20. Kapitel

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Als ich erneut Kleà gegenüber stand, konnte ich nicht anders als Leyon belustigt anzugrinsen. ,,Schon wieder ein Ausritt?''
,,Die Pferde bringen uns nur zu dem Ort, an den wir wollen. Er ist ein wenig...abseits.'', erklärte er und stieg ohne jegliche Scheu, was angesichts des letzten Ereignisses ausgesprochen bewundernswert war, in den Sattel.
Ich tat es ihm gleich und legte neugierig den Kopf schief. ,,An welchen abgelegenen Ort wollen wir denn?''
,,Das ist eine Überraschung.''
,,Und dir geht es wirklich wieder gut?'', hakte ich nach, schließlich war es gerade mal zwei Tage her seit eine leichte Gehirnerschütterung bei ihm diagnostiziert worden war. Das war's aber auch schon. Der Prinz hatte wirklich verdammt viel Glück im Unglück gehabt.
,,Mach die keine Sorgen, mir geht es ausgezeichnet.'', tat er es ab und lächelte dann charmant. ,,Wie sollte es mir in deiner Nähe auch schlecht gehen?''
Ich schaffte es nicht das Lachen, das sich in meiner Kehle anbahnte, zurückzuhalten und lachte schließlich frei heraus. Es war aber auch einfach nur lachhaft mit welcher Ironie man mit dem Wissen wer ich war und warum ich hier war die ständigen Flirts des Prinzen aufnehmen konnte. Ich wurde hier hin geschickt, um für seinen Tod zu sorgen und dann sagte er solche Worte....es war einfach nur zum Lachen.
Fasziniert und mit einem Ausdruck kindlicher Freude beobachtete Leyon mich, ein sanftes Lächeln auf den Lippen.
Langsam beruhigte ich mich wieder und räusperte mich peinlich berührt. ,,Ist etwas?''
,,Du hast gelacht.'', stellte er fest, immer noch freudestrahlend.
Verwirrt sah ich ihn an. ,,Und?''
,,Du hast noch nie bei oder wegen mir gelacht!'' Sein Lächeln nahm einen verträumten Zug an. ,,Dein Lachen ist wunderschön. Du solltest es öfter tun.''
Sofort hatte ich mich wieder im Griff. ,,Danke'', murmelte ich leise und betrachtete ihn dann abwartend. ,,Also, wohin müssen wir?''
Leyon starrte mich noch einen Moment an, bevor er sein Pferd in Richtung Osten wandte. ,,Hier lang.''
Auch dieses Mal verlief der Ritt schweigsam. Irgendwann wurde der Weg steiler und von einer Wiese abgelöst. Auch den Wald ließen wir hinter uns, sodass wir uns nun auf freiem Feld befanden.
,,Ab hier müssen wir zu Fuß weiter.'', teilte er mir mit und glitt vom Pferderücken. Es ihm nachtuend rutschte ich aus dem Sattel, ergriff mit einer Hand die Zügel und kämpfte mich schräg neben ihm den Hang hinauf, bis Leyon den beiden Leibwächtern, die uns auch hier hin gefolgt waren, ein Zeichen gab und sie zu uns aufholten. Sie nahmen uns die Zügel ab und blieben mit den Pferden zurück, während Leyon und ich alleine weiter stiegen.
Das Gelände flachte wieder ab und ich ließ meinen Blick über die Aussicht wandern, die sich mir bot. Erst jetzt erkannte ich, das wir uns auf einer Klippe befanden, deren Abgrund wenige Meter vor uns lag. Der Himmel über uns war wolkenlos, sodass die Sonne ungehindert durchscheinen konnte und uns wärmte. Der Ausblick von dieser Anhöhe war unglaublich. Unter uns erstreckte sich ein dichter Wald, der immer mal wieder von einer kleinen Lichtung durchbrochen wurde und in der Ferne konnte ich den Palast ausmachen.
Ich trat fasziniert ein paar Schritte näher an den Abgrund.
,,Vorsicht'', warnte mich Leyon. ,,Da geht es ganz schön tief runter.''
Ein Gedanke kam mir auf seine Worte hin und abschätzend ließ ich meinen Blick nochmal von ihm zum Ende der Klippe wandern. Es war eigentlich eine perfekte Gelegenheit, die sich mir hier bot. Einen Sturz aus dieser Höhe konnte niemand überleben.
Ich sah zurück zu Leyon, der mit langsamen Schritten näher an den Abgrund trat. Gerade mal ein Meter befand sich zwischen ihm und dem Ende des Felsvorsprungs. Der Wind wehte ihm durch die Haare und brachte sie durcheinander, doch gleichzeitig verlieh es ihm, so wie er da gerade knapp vor dem Rand der Klippe stand, etwas märchenhaftes.
Nur das dieses Märchen kein Happy End haben würde. Jedenfalls nicht für den Prinzen. Für mich, die Rebellen und das Volk schon.
Ich trat näher auf ihn zu, täuschte ein Stolpern vor und streckte mit einem Aufschrei die Arme nach vorne. Leyon konnte nicht schnell genug reagieren, sodass er einen Stoß bekam und über den Rand der Klippe taumelte. Er schrie auf, während er in den Abgrund viel, bis ein dumpfer Aufschlag ertönte und er verstummte. Für immer.
Zögerlich machte ich einen Schritt nach vorne und lugte vorsichtig über den Rand. Ich wollte zwar nur ungern eine zerschmetterte Leiche sehen, aber vergewissern musste ich mich trotzdem. Auch wenn es unmöglich war, dass er überlebt haben könnte.
Und...das konnte jawohl nicht wahr sein!
Anstatt einen völlig missgestalteten Körper zu erblicken, wurde ich Zeuge davon wie der Prinz seelenruhig und putzmunter gerade an das Ufer eines Sees schwamm, dessen glasklares Wasser nun aufgewühlt war und einen Blick auf den sandigen Grund verhinderte.
,,Ehrlich jetzt? Wie viel Glück hat dieser verdammte Prinz eigentlich?'', fluchte ich leise vor mich in. An die beiden heranstürmenden Wachen sagte ich laut, ohne mich zu ihnen umzudrehen: ,,Es geht ihm gut. Da ist ein See.''
Während den beiden die Erleichterung ins Gesicht geschrieben stand, musste ich ein wütendes Zähneknirschen verbergen. Ein weiterer misslungener Mordversuch und das, obwohl ich hier die perfekte Steilvorlage hatte. Verflucht sei der Prinz und sein unermüdliches Glück!
Ich musste mir unbedingt merken nie bei Glücksspielen gegen ihn anzutreten, da konnte man ja nur verlieren.
,,Kommt, Lady Lyana, schnell.'', forderte mich Ferin auf und wir hetzten förmlich zu den Pferden und dann den Abhang wieder herunter. Der andere Leibwächter des Prinzen -Zed- führte uns an und wir erreichten in Rekordzeit den See.
Dort sprangen wir alle gleichzeitig ab, ließen die Pferde stehen und eilten auf den Prinzen zu, der mit ausgestreckten Beinen am Ufer lag.
,,Geht es Euch gut, Eure Hoheit? Seit Ihr verletzt?''
Leyon machte auf Zed's Besorgnis hin eine abwinkende Handbewegung. ,,Mir geht es gut, Zed. Ich habe mich nur erschrocken und kämpf noch ein wenig mit den Nachwirkungen des Schocks, aber sonst ist alles in Ordnung.''
Er schnaufte leicht belustigt. ,,Im Moment haben Stürze es mir wohl angetan.''
Wenn du nur wüsstest.
Mit schuldbewusster Miene senkte ich den Blick. ,,Es tut mir so leid! Das ist meine Schuld! Ich....ich bin gestolpert und hab dich dabei aus Versehen über die Klippe gestoßen....ich wollte das nicht...bitte, verzeih mir...'' Zum Ende hin wurde ich immer leiser.
Leyon's Hand legte sich auf meine und strich beruhigend über sie. ,,Hey, du bist gestolpert, dafür kannst du nichts. Und mir geht es doch gut, es ist nichts passiert. Also mach dir keine Gedanken mehr darüber, lass es uns einfach vergessen und den Rest unseres Ausflugs genießen.''
Ich zog eine Augenbraue hoch. ,,Ich soll vergessen, dass der zukünftige König gerade von einer Klippe gestürzt ist?''
Er grinste leicht. ,,Nun, wenn du es so sagst...Tu mir einen Gefallen und behalte das für dich, sonst wir sich das gesamte Land noch über mich lustig machen.'' ,,Und du würdest auch nicht so gut dabei wegkommen. Pass auf, nicht das man dir noch Absicht unterstellt.'' Er sagte es im Scherz, aber ich konnte nicht darüber lachen. Denn genauso war es doch letztendlich gewesen. Ich hatte ihn nun mal mit Absicht von der Klippe gestoßen, mit seinem Tod als Ziel. Was er wohl dazu sagen würde? Ich werde es wohl nie herausfinden, denn auf die Nase binden werde ich es ihm ganz sicher nicht und solange niemand Verdacht schöpfte, würde auch niemand meine Absichten anzweifeln.
Das einzige was mir bei meinen zwei Mordversuchen also gelungen war, war die Unauffälligkeit, die es wie Unfälle hat aussehen lassen, anstatt wie gezielte Anschläge.
Da ich nicht die erwartete Reaktion zeigte und ihn einfach nur stumm anstarrte, wechselte Leyon das Thema. ,,Wie auch immer, wenn ich eh schon nass bin, können wir auch gleich zusammen baden gehen. Das hatte ich eigentlich sowieso geplant.''
Nicht wirklich begeistert sah ich ihm dabei zu wie er sich aufrappelte und sich die Uniformenjacke von den Schultern streifte. Darunter kam ein ein an seinem Körper klebendes Hemd hervor, das nicht viel Spielraum für Fantasie ließ. Als er nach dem Saum seines Hemdes griff, schaute er mir direkt in die Augen. Meine Augen weiteten sich, während ich das Spiel seiner Muskeln beobachtete, als er sich das Kleidungsstück über den Kopf zog. Ein Wassertropfen rann über seine nackte Brust, über die Andeutung eines Sixpack und verschwand hinter seinem Hosenbund. Mit rötlich gefärbten Wangen wandte ich mich ab, um ihn nicht auch noch dabei anzustarren wie er seinen Gürtel öffnete. Das wäre nur noch peinlicher geworden.
Ich hörte wie der Gürtel zu Boden fiel und kurz danach ein leises Rascheln. Im Stillen betete ich dafür, dass er zumindest die Unterhose anbehielt. Einen Anblick so wie Gott ihn erschuf würde ich nicht verkraften, dessen war ich mir sicher.
,,Worauf wartest du, Lyana?'', vernahm ich seine tiefe Stimme direkt hinter mir. ,,Darauf, dass ich ich dir beim Ausziehen behilflich bin?'' Lange Finger fuhren verführerisch sanft meinen Arm hoch und ließen heiße Schauer durch meinen Körper schießen. Ich erzitterte. An den Stellen über die seine feuchten Fingerspitzen strichen, bildete sich eine Gänsehaut. Sein heißer Atem blies gegen meinen Nacken, während seine Finger behutsam den Stoff an meinen Schultern beiseite strichen und die glatte Haut darunter offenlegten.
Als Leyon langsam begann den Stoff meines Kleides immer weiter runter zu streifen, erwachte ich aus meiner tranceartigen Starre und hielt seine Hände fest. ,,Das kann ich alleine, Leyon.''
Hinter mir atmete Leyon tief durch, als wäre er ebenfalls in eine Trance gefallen und trat einen Schritt zurück. ,,Du hast zum ersten Mal meinen Namen gesagt.'' Seine Augen funkelten mir intensiv entgegen, kaum das ich mich zögerlich zu ihm umgedreht hatte.
,,Das stimmt n-‚'', wollte ich leugnen, doch musste ich zugeben, mich nicht daran erinnern zu können, je seinen Namen gesagt zu haben. Zumindest nicht in seinem Beisein. Ich ging jede Unterhaltung durch, die ich mit ihm geführt hatte, aber tatsächlich hatte ich ihn da nie mit seinem Namen angesprochen. Also tat ich es schulterzuckend ab. ,,Soll ich ihn nochmal sagen?'' Die Frage war nicht ernstgemeint und dennoch glomm ein Funken in seinen Augen auf und er nickte erwartend. Kurz überlegte ich, es jetzt einfach sein zu lassen, aber was war denn schon dabei?
,,Leyon'', nahm ich erneut seinen Namen in den Mund. ,,Drehst du dich bitte um, während ich mich entkleide?'' So kam es zumindest nicht ganz so strange rüber.
Für einen Moment wirkte es so, als würde er noch etwas sagen wollen, doch dann kam er einfach stumm meiner Aufforderung nach.
,,Ihr auch!'', forderte ich unsere Leibgardisten auf, die augenblicklich gehorchten und sich zu den Pferden zurück zogen, um uns Privatsphäre zu lassen.
Während ich aus dem Kleid schlüpfte, behielt ich durchgehend Leyon im Blick. Nicht, dass er noch auf die Idee kam, über die Schulter hinweg zu spicken. Sollte er es doch wagen, würde ich es sofort mitbekommen.
Mitten in der Bewegung hielt ich Inne. Die Narben!, fiel es mir siedend heiß ein. Leyon durfte sie nicht sehen, sie waren so abstoßend. Einfach nur häßlich. Ich wollte nicht, dass er sie sah. Warum ausgerechnet sein Bild von mir mir so wichtig war, wusste ich nicht. Doch es war so.
Ich trug diesmal kein Unterkleid, sondern nur teure Spitzenunterwäsche, weswegen mein Rücken offenlag und freie Sicht auf die langen vernarbten Striemen gab. Die kleineren Naben, die ich mir auf der Straße oder bei den Rebellen in Kämpfen zu gezogen hatte, interessierten mich nicht wirklich, sie fielen größtenteils kaum auf. Nur die an meinem Rücken bereiteten mir Probleme. Ich hasste sie und gleichzeitig überkam mich immer wieder der Scham, wenn sie jemand sah.
Ich dachte darüber nach, mir einfach wieder das Kleid über zuziehen und mich zu weigern und setzte das auch nach kurzer Überlegung in die Tat um. Warum auch immer, wollte ich nicht, dass Leyon mich häßlich fand und das würde er mit Sicherheit, wenn er meinen missgestalteten Rücken sah. Glatte, makellose Haut war da bei mir nunmal kaum vorhanden. Und sein Vater trug mit Schuld daran und auch er würde es bald bei anderen Kindern. Das durfte ich nicht vergessen. Nichtsdestotrotz schämte ich mich für meine Körper. Wenn der Prinz ihn sehen würde, würde er mich nicht mehr wollen. Dann wäre meine Mission gescheitert.
Meine anfänglich gute Stimmung war vorbei, geknickt streifte ich mir das Kleid wieder über. Im Stillen verfluche ich meine Narben, den König und die Männer, die sie mir zugefügt hatten.
,,Was brauchst du denn so lange? Bist du endlich fertig?'' Leyon klang ungeduldig und schielte über die Schulter. Seine Augenbrauen zogen sich verwirrt zusammen, als er meinen Aufzug registrierte. ,,Wieso hast du dein Kleid immer noch an? Ich dachte, du wolltest dich entkleiden?'' Ein verschmitztes Lächeln trat auf seine Lippen. ,,Oder möchtest du doch noch meine Hilfe in Anspruch nehmen?''
Ich überging seinen erneute Flirtversuch, mir war gerade einfach nicht danach zumute. ,,Ich werde nicht mit dir baden gehen.'', teilte ich ihm fest mit. Er zog seine Augenbrauch noch weiter zusammen. ,,Warum nicht? Gerade war doch noch alles in Ordnung.''
,,Ich kann nicht schwimmen.'' Das war nichtmal gelogen. Ich hatte es nie gelernt und es war auch nie wirklich nötig gewesen.
,,Ich bring es dir bei. Komm schon, ich pass auf dich auf.'', versuchte Leyon mich zu überreden, doch ich schüttelte den Kopf. Plötzlich veränderte sich etwas in seinem Blick und er trat mich nicht aus den Augen lassend einen Schritt auf mich zu. ,,Das ist es gar nicht, oder?'', stellte er fest. ,,Du willst dich nur nicht ausziehen.'' Er kam noch etwas näher. ,,Du willst mir deinen Körper nicht zeigen.''
Er lag richtig. Er lag so verdammt richtig. Doch das sagte ich ihm nicht. Musste ich auch gar nicht, Leyon wusste es auch so. Er hatte mich durchschaut. Schneller als mir lieb war.
Ich presste die Lippen zusammen. ,,Und wenn schon, es ist meine Sache.''
Standhaft, fest entschlossen nicht zurückzuweichen, blieb ich mit gerecktem Kinn stehen. Leyon stand nun so dicht vor mir, das ich die einzelnen Wassertropfen, die aus seinem nassen Haar rannen über die einzelnen Poren seiner Haut fließen sehen konnte. Ich folgte einem von ihnen mit den Augen, wie er aus einer Strähne tropfte und sich einen feuchten Weg über seine Schläfe bahnte, bis er sich in langen Wimpern verfing. Jetzt, wo mein Blick einmal auf seine Augen gefallen war, konnte ich mich nicht mehr von ihnen losreißen. Seine in einem dunklen grün strahlenden Irden zogen mich förmlich in ihren Bann. Ich war wie gefangen. Bei näherer Betrachtung fielen mir die kleinen braunen Sprenkel in ihnen auf, die ohne jegliche Systematik um die Pupille kreisten. Sie übten eine nicht greifbare Faszination auf mich aus, die mich alles um uns herum vergessen ließ. Die Realität um mich herum verschwand einfach. Sie war unwichtig. Das einzige was zählte war dieses leuchtende Grün.
Ich bemerkte gar nicht wie wir uns immer näher kamen, wie sich der Abstand zwischen uns noch weiter verringerte. Erst als sich eine kühle Hand an meine Wange legte, kehrte ich mit einem Schlag unsanft in die Realität zurück. Der tranceartige Zustand in dem ich mich gerade noch befunden hatte war weg, stattdessen realisierte ich nun die Situation in der wir uns befanden. Ruckartig machte ich einen Schritt nach hinten und riss mich von seinen faszinierend schönen Augen los. Leyon blinzelte ein paar Mal, bevor er seine Fassung zurück gewann und seine immer noch in der Luft schwebende Hand mit einem schiefen Lächeln sinken ließ.
Als mir bewusst wurde in was für einer Situation wir gerade waren, machte sich ein Gefühl von Überforderung, Scham, Wut und noch etwas anderem, etwas unbekannten, was ich nicht deuten konnte, in mir breit.
Überforderung, weil ich nicht wusste wie wir in so eine eindeutige Lage kommen konnten.
Scham, weil wir uns gerade beinahe geküsst hatten. Es hatten gerade mal zwei verdammte Millimeter gefehlt.
Wut, weil er es gewagt hatte, den Versuch zu starten mich zu küssen, oder war ich das gewesen? Und weil ich zugelassen hatte, dass es soweit kam.
Wie konnte das nur passieren?
Mein Blick fand Leyons, suchte in seinem nach einer Antwort. Doch da war keine, nur eine Spur von Enttäuschung konnte ich finden. Ich runzelte leicht die Stirn. War er etwa enttäuscht darüber, dass der Kuss nicht stattgefunden hatte? Einen anderen Grund konnte ich beim besten Willen nicht finden.
,,Lass uns das einfach vergessen, ja?'', bat ich und versuchte meine durcheinandergeratenen Gedanken wieder zu ordnen.
Leyon's eine Augenbraue wanderte triezend nach oben. ,,Ich soll vergessen, dass gerade beinahe der erste Kuss zwischen mir und meiner Prinzessin gefallen ist?'' Er wiederholte meine Worte von vorhin, nur passend zu einer anderen Situation umgeschrieben.
Meine Mundwinkel zuckten verräterisch in die Höhe. Widerwillig musste ich mir eingestehen, dass mir diese kleinen Neckereien zwischen uns Spaß machten. ,,Nun, wenn du es so sagst.....Tu mir einen Gefallen und behalte das für dich, sonst wird noch das ganze Land über mich tratschen und mich für eine Hure halten'', machte ich mit. ,,Und du würdest auch nicht so gut dabei wegkommen. Pass auf, nicht das man dir noch unterstellt ein draufgängerischer Frauenheld zu sein.'' Ich zog ihn offen auf und hatte sogar Spaß daran. Mir entglitten immer mehr die Zügel über mich, mein Leben und wie es aussah nun auch über meine Handlungen und Gefühle. Irgendetwas lief hier eindeutig schief.
Doch anstatt darauf einzugehen, machte Leyon einen ernsten Gesichtsausdruck und sah mir fest in die Augen, um die Wichtigkeit und Aufrichtigkeit seiner kommenden Worte zu betonen. Er nahm sanft, aber bestimmt mein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und hob es zu sich empor. ,, Lyana, niemand wird dich für eine Hure halten oder dir etwas vorwerfen, wenn wir uns auch auf körperlicher Ebene näher kommen. Ich will nie wieder etwas derartiges von dir hören, verstanden?''
Ich erwiderte seinen Blick genauso fest. ,,Ja.'', presse ich hervor und atmete auf, als er mich nach einem letzten Blick losließ. Seine Nähe löste etwas in mir aus, das mir Angst machte. Ich reagierte auf eine andere Weise auf ihn, als ich sollte. Und das war nicht gut. Ganz und gar nicht gut.

Lyana- The Story of a QueenWhere stories live. Discover now