16. Kapitel

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Kurz nachdem der schöne Unbekannte in der Menge untergetaucht war, entdeckte ich Querin nicht unweit von mir entfernt. Er war in eine angeregte Unterhaltung mit einem hübschen Mädchen vertieft und lachte gerade laut auf. Das Mädchen war etwa in meinem Alter, soweit ich das beurteilen konnte, und trug ein dunkelrotes Ballkleid, dass ein schönes Zusammenspiel mit ihrem rötlich braunen Haar und den dunklen Augen ergab. Auf ihren schmalen, roten Lippen lag ein fröhliches Lächeln und ihre Augen strahlten Querin förmlich entgegen. Es war offensichtlich, dass sie für ihn schwärmte und auch er schien Interesse an ihr zu haben.
Ich schmunzelte. Hatte er nicht letztens erst noch was davon gesagt, dass alle Adeligen ihm unsympathisch waren?
Da hatte sich seine Meinung aber schnell geändert.
Ich beschloss mich nach kurzem Überlegen zu ihnen zu gesellen. Mir egal, ob es ihn vielleicht störte oder ihm die Tour vermasselte. Mit ihm hatte ich jetzt noch ein Hühnchen zu rupfen!
Entschlossenen Schrittes marschierte ich auf die Beiden zu und machte mit einem Räuspern auf mich aufmerksam, als ich sie erreicht hatte. Erschrocken, fast schon ertappt, unterbrachen sie ihr Gespräch. Als Querin mich erblickte, wurde er etwas bleich um die Nase und ein betretener Ausdruck lag in seinen Augen. ,,Cousinchen, hey...'' Er klang unsicher.
Anscheinend war ihm selber bewusst wie aufgebracht ich von seinem Verhalten war. Er war einfach abgehauen. Und das, obwohl er versprochen hatte an meiner Seite zu bleiben. Ich sah ihm sein schlechtes Gewissen förmlich an.
,,Hey, Lyana, hör mal. Es tut mir wirklich leid, dass ich-‚'' Ich hob die Hand um ihn zu unterbrechen, denn so einfach wollte ich es ihm dann doch nicht machen. Mein Blick richtete sich auf die junge Frau mir gegenüber, die verwirrt und etwas unsicher zwischen uns hin und her sah. ,,Querin, willst du sie mir nicht vorstellen? Es wundert mich, dass du dich hier so gut unterhältst, wo du mir doch erst vor kurzem noch gesagt hast, was du von den jungen Damen hier hältst.'' Ich ließ deutlich rüberkommen, dass das alles andere als positiv gemeint war. Vielleicht war es gemein. Aber es war schließlich auch gemein von ihm mich einfach so alleine stehen zu lassen als die pinke Hochzeitstorte auf uns zu gerauscht ist. Es war also nur gerecht. Er hatte mich in eine unangenehme Situation gebracht, jetzt tat ich mit ihm das gleiche. Okay, ich musste zugeben, das hörte sich verdammt kindisch an.
Ich sah wie sich Querin's Augen geschockt weiteten, genauso wie die des Mädchens. Interessiert beobachte ich den weiteren Verlauf. Querin beeilte sich, sich zu erklären. ,,Jolina, du verstehst das falsch! Ich meinte damit nicht dich! Du bist anders als sie! Du bist nicht so künstlich und verstellt! Dich mag ich! Bitte, meine Cousine weiß nichts von meinem persönlichen Bezug zu dir! Du musst mir glauben, dass ich dich nie mit den anderen hier in einen Topf werfen würde!''
Es war wirklich amüsant zu sehen wie er versuchte sich herauszureden und dabei wahrscheinlich gar nicht merkte, was für unsinniges Zeug er da von sich gab. Auch wenn der verzweifelte Ton seiner Stimme meine Schadenfreude ein wenig dämpfte. Jolina schien das genauso zu sehen, denn sie hob nur eine fein gezupfte Augenbraue. ,,Achja?''
,,Ja!'' Er streifte mich mit einem wütenden und gleichzeitig hilfesuchenden Blick. Ich seufzte leise. Wenn die junge Frau ihm wirklich am Herzen lag, dann konnte ich nicht weiter sein Glück gefährden. Warum er sie dann aber nicht bei besagtem Gespräch erwähnt hatte, wunderte mich zwar, war letztendlich jedoch einzig und allein seine Sache. Vielleicht war er sich mit ihr und seinen Gefühlen noch unsicher. Oder wollte einfach mein Selbstbewusstsein stärken, indem er mich als einzige, die anders im positiven Sinne wäre, darstellte. So oder so, es spielte keine Rolle.
,,Ich glaube ihm. Auf mich macht es wirklich den Eindruck, dass er dich mag und dich mit anderen Augen sieht, als jede andere hier im Saal. Ich entschuldige mich dafür dieses Gespräch mit eingebracht zu haben, aber ich wusste mich nicht anders für seinen feigen Rückzug vorhin zu rächen. Ich wollte keinen Keil zwischen euch treiben. Verzeiht, Lady Jolina.'' Ich wandte mich Querin zu. ,,Und dir, hoffe ich, war das eine Lehre. Es war ja beschämend wie katastrophal du dich anstellst, wenn es kritisch wird. Rausreden und selbst erklären solltest du wirklich noch mal üben.''
Querin schnaubte nur und linste dann vorsichtig zu Jolina, die mit der Situation sichtlich überfordert wirkte.
Mittlerweile verstand ich nicht mehr, was mich da gerade geritten hatte. So war ich normalerweise gar nicht. Dieser Ort und die Menschen hier hatten anscheinend einen schlechten Einfluss auf mich. Oder es lag daran, dass ich selber gerade noch ganz schön durch den Wind war. Gleichgültig an welcher Ursache es lag, ich bereute meine Worte. Sie waren nicht nur unnötig gewesen, sondern auch gefährlich für die Beziehung, die die Beiden zueinander hatten.
Ich wollte mich gerade nochmal entschuldigen, als plötzlich Stille im Saal einkehrte und alle ihre Aufmerksamkeit auf etwas hinter mir richteten. Schnell drehte ich mich um und entdeckte auch gleich den Grund. Der König hatte sich von seinem Thron erhoben und stand nun vorne auf der Empore, gut sichtbar für jeden. Er strahlte Macht aus und kein einziger Ton war mehr zu vernehmen. Ich war mir sogar sicher, dass einige den Atem anhielten, als seine tiefe Stimme über die Menge dröhnte. ,,Ich freue mich, dass Sie alle unserer Einladung gefolgt sind und uns heute bei diesem Ball mit einem besonderem Anlass beehren.'' Als würde irgendjemand eine Einladung des Königshauses ausschlagen. Das würde sich doch eh keiner trauen. ,,Unter ihnen befindet sich die zukünftige Königin von Crowen. Mein Sohn wird sich bis Mitternacht eine Frau gewählt haben. Ursprünglich war geplant einige junge Ladies für einen längeren Aufenthalt bei uns im Palast einzuladen, damit mein Sohn sich in Ruhe eine Gemahlin aussuchen kann, jedoch sind wir aufgrund bestimmter Dinge dazu gezwungen, das Ganze zu beschleunigen und direkt auf eine Glückliche zu reduzieren. Ich bin gespannt, wen ich am Ende des heutigen Tages als meine künftige Schwiegertochter bekannt geben darf. Schon bald wird dieses Land ein neues Herrscherpaar haben!''
Auf seine Rede hin folgte sittsam gedämmter Jubel und höfliches Klatschen. Für einem Moment genießt der König die Zurufe, bevor er die Menge mit nur einer Handbewegung zum Schweigen brachte und wieder erwartungsvolle Stille herrschte. ,,Und nun wird Prinz Leyon den Tanz eröffnen!''
Eine große kreisrunde Fläche wurde in der Mitte freigeräumt. Die Menschen ziehen sich an den Rand zurück, wobei in den ersten Reihen nur junge Frauen in den prächtigsten Ballkleidern stehen.
Querin gibt mir zu verstehen, dass ich ebenfalls nach vorne muss, doch ich bewege mich nicht vom Fleck. Ich bin wie eingefroren. Kann mich nicht bewegen. Erstarrt folgten meine Augen dem jungen Mann, der jetzt in den Vordergrund trat. Ich hörte wie die Frauen um mich herum zu tuscheln anfingen, sah wie die dunkelgrünen Augen des Prinzen über die Gesichter der Mädchen glitten, die alle mit sehnsuchtsvollen und verträumten Blicken darauf warteten von ihm zum ersten Tanz aufgefordert zu werden, doch wahrnehmen tat ich nur den Prinzen und den Schock, der sich in mir ausbreitete. Dann folgte das Entsetzen, als mir klar wurde mit wem ich da vorhin das Vergnügen gehabt hatte. Wer der junge, unverschämte Adelige war gegenüber dem ich mich so frech verhalten hatte.
Ich hatte den Prinzen beleidigt. Und wie ich das hatte. Nur langsam sickerte diese Erkenntnis zu mir durch.
Ich wurde blass. Verdammt.
Was würde jetzt wohl mit mir passieren? Werden sie mich in die Kerker werfen lassen? Hinrichten? Dass ich den Prinzen nicht erkannt hatte, geschweige denn überhaupt nicht wusste wie der Prinz aussah, würde mir wohl keiner abnehmen. Auch wenn es die Wahrheit war. Wieso hatte ich auch nur auf das Königspaar geachtet, anstatt mir mal den Prinzen anzusehen? Wie dämlich war ich denn auch.
Mein Auftrag war gescheitert, bevor er überhaupt richtig beginnen konnte.
Ich stand meinem Zielobjekt gegenüber und hatte es nicht erkannt. Wie peinlich.
Alles war umsonst und das nur, weil ich den Mund nicht halten konnte und meiner jahrelangen angestauten Wut auf die Adeligen unauffällig ein Ventil geben musste.
,,Alles in Ordnung, Cousinchen? Lyana?'' Querin's besorgte Stimme drang nur leise zu mir durch. Viel zu sehr war ich in meinem Schock gefangen. Ich stand einfach nur da, in meiner Bewegung eingefroren. Meine Umwelt nahm ich gar nicht mehr war, sie verschwamm einfach vor meinen Augen.
Ein Räuspern vor mir, ließ mich aufschrecken. Der schemenhafte Umriss vor mir nahm Gestalt an und nach kurzem blinzeln, erkannte ich die Person vor mir. Meine Augen weiteten sich noch mehr. Was machte er hier?
,,Lady Lyana, würden Sie mir die Ehre erweisen und mit mir den ersten Tanz eröffnen?'' Prinz Leyon verbeugte sich leicht vor mir und hielt mir eine Hand hin. Meine Augen huschten zwischen seiner Hand und seinem Gesicht hin und her. Um uns herum war es komplett still. Alle Blicke waren auf uns gerichtet. Jeder wartete darauf, dass ich annahm, niemand rechnete mit einer Ablehnung. Zu der königlichen Familie sagt man nicht Nein, das war ein ungeschriebenes Gesetz. Doch ich zögerte. Unsicher betrachte ich ihn. Sollte ich es wagen oder einfach verweigern. Aber das konnte ich nicht bringen. Ich hatte mir schon bei dem Schlagabtausch viel zu viel geleistet, einen weiteren Fehltritt konnte ich mir echt nicht erlauben. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde es unruhiger in der Menge. Ich spürte ihre brennenden Blicke, kannte die stille Frage, die sie sich gerade stellten, auch wenn niemand wagte laut ein Wort von sich zugeben.
Selbst der Prinz schien langsam unruhig zu werden und ich meinte sogar einen leichten Rotschimmer zu sehen, der sich langsam auf seinen Wangen ausbreitete. Ich konnte förmlich hören wie er gerade überlegte, die Hand zurückzuziehen und sich der Schmach zu ergeben, sich vor versammelten Adel einen Korb eingefangen zu haben, oder weiter zu warten und die Peinlichkeit dieser Situation immer weiter steigen zu lassen. Seine Augen brannten sich in Meine, als er zu mir hoch sah.
Schließlich knickste ich möglichst anmutig und legte ich zögerlich meine Hand in Seine. Kaum war dies geschehen, ließ die Spannung im Saal nach und ich vernahm ein erleichtertes Aufatmen vom Prinzen. Seine Hand war warm und groß. Fest umschloss sie Meine.
Ich mied Blickkontakt, während er mich nun auf die freigeräumte Tanzfläche führte, die sich direkt vor der Empore befand. Der König hatte wieder auf dem Thron neben seiner Gemahlin Platz genommen und beide nickten uns jetzt steif zu, als wir uns vor ihnen verneigten. Ich mit einem tiefen Knicks und Prinz Leyon mit einer eleganten Verbeugung.
Dann wenden wir uns einander zu. Der Prinz trat einen Schritt näher an mich heran, sodass er jetzt direkt vor mir stand. Seine eine Hand umschloss Meine fester, die andere legte sich auf meinen Rücken, während meine sich auf seiner Schulter platzierte. Ich spürte seinen brennenden Blick auf mir, doch ich schaute nicht auf, auch nicht als das Orchester einsetzte und das Lied begann. Und zum ersten Mal war ich dankbar ein Korsett zu tragen, denn es verhinderte, dass ich die Wärme seiner Hand an meinem Rücken spüren konnte.
Ich erinnerte mich an die Tanzstunden mit Querin und rief mir so die Schritte ins Gedächtnis. Prinz Leyon führte mich sicher durch die einzelnen Bewegungen und ich kam nicht umhin, festzustellen, dass er ein großartiger Tänzer war.
Ich blendete jeden um uns herum aus, sie waren nicht mehr als schwarze Schatten am Rand meines Blickfeldes. Meine volle Konzentration galt dem Tanz.
,,Sie sind unhöflich, Lady Lyana.''
Jetzt schaute ich doch auf. Direkt in das funkelnde dunkelgrün seiner Augen.
Ich konnte ein kurzes Zucken meiner Mundwinkel nicht verhindern. Das waren die ersten Worte die ich zu ihm gesagt hatte, nur mit dem Unterschied, dass ich nicht gewusst hatte, wer er war.
,,Wie kommt Ihr darauf?'', wiederholte ich seine Worte. Nr diesmal mit der richtigen Ansprache.
Sein einer Mundwinkel hob sich. ,,Sie haben mich vor allen Adeligen zappeln lassen. Ich hatte für einen Moment wirklich die Befürchtung, Sie weisen mich ab und stellen mich bloß.''
,,Nun, das habe ich tatsächlich auch in Erwägung gezogen.'', gab ich ehrlich zu und suchte in seinem Blick nach einem Anzeichen von Wut. Doch da war keine.
,,Sie sind wirklich anders als die anderen Frauen. Nie zuvor hat es jemand auch nur gewagt an eine Zurückweisung mir gegenüber zu denken und Sie geben es auch noch offen zu.''
Ich musste schwer an mir halten, um nicht die Augen zu verdrehen. Nur das Wissen, dass jeder hier uns gerade genau beobachtete, hielt mich davon ab. Es reichte schon, dass wir ein leises Gespräch führten. Außerdem durfte ich den Prinzen mit meinem doch recht respektlosen Verhalten nicht misstrauisch machen. Dass ich anders war, lag ja schließlich nur daran, dass ich einfach nicht wie sie war. Ich war eine Rebellin, keine Adelige.
,,Wow. Eure Gemächer bestehen sicher nur aus Spiegeln.''
Nun schlich sich Verwirrung in seine Züge. ,,Nein- wie kommen Sie denn bitte darauf?''
,,Na bei Eurem Ego, müsst Ihr bestimmt Euer perfektes Antlitz aus jedem erdenklichen Blickwinkel betrachten.''
Das Funkeln in seinen Augen verstärkte sich. ,,Mein perfektes Antlitz? Ich wusste doch, Sie haben eine Schwäche für mich.''
,,Genau genommen für Euer Aussehen, nicht Euch.'', rutschte es mir raus. Die Augenbrauen des Prinzen schossen in die Höhe. Ich riss meine Augen auf und hätte mir, wenn meine Hände gerade frei wären, die Hand vor den Mund geschlagen, so jedoch lief ich nur rot an. Schnell schob ich hinterher. ,,Und das auch nur, wenn man den Satz so deutet und nicht wie er eigentlich gemeint war.''
,,Das braucht Ihnen doch nicht peinlich zu sein, Lady Lyana.'' Seine raue Stimme klang neckend, dennoch arrogant und voller Selbstzufriedenheit.
,,Mir muss ja auch nichts peinlich sein. Ihr solltet Euch hingegen für die Richtung Eurer Gedanken schämen und wie Ihr Sätze deutet.''
Plötzlich zog er mich näher an sich. Um nicht aus dem Takt zu kommen, ließ ich es geschehen.
Sein Mund nährte sich meinem Ohr. ,,Stimmt, Sie haben Recht. Ich denke, Sie haben eher eine Anspielung darauf gemacht, dass Sie gerne einmal meine privaten Räumlichkeiten zu Gesicht bekommen wollen.''
,,Was? Nein-‚'' Prinz Leyon führte mich in eine schwungvolle Drehung. Meine Röcke bauschten sich auf, doch der schwere Stoff hielt sie unten.
,,Keine Sorge, Prinzessin. Wer wäre ich, wenn ich Ihnen einen Wunsch abschlagen würde?'' Seine Augen blitzten vor Schalk, als er seinen Kopf etwas zurücknahm, dabei jedoch den Abstand zwischen unseren Körpern beibehielt. Als ich versuchte mich unauffällig etwas wegzudrücken, verstärkte sich sein Griff und hielt mich an Ort und Stelle. Um seine vollen Lippen zuckte ein verschmitztes Grinsen. Ich kniff aufgebracht die Augen zusammen, schwieg jedoch den weiteren Tanz über.
Die letzten Töne verklangen und Applaus erklang. Fast schon widerwillig, so kam es mir jedenfalls vor, ließ der Prinz mich los und verbeugte sich erneut knapp vor mir, während ich leicht knickste.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte ich mich auf dem Absatz um, raffte meine Röcke und schob mich durch die auf die Tanzfläche strömenden Paare auf den Rand zu. Suchend hielt ich nach Querin und den Dorados Ausschau, konnte jedoch keinen von ihnen ausmachen.
Die Luft kam mir plötzlich stickig vor. Ich brauchte frische Luft.
Ich entdeckte auf der gegenüberliegenden Seite eine weitere Flügeltür und steuerte auf sie zu. Ich hoffte einfach, dass sie nach draußen auf einen Balkon oder direkt in den Garten führte.
Ich stieß sie auf und atmete tief die kühle, unverbrauchte Nachtluft ein. Über mir erstreckte sich ein pechschwarzer Sternenhimmel. Der Mond warf genügend Licht ab, sodass ich in der Dunkelheit erkennen konnte, wo ich mich befand.
Ich war auf einer steinernen Terrasse gelandet. Am Ende war mittig eine Treppe, die in den Garten führte. Ich wollte gerade auf sie zulaufen, als sich neben mir jemand räusperte und ich vor Schreck einen Aufschrei von mir gab. Ich fuhr zu dem Verursacher dieses Geräusches herum. Neben der Tür standen zwei Wachen.
,,Wir müssen Sie bitten wieder zurück in den Saal zu gehen, Mylady. Sie dürfen nicht alleine in den Garten.''
,,Wollen Sie mir gerade verbieten an die frische Luft zu gehen?'', zischte ich erbost, bevor ich mich wieder besann und tief durchatmete. Ich ignorierte das Zusammenzucken der Wachen und setzte ein Lächeln auf. ,,Ich bitte um Verzeihung, die Herren. Ich wollte Sie nicht von Ihrer Arbeit abhalten. Wissen Sie, es ist mein erster Ball und dementsprechend alles andere als gewohnt für mich. Ich hatte gehofft hier draußen ein wenig Ruhe zu finden. Meine Nerven liegen anscheinend so blank, dass ich mich im Ton vergriffen habe. Verzeihen Sie.'' Überrascht starren beide mich an, bevor sich der erste, der mich vorhin schon angesprochen hatte wieder zusammenreißt. ,,Sie müssen sich nicht entschuldigen, Mylady.'' ,,Das tue ich aber.'' Wieder überraschte Blicke. Zögerlich lächelt mir der andere zu und tauschte einen verunsicherten Blick mit seinem Kameraden. ,,Dann nehmen wir selbstverständlich die Entschuldigung an. Sie können ruhig noch hier auf der Terrasse bleiben. Nur entfernen Sie sich bitte nicht aus unserem Sichtfeld.''
,,Verstanden.'' Ich lächelte ihnen nochmal zu und lief dann ein paar Schritte näher zur Brüstung. Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich gegen sie und genoss den kühlen Wind der meine erhitzte Haut wieder abkühlte.
Plötzlich vernahm ich hinter mir Geräusche und hörte Schritte die sich nährten, ein überraschtes Aufkeuchen der Wachen, informierte mich über den Störenfried. ,,Eure Hoheit!''
Erst in dem Moment wurde mir bewusst, dass ich ihn zwar die ganze Zeit, seit ich seine richtige Identität erfahren hatte, mit der richtigen Anrede Ihr angesprochen hatte, jedoch nie mit seinem Titel wie es sich zusätzlich gehörte. Ich hatte nie Eure Hoheit am Ende hinzugefügt. Noch ein Fauxpas. Wundervoll.
Ich spürte seine Präsenz in meinem Rücken.
,,Lady Lyana, begleiten Sie mich auf einen Spaziergang im Garten?''
Ich öffnete die Augen, drehte mich jedoch nicht zu ihm um. Er formulierte es vielleicht wie eine Frage, aber war es wirklich eine? Konnte ich überhaupt ablehnen?
,,Es gibt nur eine Antwort auf Eure Einladung, oder Eure Hoheit?'' , wagte ich zu sagen.
Ich hörte ein leises Seufzen. ,,Es steht Ihnen frei zu antworten wie sie wollen, Lady Lyana. Wir können unsere Unterhaltung auch hier fortführen. Ich dachte nur, Sie würden sich in einer ruhigeren und unbeobachteteren Umgebung wohler fühlen.''
Mein Blick fiel auf die Wachen an der Tür und die beiden Leibwächter des Prinzen, die nur wenige Meter von uns entfernt standen und sowohl uns als auch die Umgebung keine Sekunde aus den Augen ließen.
,,Und was ist mit Euren Leibwächtern?''
,,Die Beiden kommen überall hin mit. Sie sind wie Schatten, du wirst ihre Anwesenheit also schnell vergessen. Vorhin sind sie dir auch nicht aufgefallen.'' In diesem Punkt war kein Raum für Widerspruch oder Kompromisse. Und er hatte Recht. Ich hatte die beiden vorhin tatsächlich nicht bemerkt.
,,Na schön'' , gab ich nach. ,,Machen wir einen Spaziergang. Auch wenn ich mich immer noch nicht daran erinnern kann, je den Wunsch nach einer Weiterführung des Gesprächs geäußert zu haben.''
Prinz Leyon lachte leise auf, bevor er mir den Arm anbot, den ich bereitwillig annahm. Wenn auch mit einem unwohlen Gefühl im Bauch.
,,Solltet Ihr nicht auf dem Ball sein und mit den jungen Damen tanzen?'', erkundigte ich mich und musterte seine Gesichtszüge von der Seite. Durch das spärliche Licht konnte ich in der Dämmerung jedoch nicht allzu viel ausmachen. Gerade mal seine Umrisse konnte ich wirklich erkennen.
,,Ich habe doch mit einer jungen Lady getanzt.''
,,Aber ist der Zweck des Balls nicht, dass Ihr eine Frau findet?'' Ich hörte mich genauso verwirrt an wie ich mich fühlte. Warum hatte er den Ball verlassen, wenn er doch so entscheidend für ihn war? Ich verstand nicht, warum er hier bei mir war und mich auf einen nächtlichen Spaziergang einlud, anstatt mit den jungen Frauen, die nur für ihn gekommen waren, zu tanzen und sie kennenzulernen.
Er blieb stehen und wandte sich mir zu. ,,Ich habe meine zukünftige Braut schon gefunden.''
Was? Ich brauchte einen Moment um seine Worte zu begreifen. Es ergab keinen Sinn. Wenn er bereits seine Zukünftige hatte, warum wurde der Ball dann veranstaltet?
,,Wie bitte? Ich verstehe nicht ganz. Wozu wird der Ball dann veranstaltet, wenn Ihr bereits vergeben seit?''
Ein Schmunzeln legte sich um seine Mundwinkel, was mich noch mehr verwirrte. Tief sah er mir in die Augen. ,,Ich werde Sie heiraten. Sie sind meine zukünftige Frau, Lyana.''
Ich starrte ihn an. Nur langsam drangen seine Worte in meinen Verstand und noch länger brauchte ich um die Bedeutung seiner Worte zu begreifen. Das konnte nicht sein. Es war doch alles ganz anders geplant!
Ich spürte förmlich wie mir die Kontrolle entglitt. Über meinen Auftrag, mein Leben.
Mein Atem beschleunigte sich. Ich wich zurück. ,,Nein!'', hauchte ich fassungslos. ,,Nicht ich.''
Nun war es an ihm mich verwirrt und ein wenig vor den Kopf gestoßen zu mustern. ,,Bitte?''
Ich riss mich zusammen und hob entschlossen das Kinn. ,,Ich werde Euch nicht heiraten, Prinz.''
Er schnappte überrascht nach Luft. ,,Ich glaube, ich habe Sie nicht richtig verstanden, Lady Lyana.''
,,Ich bin mir sicher, das habt Ihr sehr wohl.'' Ich atmete tief ein. ,,Ich werde Euch nicht heiraten.'', wiederholte ich.
Mit einem Mal verfinsterte sich sein Gesicht, das konnte ich selbst in dem schwachen Lichtschein ausmachen. ,,Wie gut, dass Sie nicht gefragt werden.'' Jetzt klang er ganz anders als noch vor ein paar Minuten. Er wirkte komplett verändert. Beinahe jagte er mir Angst ein. Aber nur beinahe.
Ich stolperte einen weiteren Schritt zurück. ,,Das könnt Ihr nicht machen!''
,,Natürlich kann ich. Ich bin der Prinz.''
Ich musste mich zusammenreißen, um ihn nicht laut nachzuäffen. Ich bin der Prinz. Als wäre das ein Freifahrtschein für alles. Obwohl...das war es wahrscheinlich auch.
Ich konnte mir ein abfälliges Schnauben nicht verkneifen und erntete gleich einen mahnenden Blick dafür. ,,Ich würde an Ihrer Stelle auf mein Benehmen achten. Sie verhalten sich inakzeptabel, Lady Lyana.''
Sein ganzes Wesen schien einen Wandel vollzogen zu haben. Auf einmal war er mir unsympathisch. Er benahm sich nun durch und durch wie der arrogante, abgehobene Prinz, den ich mir immer vorgestellt hatte. Am Anfang hielt ich ihn zwar für unverschämt, aber humorvoll und unterhaltsam. Sogar gutherzig wäre ich bereit hinzuzufügen gewesen, schließlich hatte er mich nicht für mein respektloses Verhalten ihm gegenüber bestrafen lassen. Nun aber kam er mir wie ein ganzer anderer Mensch vor. Und diese neue Art von ihm gefiel mir ganz und gar nicht, sie stieß mich regelrecht ab.
,,Wenn Euch mein Benehmen nicht passt, müsst Ihr mich ja nicht zur Frau nehmen.'', entgegnete ich trotzig.
,,Sie können sich noch so sehr aufführen wie Sie wollen, ich habe entschieden.'' Er machte einen Schritt auf mich zu, ein raubtierhaftes Grinsen auf den Lippen. ,,Ich rate Ihnen jedoch sich Ihrem Stand angemessen zu verhalten, andernfalls wird es mir ein Vergnügen sein meine Verlobte höchstpersönlich zu zügeln.'' Er legte den Kopf schief. ,,Und ich bin mir nicht so sicher, ob du das willst.''
Entsetzt schnappte ich nach Luft und suchte in seinem Blick nach einem Anzeichen von Schalk. Irgendetwas das mir zeigte, dass er gerade scherzte. Doch er meinte seine Worte ernst.
,,Ich...'' Ich sah mich nach einem Fluchtweg um. Diese Situation geriet außer Kontrolle. Nicht nur das der König so kurzfristig seine Pläne gewechselt hat, sondern auch die beiden Leibwächter, die anscheinend die ständigen Begleiter des Prinzen waren bereiteten mir bei meiner Mission Probleme. Jetzt wollte der Prinz auch ausgerechnet mich noch in den Bund der Ehe mit ihm zwingen. Das wurde mir langsam alles zu viel. Ich wollte hier weg. So schnell wie möglich.
Ich gab meinem inneren Drang nach und drehte mich schwungvoll um, in dem Bestreben dem Ganzen hier den Rücken zu kehren, kam jedoch nicht weit. Vor mir kreuzten sich zwei Schwerter. Erschrocken machte ich einen Satz nach hinten , wobei ich gegen eine harte Brust stieß und zwei starke Arme sich um mich schlangen, die ein Entkommen unmöglich machten.
,,Bleib schön hier, Prinzessin.'' Ein Schauer durchlief mich, als seine raue Stimme direkt neben meinem Ohr erklang.
Und in dem Moment, verstand ich so einiges. Mir wurde klar, warum er mich als unwissend bezeichnet hatte, warum er mich Prinzessin nannte. Er hatte schon bei unserer ersten Begegnung, unserem ersten Gespräch, festgelegt, das ich seine Zukünftige werden würde.

Lyana- The Story of a QueenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt