18. Kapitel

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Als ich die Ergebnisse der Untersuchung vor mir liegen hatte, zog sich mein Magen zusammen. Ich war so aufgeregt, ängstlich und gespannt gleichermaßen, dass es beinahe weh tat. Mit zittrigen Händen griff ich nach dem Zettel, den die Ärztin mir mit einem freundlichen Lächeln entgegen streckte.
Das Testergebnis entschied über mein weiteres Schicksal, dessen war ich mir nur zu gut bewusst.
Nervös richtete ich mich etwas auf und warf noch einen letzten Blick zu der älteren Frau, die die Untersuchung durchgeführt hatte, bevor ich den Blick auf das bedruckte Blattpapier in meinen Händen senkte.
Positiv. Der Test war positiv ausgefallen! Erleichterung überschwemmte mich als ich begriff, dass ich schwanger werden konnte. Das ich trotz der schlechten, gesundheitsschädlichen Lebensverhältnissen, in denen ich aufgewachsen war, nicht zu den betroffenen Frauen gehörte.
Die Ärztin beobachtete meine Reaktion mit einem milden Lächeln. ,,Freut mich, dass Ihrer Zukunft mit dem Prinzen nun nichts mehr im Wege steht. Sie müssen wirklich erleichtert sein, wobei die Chance bei ungesegneten Frauen aus dem Adel sehr gering ist. Sie hätten sich also keine allzu großen Sorgen machen müssen.''
Ich war aber keine Adelige, hätte ich ihr am liebsten entgegen geschrien, beschränkte mich aber stattdessen auf ein zurückhaltendes Lächeln.
Plötzlich wurde die Tür geöffnet und der Prinz höchstpersönlich betrat das altmodisch eingerichtete Arztzimmer. Sein Blick fiel zuerst auf mich und dann auf die Ärztin, die eilig von ihrem Drehstuhl aufsprang und knickste.
,,Ich verlange auf der Stelle das Testergebnis zu erfahren!" Ohne Begrüßungsformeln oder derartigem, platzte er gleich mit der Tür ins Haus und offenbarte uns den Grund für sein Erscheinen.
,,Natürlich, Eure Hoheit. Eure Verlobte wird Euch gesunde Erben schenken können.'', verkündete sie die frohe Nachricht, die meine Freude gleich dämpfte. Ich hatte ganz verdrängt, dass der Test nicht für mich Erleichterung und Gewissheit verschaffen sollte, sondern für den Prinzen. In dessen Augen blitzte für eine Sekunde Freude und Erleichterung auf, bevor sie wieder hinter seiner undurchschaubarer Maske verschwanden. Er tat es mit einem Nicken ab und wandte sich dann mir zu. ,,Komm, Lyana, wir haben einiges zu besprechen.''
Ich rutschte von der Krankenliege, auf der ich die ganze Zeit über gesessen hatte, und trat nach einer höflichen Verabschiedung gegenüber der Ärztin hinter dem Prinzen auf den Flur.
,,Jetzt, wo es keinen Grund mehr gibt, der einer gemeinsamen Zukunft im Weg steht, sollten wir uns bezüglich der Details unserer Hochzeit unterhalten.'', sagte er, kaum das wir den Wintergarten des Palastes betreten und uns auf einer  erstaunlich bequemen Bank niedergelassen hatten.
Der Wintergarten war ausgesprochen schön. Viele exotische Pflanzen und kleine Bäume wucherten überall, schmale Wege führten durch sie hindurch und die Wände bestanden nur aus Glas, sodass alles lichtdurchflutet war, was jedoch in kleinster Weise der Atmosphäre einen Abbruch tat. Im Gegenteil, es fühlte sich so an, als wäre ich nicht mehr hinter den Mauern des Palastes, sondern in einem kleinen Paradies, abseits von allem. Ich mochte diesen Ort.
,,Ihr wollt mich tatsächlich mit einbeziehen? Wie komme ich denn zu der Ehre?'' Ich konnte mir den spöttischen Tonfall einfach nicht verkneifen und auch meine Worte waren alles andere als angemessen. Aber es schien ihm nichts auszumachen, jedenfalls hatte es so auf dem Ball gewirkt- sonst hätte er nie ausgerechnet mich ausgewählt.
Seine Entscheidung konnte ich generell absolut nicht nachvollziehen. Sie erschien mir unverständlich, kam mir jedoch nur zu Gunsten. Auch wenn ich jetzt wusste, wer der unverschämte Schönling war, änderte es dennoch weitestgehend nichts. Ich würde auch zu diesem Zeitpunkt nicht vor ihm keuschen und ihm Honig ums verwöhnte Maul schmieren. Es käme mir falsch vor. Nicht nur, weil ich ihn als Rebellin nicht als Prinz und zukünftigen König anerkannte, sondern auch, weil ich ihm nicht noch mehr vormachen wollte, als ich es eh schon tat. Dann käme ich mir wie eine Heuchlerin vor. Nicht, das ich das nicht eigentlich sowieso schon war. Aber eine Vertiefung konnte ich vermeiden.
,,Ich muss mich weder für deine Zustimmung, noch um Wünsche von dir oder sonstiges interessieren. Und dennoch biete ich dir gerade die Möglichkeit ein Mitspracherecht bei unserer Hochzeit zu haben. Das ist nicht selbstverständlich, ich könnte dich auch einfach übergehen, wenn dir das lieber wäre.'' Sein Gesicht war mir zugewandt und vollkommen ernst. Er scherzte nicht und hatte mit jedem seiner Worte Recht, das wussten wir beide. Auch die Antwort auf seine indirekte Frage und die verborgene Nachricht in seinen Worten, kannten wir beide. Er wollte mir seinen Guten Willen mir gegenüber demonstrieren und auf seine Art die erzwungene Verlobung wieder gutmachen, indem er mich Entscheidung mit treffen ließ. Das war mehr, als ich erwartet hatte. So traurig das auch klang. Vielleicht war er doch nicht so schlimm und ich hatte mich zumindest in manchen Aspekten über ihn geirrt.
Seine nächsten Worte machten das jedoch gleich wieder zunichte.
,,Solch ein ungebührliches und überaus respektloses Verhalten mir gegenüber toleriere ich aber nicht, lass dir das gesagt sein.'' Ein wölfisches Grinsen legte sich auf seine Lippen. Er umgriff plötzlich mein Kinn, hob es leicht hoch und hielt es dann fest, während sich sein Gesicht meinem nährte. Der durchtriebene Ausdruck in seinen Augen bereitete mir ein unwohles Gefühl und würde er mich nicht festhalten, wäre ich zurückgezuckt. So aber konnte ich ihn nur mit geweiteten Augen ansehen. Kurz vor meinem Gesicht hielt er schließlich Inne. Sein heißer Atem schlug mir entgegen und strich über meinen Mund.
Er war mir zu nah. Viel zu nah.
,,Solltest du dennoch weiterhin dieses Benehmen an den Tag legen, so sehe ich mich gezwungen dich zu bestrafen.'' Seine Mundwinkel hoben sich noch weiter und er beobachtete gespannt meine Reaktion. Die auch gleich erfolgte. Schlagartig weitete ich meine Augen noch mehr und ich versuchte mein Kinn aus seinem harten Griff zu befreien, was kläglich misslang. Für einen Prinzen war er erstaunlich stark. Aber das sollte mich nicht wundern, mir war schon zu Ohren gekommen, dass der junge Thronfolger eine kämpferische Ausbildung genossen hatte und immer noch trainierte.
Aber würde er mir wirklich weh tun? Auf körperliche Art? Natürlich würde er das, wurde mir im selben Moment klar, warum auch nicht. Es war ja nicht so, als würde er etwas für mich empfinden. Ich war einfach nur anscheinend interessant genug gewesen, um zu seiner Verlobten auserkoren worden zu sein.
,,Ihr würdet gegenüber Eurer eigenen Verlobten Gewalt anwenden?'', vergewisserte ich mich. Ich wollte es einfach von ihm hören. Die Bestätigung haben, um ihn besser einschätzen zu können. Und es würde mir auch mit dieser Gewissheit leichter fallen Leyon später zu töten.
Sein Blick intensivierte sich und er kam mir noch ein weiteres Stück näher, so dicht, dass sein hübsches Gesicht nur noch Millimeter vor meinem schwebte. ,, Oh nein, nein, meine Liebe. Du verstehst das falsch. Als dein Verlobter bieten sich mir ganz andere Möglichkeiten meine zukünftige Frau zu disziplinieren.'' Verrucht lächelte er mich an und machte damit deutlich von welcher Art er da sprach.
Mir stieg die Röte in die Wangen. Über diese Art der Bestrafung wollte ich gar nicht länger nachdenken, soweit würde ich es nicht kommen lassen. Und erst recht nicht zu lassen. Nein, niemals.
Endlich ließ Leyon mein Kinn los und lehnte sich wieder zurück. Als wieder Abstand zwischen uns herrschte, atmete ich erleichtert auf. Seine Nähe behagte mir irgendwie nicht. Sie machte mich nervös.
,,Wie auch immer. Lass uns nun endlich über unsere Hochzeit reden.'', lenkte er wieder auf das eigentliche Thema zurück. ,,Zuerst sollten wir uns über einen Zeitpunkt einig werden. Ich sage dir gleich, wir werden nicht erst in ein Paar Monaten heiraten. Solange will ich nicht warten.''
,,In drei Monaten?'', schlug ich widerwillig vor. Das alles ging mir viel zu schnell. Aber jetzt hieß es erstmal so viel Zeit wie möglich raus schlagen.
Er schüttelte ablehnend den Kopf.
,,In zwei und halb?''
,,Zwei. Und keinen Tag länger.'', gab er schließlich nach. Ihm war anzusehen, dass ihm das Datum nicht ganz recht war. Wahrscheinlich hatte er gehofft schon in wenigen Wochen heiraten zu können. ,,Immerhin kann nun alles perfekt und ohne Hektik bis ins kleinste Detail geplant und vorbereitet werden.''
Plötzlich kam mir ein genialer Einfall. ,,Steht es mir frei, einige Freunde einzuladen?''
,,Der gesamte Adel von Crowen ist eingeladen, sie sind also sicher dabei.''
,,Nein, sie gehören nicht zum Adel.''
Sein überraschter Blick traf mich und ich konnte ihm förmlich ansehen wie er hin und her überlegte. ,,Können sie sich angemessen benehmen?''
,,Natürlich, sie sind doch keine Barbaren!'', gab ich empört von mir. Was dachte er denn bitte? Das sie brüllend übers Buffet herfielen?
,,Na schön, lad sie ein. Ich gebe dir später ein paar Einladungskarten. Wie viele?''
Ich strahlte ihn an. Kurz wägte ich ab, ob ich lieber nur Leix und seinen kleinen Bruder, Stana und Xander oder gleich das gesamte Lager einladen sollte. Letztendlich beschränkte ich mich auf meine engsten Vertrauten. ,,Vier.''
Er nickte. ,,Gut, bekommst du.''
Ich bedankte mich leise. Eigentlich würden Hochzeitseinladungen sowieso unnötig sein, schließlich hatte ich nicht vor es soweit kommen zu lassen. Bis dahin würde ich schon längst meinen Auftrag erfüllt haben und zurück im Stützpunkt sein.
,,Du solltest dir Gedanken über dein Hochzeitskleid machen und dich mit der Schneiderin darüber in Verbindung setzten. Ich schicke sie dir in ein paar Tagen in deine Räumlichkeiten.''
Ich nickte bestätigend. Dann schwiegen wir für eine Weile, bis Leyon sich schließlich erhob und auf mich runter sah. ,,Wir werden in den nächsten Wochen öfter gemeinsam Zeit verbringen, um uns kennenzulernen. Morgen unternehmen wir einen Ausritt. Für heute jedoch sehen wir uns erst beim Abendmahl wieder. Wenn du mich nun entschuldigen würdest, ich habe noch Arbeit zu erledigen, die bedauerlicherweise nicht warten kann. Sonst wäre ich gerne weiter in den Genuss deiner Aufmerksamkeit gekommen.'' Leyon schaffte es dabei nicht eine Sekunde lag schleimend zu klingen. Stattdessen brachte er es erstaunlich ernst rüber, sodass niemand auch nur einen Moment an seinen Worten zweifeln würde.
Trotzdem kam es mir leicht übertrieben vor.
,,Nun, ich kann verstehen wie bedauerlich Ihr das findet.'', ging ich darauf ein und konnte mir einen kleinen Seitenhieb einfach nicht verkneifen. ,,Auch wenn ich das nicht behaupten kann.''
Anstatt jetzt auszurasten, zuckten Leyon's Mundwinkel einfach nur kurz, als müsste er ein Grinsen unterdrücken. Dann deutete er eine Verbeugung an und zog sich mit seinen beiden Leibwachen aus dem Wintergarten zurück.
Ich blieb noch ein paar Minuten sitzen. Meine Gedanken kreisten um das eben geführte Gespräch und ich stellte fest, dass es überraschend angenehm verlaufen ist, nachdem er sich genug über mein Verhalten ausgelassen hatte. Nichtsdestotrotz war es nicht unangenehm oder dergleichen gewesen. Leyon ist mir sogar recht nett rüberkommen, auch wenn ich ihm gegenüber das nie zu geben würde. Er hatte mir sogar erlaubt fremde Bürgerliche -oder vielmehr, was er ja nicht wissen konnte; Rebellen- einzuladen. Das war echt nicht üblich und doch hatte er es getan.
Ich riss die Augen auf, geschockt über meine Gedanken. So durfte ich weder denken noch empfinden! Ich konnte mein Opfer nicht als nett bezeichnen, sonst würde es mir, wenn der Zeitpunkt gekommen war, nur schwerer fallen ihn zu ermorden. Ich musste verhindern eine Bindung zu ihm aufzubauen. Hass, Verachtung, Wut - das sollten meine Empfindungen ihm gegenüber sein, nicht irgendeine anfängliche Art von Sympathie.
Ich musste mich voll und ganz auf meinen Auftrag konzentrieren.
Morgen würden wir zusammen ausreiten, das ließ sich doch nutzen. Pferde waren Tiere, die durchaus widerspenstig und gefährlich sein konnten. Damit ließ sich doch was anfangen.

,,Sie sind also die Tochter der Dorados.'', stellte König Lysander fest, kaum das ich an der langen Tafel neben Leyon Platz genommen hatte.
Er wartete keine Bestätigung ab. ,,Ich muss zugeben, nicht damit gerechnet zu haben Sie jemals zu Gesicht zu bekommen und auch Ihr ausgesprochen hübsches Antlitz hätte ich nicht erwartet. Sie sind wirklich komplett gesund?''
Bemüht mir nicht nach außen hin anmerken zu lassen, wie wütend mich diese bodenlose Frechheit machte, antwortete ich mit kontrollierter Stimme: ,,Ich kann Euch versichern bei völliger Gesundheit zu sein, Eure Majestät.''
König Lysander nickte langsam und wandte sich dann an seine Gattin. ,,Nun, Liebste, wie findest du Sie?''
,,Sie wird nie würdig genug sein meinen Platz einzunehmen.'' Ihr abwertender Blick wanderte über mich. ,,Aber machen wir uns nichts vor, das wird nie jemand sein.''
Gott, war diese Frau arrogant und überheblich. Das war ja nicht auszuhalten. Ich wusste nicht, wen ich unsympathischer finden sollte, den König oder die Königin. Fast tat der Prinz mir bei solchen Eltern leid, aber vielleicht waren sie zu ihm ja anders.
,,Natürlich nicht, meine Teuerste.'', stimmte König Lysander ihr zu, bevor er sich an seinen Sohn wendete. ,,Steht der Termin für die Hochzeit schon fest?''
,,In genau zwei Monaten, Vater.'', tat Leyon mit einem angespannten Lächeln kund. Es war deutlich, dass ihm das abfällige Benehmen seiner Eltern nicht gefiel.
,,So spät?'', mischte sich Königin Jallyne ein. ,,Wir sollten die Hochzeit so schnell wie möglich hinter uns bringen. In zwei Wochen könnte sie von statten gehen, bis dahin kann alles vorbereitet sein. Ich lass gleich-‚'' ,,Wir haben uns schon entschieden, Mutter.'', fiel Leyon ihr ungehalten ins Wort. ,,Und der Termin bleibt bestehen. Wir wollen uns ausreichend kennenlernen, bevor wir den Ehebund eingehen. Habt Verständnis dafür.''
Seine Mutter verzog herablassend das Gesicht. ,,Du wirst sehen, was du davon hast.''

Lyana- The Story of a QueenTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon