmerksam machen.
Neugierig sah ich mich um. Ich hatte Recht, es handelte sich dieses Mal tatsächlich um ein Arbeitszimmer. Die Wände wurden von deckenhohen Regalen eingenommen, die vollgestopft mit Ordnern, Mappen und Unterlagen waren. Vor mir lag ein kleiner Teppich, der den dunklen Raum wohl ein wenig Gemütlichkeit verschaffen sollte. Sonst war das einzige, was man in diesem Raum noch finden konnte ein gewaltiger Arbeitstisch, der aus edelstem Holz angefertigt war und viel Platz einnahm. Auf ihm stapelten sich Papiere, es gab kaum eine freie Stelle. Und ich hatte Leyon immer für ordentlich gehalten, so eine chaotische Unordnung hätte ich ihm gar nicht zugetraut. An der Wand hinter dem Arbeitstisch und dem dazugehörigen Sessel hing eine riesige Landkarte von Crowen, auf der einige Markierungen zu sehen waren. Interessiert trat ich näher, um die vorgenommenen roten Kreise, Kreuze und Striche näher zu studieren. Kleine Post-Its waren neben einigen dieser markierten Stellen angebracht worden. Ich umrundete den Arbeitstisch, sodass ich nun direkt vor der großen Karte stand. Als ich ein paar der gekennzeichneten Orte erkannte, erstarrte ich vor Schreck. Zerada war von einem dicken roten Kreis umrundet. Auf dem kleinen Zettelchen daneben stand ,Mögliches Rebellenlager, Überprüfung ist in Vorbereitung'. Geschockt starrte ich auf den Zettel, dann auf den Kreis. Nein...das konnte nicht sein. Die Stadt war eine in Vergessenheit geratene Ruine, die nur schwer zu erreichen war. Sie konnten nichts von ihr wissen, geschweige denn sie in Betracht für einen Stützpunkt der Rebellen halten. Wobei...doch, es ergab Sinn. Was wäre besser für eine Truppe Rebellen geeignet, um ihr Lager aufzuschlagen, als eine abgelegene Ruinenstadt? Und das hier war das Königshaus. Natürlich besaßen sie auch noch die alten Karten, auf denen Zerada verzeichnet war.
Ich musst die anderen warnen. Noch war es nicht zu spät. Sie mussten die Stadt räumen und sich ein neues Versteck suchen. Ich musste so schnell wie möglich einen Weg finden, Kontakt mit ihnen aufzunehmen.
Von dieser Entdeckung geschockt, sah ich mir panisch auch noch die anderen Markierungen an. Schnell begriff ich, dass die Kreuze für schon kontrollierte mögliche Gebiete standen. Hektisch griff ich nach einem leeren Blatt Papier und einem Stift und begann grob die Karte zu skizzieren, wobei ich jede einzelne Markierung feinsäuberlich übernahm und auch die Post-its mit übertrug. Kritisch verglich ich am Ende die beiden Karten und befand meine Zeichnung als ausreichend. Ich faltete sie zusammen und steckte sie mir in Anbetracht mangelnder Möglichkeiten in den Ausschnitt. Jetzt musste ich die Karte nur noch irgendwie den anderen Rebellen, sprich Roywen, zukommen lassen.
Mein Blick glitt zum Arbeitstisch und den vielen Unterlagen darauf. Ich beugte mich über die ganzen Zettel und überflog ein paar. Rechnungen, Verträge... Ich wühlte mich durch ein paar Papiere und legte sie beiseite. Finanzen, Anliegen des Volkes....Alles ganz normal, schätzte ich. Aber geheime und wichtige Informationen ließ man ja auch nicht einfach so auf dem Schreibtisch liegen. Ich unterbrach mein tun und ging stattdessen in die Hocke. Ich öffnete die erste Schublade. Fehlanzeige. Nichts weiter als Schreibutensilien und Post-its. Die nächsten beiden waren auch nicht von Belang. Also die letzte. Ich zog fest am Griff, doch sie wollte einfach nicht aufgehen. Abgeschlossen. Ein zufriedenes Lächeln trat in mein Gesicht. Ich hatte recht. Abgeschlossene Schubladen in abgesperrten Arbeitszimmern schrien doch förmlich nach schmutzigen Geheimnissen und wertvollen Informationen. Jetzt musste ich nur noch den Schlüssel finden. Ich richtete mich auf und sah mich gründlich im Zimmer um. Wo würde der Prinz wohl einen Schlüssel verstecken? In einer anderen Schublade...wohl eher nicht, nein. Ich stöberte ein wenig durch die Regale, lugte hinter Ecken, holte Ordner heraus und blieb dennoch erfolglos. Langsam am verzweifeln trat ich zurück in die Mitte des Raums und dachte darüber nach, einfach wieder zu gehen. Alleine schon für die Karte hatte es sich gelohnt.
Die weichen Flusen unter meinen bloßen Füßen erinnerten mich daran, dass ich mir vielleicht langsam mal etwas vernünftiges anziehen sollte. Ich lief schließlich immer noch nur im dünnen Nachtkleidchen herum.
Moment mal....die weichen Flusen? Der Teppich! Natürlich. Oder nein...so offensichtlich würde Leyon es doch nicht machen, oder?
Ich trat vom Teppich runter, bückte mich und hob ihn hoffnungsvoll hoch. Wie schon erwartet war darunter gähnende Lehre. Das wäre aber auch zu einfach gewesen. Enttäuscht ließ ich den Teppich los. Gerade als ich mich wieder richtig hinstellen wollte, stutzte ich. Der Teppich verursachte beim Aufprall ein dumpfes Geräusch, doch das war es gar nicht, was mich irritierte. Nein, es war das leise Klimpern, dass für eine winzige Millisekunde zu hören gewesen war. Mit gerunzelter Stirn nahm ich den Teppich nun genauer unter die Lupe. Tatsächlich konnte ich eine lose Naht finden. Neugierig griff ich mit dem Finger rein und bekam einen kleinen, kühlen Gegenstand zu fassen. Fest umschloss ich ihn und holte ihn ich vorsichtig heraus. Ein triumphierendes Funkeln glomm in meinen Augen auf, als ich den winzigen Schlüssel ins Licht hielt.
Mit dem Stück Metall in der Hand kniete ich mich vor die Schublade und steckte den Schlüssel ins Schloss. Klickend drehte er sich und die Schublade sprang auf. Neugierig zog ich sie ganz auf und sah hinein. Weitere Unterlagen und ein kleines Heftchen machten den Inhalt aus. Ich griff nach einem der Blätter und erstarrte als ich die vermutlich streng geheime Liste sah. (Vermeintliche) Mitglieder der Rebellen. Oh Gott. Geschockt überflog ich die Liste mit den Namen.
Rolan Descan, Flynn Wemire, Sellyn Sacandra, Fürst Detlev von Lundos?,... Bei diesem Namen stockte ich. Wieso stand Xander's Vater auf der Liste? War er etwa auch ein Rebell? Naheliegend war es dadurch, dass sein Sohn einer war schon mal, aber von Xander's kleinem Doppelspiel wusste soweit ich das mitbekommen hatte doch kaum jemand.
Der Prinz oder wer ich immer diese Mitgliederliste angefertigt hatte, hatte hinter den Namen des Fürsten ein Fragezeichen gesetzt, also war er sich selbst nicht sicher. Wie aber kam er zu dieser Vermutung? Und warum war Xander dann nicht aufgeführt? Er erschien - zumindest mir- viel verdächtiger. Die Narbe, seine kalte, berechnende Art, sein ständiges Verschwinden und plötzliches Auftauchen.... Aber Fürst Lundos? Er kam mir nicht sonderlich verräterisch oder auffallend vor.
Aber das war gerade auch nicht von sonderlich großer Bedeutung. Viel wichtiger war es diese Liste mit der Karte an die Rebellen zu übermitteln. Ich war mir sicher, dass sich die meisten von den hier aufgelisteten Namen noch in völliger Sicherheit wiegten und, wenn ich nicht handelte,  schon bald ein böses Erwachen haben werden.
Kurz entschlossen und nicht über mögliche Konsequenzen nachdenkend faltete ich die Liste ebenfalls zusammen und stopfte sie zu der Karte in meinen Ausschnitt. Hoffentlich fiel das niemandem auf.
Ich wollte gerade weiter den gefährlichen Inhalt der Schublade unter die Lupe nehmen, da ließen mich dumpfe Schritte aufhorchen. Erschrocken fuhr ich zusammen und sah panisch zur Tür. Verdammt. Ich sprang auf, versuchte die Schublade so leise wie möglich zu schließen und sah mich hektisch nach einem geeigneten Versteck um. Doch hier gab es absolut nichts. Schließlich kauerte ich mich in Anbetracht mangelnder Möglichkeiten hinter dem Schreibtisch zusammen und bemühte mich meinen schnellen Atem unter Kontrolle zu kriegen und keine Geräusche zu verursachen. Keine Sekunde zu spät, denn die Schritte stoppten vor der Tür und ich konnte hören wie die Klinge langsam runtergedrückt wurde. Wie als wüsste die Person, dass jemand hier drinnen war und sie nicht mehr aufschließen musste.
Dann ging die Tür auf und ich lugte vorsichtig um die Ecke. Natürlich war es der Prinz, wer auch sonst. Sein Blick wanderte suchend durch den Raum und blieb bei seinem Schreibtisch hängen. Schnell zog ich den Kopf zurück und schloss für eine Sekunde innerlich fluchend die Augen, während sich die Schritte mir nun zielstrebig nährten. Genau in dem Moment, als Leyon den Tisch umrundete schlüpfte ich leise auf die andere Seite und drückte mich so dicht wie möglich mit dem Rücken an die Schreibtischwand. Die Beine zog ich so eng wie nur irgendwie möglich an meinen Körper heran und kauerte mich zusammen.
Der Prinz blieb genau vor der Stelle stehen an der ich bis vor wenigen Sekunden noch gehockt hatte. Ich konnte deutlich seine Atemzüge vernehmen. Das Adrenalin pumpte durch meine Adern, ich biss mir fest auf die Lippe, um ein Geräusch zu verhindern. Er durfte mich nicht sehen, er durfte es einfach nicht!
Über mir ertönte Papiergeraschel, als Leyon ein paar Unterlagen auf dem Schreibtisch bewegte. Sonst war es beängstigend still. Ich hielt den Atem an, als auch dieses Geräusch verstummte. Ich traute mich nicht mich zu bewegen und zu schauen, was er gerade machte, also blieb mir nur zu raten übrig. Ein Geräusch wie wenn eine Schublade aufgezogen wurde erklang und ich erstarrte noch mehr. Meine Augen weiteten sich im Schock. Ich hatte die Schublade nicht mehr abgeschlossen und der Schlüssel lag auch noch immer sichtbar für alle auf dem Tisch! Jetzt wusste Leyon mit Sicherheit, dass hier jemand drinnen rumgeschnüffelt hatte. Und ich war die einzige gewesen, die sich in seinen Privatgemächern befand, zumindest in dem Zeitraum in dem er weg gewesen war. Erneut ertönte Papiergeraschel und ich war mir sicher, dass er gerade nach fehlenden Unterlagen und Dingen suchte. Fest presste ich die Lippen aufeinander und die Augen zusammen. Damit war ich wohl aufgeflogen. Der Prinz musste nur noch eins und eins zusammenzählen und schon würde er wissen, dass ich nicht die war, die ich vorgab zu sein. Er würde innerhalb weniger Sekunden draufkommen, dass ich ebenfalls eine Rebellin war. Warum sonst hätte ich auch ausgerechnet eine Liste von enttarnten Rebellen mitgehen lassen sollen? Die Zusammenhänge waren echt nicht sonderlich knifflig. Und wenn er erstmal das wusste, dann würde er auch die letzten Tage, Wochen und Vorkommnisse mit ganz anderen Augen wahrnehmen. Verdammt, verdammt, verdammt!
Wieso hatte ich meine Neugierde nicht auch zügeln können?
Für Selbstvorwürfe war es jetzt zu spät. Für mich war es vielleicht vorbei, aber einigen anderen Rebellen konnte ich noch das Leben retten. Ich musste jetzt einfach so schnell wie möglich die beiden Papiere weiterreichen. Da ich nicht wirklich wusste, wer hier im Palast zu uns gehörte, würde ich einfach das Kindermädchen von Prinzessin Kleà aufsuchen. Dass sie dazu gehörte, wusste ich schließlich mit Sicherheit.
Ein Klicken verriet mir, dass Leyon die Schublade wieder geschlossen hatte. Es gab einen dumpfen Aufschlag, als der Prinz sich mit beiden Händen auf den Tisch abstützte und den Kopf kurz mit geschlossenen Augen hängen ließ. Er stieß ein leises Seufzen aus. ,,Ich weiß, dass du hier bist, Lyana.''
Erschrocken riss ich die Augen auf, doch gab immer noch keinen Mucks von mir. Stattdessen hielt ich den Atem an. Vielleicht war es eine Falle, die der Prinz mir stellen wollte, denn so genau konnte er das gar nicht wissen. Gesehen hatte er mich nämlich schon mal bestimmt nicht. Ich könnte mich auch in einem seiner anderen Zimmer aufhalten oder zurück in meine eigenen Gemächer gekehrt sein.
,,Lyana, mach die Sache doch nicht noch komplizierter als sie eh schon ist. Es ist besser, wenn du jetzt raus kommst...., wo auch immer du hier ein Versteck gefunden hast.'' Wo Leyon zu Beginn noch ernst geklungen hat, mischte sich am Ende Unglaube hinzu. Ich konnte es verstehen, der Raum war eigentlich wirklich blank.
Trotzdem konnte ich mich jetzt nicht ausliefern, nicht solange ich die anderen Rebellen noch nicht gewarnt hatte. Ich wog kurz meine Möglichkeiten ab, wobei keine mir sonderlich gut gefiel oder einen positiven Ausgang hatte.
,,Komm schon, Lyana, das ist doch lächerlich.'', versuchte der Prinz mich wieder zum Rauskommen zu bewegen.
Und ich fasste einen Entschluss. Blitzschnell sprang ich auf und rannte ohne mich umzusehen zur Tür, riss sie auf und rannte zur nächsten, ohne auf Leyon's Rufe zu achten. Ich konnte hören wie er nach einem kurzen Schockmoment die Verfolgung aufnahm, was das Adrenalin nur noch schneller durch meine Adern pumpen ließ. Ich riss die nächste Tür schwungvoll auf und sprintete an den überrumpelten Wachen vorbei durch den Gang und um die nächste Ecke. In diesem Moment war ich froh noch barfuß zu sein, denn mit hochhackigen Schuhen hätte ich sicherlich einiges an Tempo eingebüßt und wäre nie so schnell gewesen. Ohne mich umzusehen hastete ich durch das Labyrinth an Korridoren, auf der Suche nach dem Dienstbotenflügel um Magdaleyn zu finden, die Zofe und Kindermädchen der Prinzessin. Als ich keine Schritte mehr hinter mir vernehmen konnte und mir sicher war sie abgehängt zu haben, mäßigte ich mein Tempo etwas, um keine weitere Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Und die Verlobte des zukünftigen Königs barfuß und nur im Nachtkleidchen durch den Palast rennend zu sehen, wäre nicht nur laut Protokoll völlig unangemessen, sondern auch noch ausgesprochen auffällig. Nicht das mein Aufzug nicht schon genug neugierige und verwirrte Blicke auf sich zog. In einem noch angemessenen, aber dennoch zügigen Schritttempo lief ich weiter. Der Dienstbotenflügel war wohl der schlichteste Teil des Palastes. Es gab keine Verzierungen, kostbare Teppiche oder Gemälde in den Gängen. Sie waren einfach schlicht weiß. Überall huschten Bedienstete rum, die mich alle entweder mit verstohlenen Blicken von der Seite im Vorbeieilen betrachteten oder mich ganz offen anstarrten, während sie in ihren Bewegungen einfroren. Die Emotionen in den Gesichtern gingen von maßlosen Schock, über Angst, Panik und Verwirrung. Fast wäre ich stehen geblieben und zu ihr geeilt, als eine junge Magd vor Schreck in Ohnmacht fiel, doch leider fehlte mir dafür die Zeit. Ich musste Magdaleyn finden. Hoffentlich hielt sie sich zur Zeit hier auf und war nicht bei Kleà, sonst hatte ich ein ziemliches Problem. Da ich nicht wusste wie sie überhaupt aussah, blieb mir nichts anderes übrig, als zu rufen. ,,Magdaleyn?''
Mein Blick fiel auf die Angestellten um mich herum. ,,Na los, sucht die Zofe Magdaleyn und bringt sie zu mir!'' Es fiel mir nicht leicht, ihnen so grob einen Befehl erteilen zu müssen. Vor allem als ich sah wie sie bei meiner Stimme und Worten zusammenzuckten. Doch mir lief die Zeit davon.
Wie aufgescheuchte Hühner eilten sie los und fingen an Magdaleyn's Namen zu schreien. Ich schob mich währenddessen in eine eher im Dunklen liegenderen Ecke und wartete. So würden wir zumindest nicht gleich gesehen werden. Wenige Sekunden später kam eine ältere Frau völlig außer Atem bei mir an und schnaufte erstmal. ,,Ich bin Magdaleyn, Mylady.''
Ich sah mich um, wo sich langsam neugierige Dienstmädchen um uns versammelten. ,,Verschwindet.'' Ich ließ meine Stimme so kalt wie möglich klingen. Das fiel mir nicht mal schwer, ich hatte mir diesen Ton schon in frühen Jahren angeeignet. Auf der Straße herrschten nämlich nur genau solche Umgangsformen.
Mit gesenkten Köpfen stoben sie wieder auseinander und innerhalb weniger Sekunden standen wir alleine im Flur.
Magdaleyn musterte mich abschätzend. Doch auch dafür hatte ich jetzt keine Zeit. Ohne Umschweife fasste ich mir in den Ausschnitt und zog die beiden zusammengefalteten Zettel zwischen meinen Brüsten hervor. Die ältere Zofe hatte mein Tun mit Verwirrung beobachtet, doch als ich ihr die Papiere hinhielt, sah sie mich nun leicht angewidert an.
,,Ich weiß ja nicht, was das soll-‚'', fing sie abwehrend an, doch ich unterbrach sie harsch. ,,Nimm sie und reiche sie so schnell es geht an Roywen oder einen anderen hochrangigen Rebellen weiter!'' Hektisch sah ich mich um, als sich leise Geräusche nährten. Ich drückte sie der nun neben der Verwirrung auch noch neugierig guckenden Frau in die Hand. ,,Die Zettel beinhalten aufgeflogene Rebellen und Verstecke!", zische ich ihr leise zu und endlich nickte sie verstehend. Hastig verstaute sie die Papiere genau wie ich vorher in ihrem Ausschnitt. Bevor Magdaleyn jedoch noch etwas sagen konnte, lief ich an ihr vorbei und bog in irgendeinen anderen Korridor ein. Man durfte uns nicht miteinander in Verbindung bringen. Jetzt konnte ich nur hoffen, dass Magdaleyn wirklich schnell handelte und die anderen Rebellen davon erfuhren, bevor es zu spät war.

Lyana- The Story of a QueenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt