29. Kapitel

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Als ich aufwachte, merkte ich gleich, dass etwas anders war. Anstatt dem typischen Geruch nach Pferd und frischem Heu in der Nase zu haben, umfing mich der Duft von sanfter Seide, Zitrone, Vanille und einem ganz eigenen herben Männergeruch. Ich vergrub noch halb im Schlaf mein Gesicht in dem weichen Kissen, dass diesen wohltuenden Duft verströmte, während ich mich dichter an die Wärmequelle hinter mir kuschelte. Ein zufriedenes Geräusch ertönte und ich wurde noch enger an den warmen Körper hinter mir gezogen.
Ruckartig riss ich die Augen auf, jegliche Müdigkeit war auf einmal wie weggeblasen. Das hier war nicht der Pferdestall, ich lag nicht im Stroh und der Körper an den ich gedrückt war, war auch nicht der eines Pferdes!
Das konnte nur eines bedeuten: Leyon hatte mich gefunden.
Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, dass ein anderer Mann -die Umrisse des Körpers waren eindeutig männlich- mich in sein Bett verfrachten und mich umarmen würde. Außerdem sprach der Geruch zweifellos für den Prinzen.
Die Erkenntnis trieb mich dazu an, so schnell wie möglich das Weite zu suchen. Ich versuchte aufzustehen, solange der Prinz noch schlief war noch nichts verloren. Noch könnte ich abhauen.
Dieses Unterfangen stellte sich jedoch als schwieriger heraus als angenommen. Leyon hatte mich nämlich selbst im Schlaf so fest im Griff, als würde er befürchten, ich könnte ihm erneut davonrennen. Unter anderen Umständen hätte ich es sicherlich als süß empfunden, wie er sich an mich klammert, so als wäre ich sein wertvollster Besitz den er zu jeder Zeit und vor allem und jeden beschützen muss. Doch im Moment kam es mir nur einengend und dreist vor. Auch wenn er der Prinz war, hatte er nicht das Recht mich erst gegen meinen Willen vollständig zu entkleiden und dann meinen Wunsch nach Abstand nicht zu respektieren und mich in seinem Bett festzuhalten. Denn das das sein Bett war, ließ sich schnell feststellen.
Das Schlafgemach in dem ich mich befand war mir fremd, ich hatte es noch nie zuvor gesehen. Der Raum war sogar noch größer als meiner und nur mit dem Edelsten vom Edelsten ausgestattet. Es war in viel dunkleren Farben als meines gehalten worden. Schwarz und Gold waren hier die dominierenden Farben. Eigentlich gefiel es mir sogar. Vor allem das Bett fand ich noch ein wenig weicher als meines, obwohl ich das kaum für möglich gehalten hatte.
Jedoch blieb mir keine Zeit, um Leyon's Schlafzimmer einen ausführlicheren Blick zu widmen, denn ich wollte schnellstmöglich hier weg.
Bei einer genaueren Sondierung der Lage, wurde mir bewusst, dass das wirklich nicht ganz so einfach werden würde wie zuerst angenommen. Leyon hatte nicht nur beide Arme um meinen Oberkörper geschlungen und mich fest an seine Brust gepresst, sondern auch das Gewicht eines seiner Beine lastete doch recht schwer auf meinen. Ich konnte mich kaum bewegen. Meine Arme wurden von der Umklammerung des Prinzen an meinen Oberkörper gedrückt und die Bewegungsfreiheit meiner Beine wurde von Leyons, das sich über meine gelegt hatte, eingeschränkt.
Trotzdem begann ich zu zappeln und versuchte mich erfolglos zu befreien. Es war nicht überraschend, dass Leyon davon wach wurde. Ich hatte es schließlich auch ein wenig darauf angelegt. Wenn der Prinz mich schon nicht im Schlaf freigab, dann vielleicht wenn er sich im Wachzustand befand. Für immer festhalten konnte er mich schließlich nicht.
Tatsächlich ließ Leyon mich los, jedoch nur um die Position zu verändern. Er drehte uns so, dass ich nun auf dem Rücken lag, während er über mir aufragte. Um eine Gegenwehr meinerseits zu verhindern, drückte er meine Handgelenke neben meinen Kopf in die weiche Matratze.
Ich war hin und hergerissen zwischen Wut und Scham. Unentschlossen, ob ich ihn anschreien oder weinen sollte. Ich kniff fest die Augen zusammen, um ihm nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Jedenfalls nicht solange, bis nicht eine der in mir kämpfenden Emotionen die Überhand gewonnen hatte.
,,Lyana...sieh mich an'' Leyon's Stimme klang samtweich, dennoch lag ein bestimmender Ton in ihr. ,,Bitte. Lass uns darüber reden.''
,,Ich will nicht mit dir reden! Nie mehr!'', zischte ich und es war mir egal, dass ich damit mein Schweigen gebrochen hatte. Meine Stimme vibrierte vor unterdrückten Gefühlen, die ausbrechen wollten wie Verbrecher aus ihren Zellen.
Nun öffnete ich doch meine Augen, sah ihm direkt in seine. ,,Ich hasse dich, Leyon Daren!''
Seine Auge verdunkelten sich. Der tiefe Schmerz, der bei diesen Worten in ihnen erschienen war, ließ mich sie am liebsten zurückziehen wollen, doch das erlaubte mein übriggebliebener Stolz nicht. Ein kleiner Teil in mir empfand bei diesem unendlichen Schmerz in seinen Augen große Schadenfreude, war es doch derselbe Ausdruck, den ich und so viele andere unser Leben lang mit sich trugen. Bei uns hatte es nie jemanden gekümmert, warum also sollte ich mich jetzt für den des Prinzen interessieren? Es verschaffte mir Genugtuung.
Doch ein anderer Teil von mir, ein wesentlich größerer, litt mit ihm. Bereute es ihn verletzt zu haben, wusste ich doch im Herzen, dass es eine Lüge gewesen war. Ich konnte Leyon nicht mehr hassen, egal wie sehr ich es wollte. Es ging einfach nicht mehr.
Um eine kühle, undurchdringliche Fassade bemüht, erwiderte ich stur seinen eindringlichen Blick, der sich in mich brannte wie heiße Flammen durch ein Stück Holz.
,,Das tust du nicht. Du hasst mich nicht, Lyana.'' Obwohl der Prinz sich anstrengte fest und sicher zu klingen, konnte ich die alles verzehrenden Zweifel von seiner Miene ablesen. Leyon hatte jegliche Masken abgesetzt. Präsentierte sich mir offen, schutzlos und mit ungebrochenem Vertrauen. Wie schnell dieses wohl verschwunden sein würde, wenn er erstmal erfuhr, wer ich wirklich war? Ich verdiente sein Vertrauen nicht, hatte es schon viel zu oft ausgenutzt. Wenn Leyon die Wahrheit über meine Identität herausfand, würde er mich hassen. Da machte ich mir nichts vor. Es war besser jetzt einen Schlussstrich zu ziehen und eine emotionale Distanz, negative Gefühle zwischen uns heraufzubeschwören, bevor es am Ende für uns beide nur noch schmerzhafter werden würde, wenn das falsche Spiel aufgeflogen war.
,,Doch. Ich hasse dich, Leyon. Ich hasse dich so sehr.'', wiederholte ich kalt, während mir Tränen der Verzweiflung in die Augen traten. Wütend darüber, blinzelte ich sie weg. Ich war eine Rebellin, ich durfte mir keine Schwäche erlauben.
,,Nein'' Diesmal zitterte die von Zweifeln geplagte Stimme des Prinzen. Trotzdem schien er die Hoffnung nicht aufgeben zu wollen. Es zerriss mich innerlich, ihm dieses Leid bescheren zu müssen, aber es war besser so. Lieber jetzt, als später, wenn es zu spät war. Ein gebrochenes Herz heilte schneller, als ein vollständig zerstörtes.
,,Akzeptier es einfach, Leyon.'' Ich zwang mir weiter einen emotionslosen Gesichtsausdruck auf, es fiel mir immer schwerer ihn zu halten. ,,Ich hasse dich. Verabscheue dich sogar.''
Ich konnte förmlich dabei zu sehen wie sein Herz Stück für Stück brach. Auch in meinem spürte ich überdeutlich den dicken Riss, der es zerteilte und mir eine ganz neue Art von Schmerz bereitete. Ich hatte geglaubt, ich hatte jeden Schmerz erfahren. So oft hatte ich sowohl körperlichen als auch seelischen Schmerz zu spüren bekommen, dachte es gäbe nichts schlimmeres mehr. Ich hatte mich geirrt. Herzschmerz war eine ganz andere Art von Schmerz, die jedoch nicht minder weht tat als Peitschenhiebe, Messerstiche und grausame Worte.
Als mich etwas nasses traf, hob ich den Blick, der zuvor nahezu automatisch gesunken war, da sein verletzter Anblick meinen inneren Schmerz nur noch weiter verstärkte. Meine Augen weiteten sich, voller Unglauben über den glasigen Schleier, der das wunderschöne Grün seiner Augen trüb färbte. Geschockt verfolgte ich die salzige Flüssigkeit, die sich in Form von dicken Tränen einen feuchten Weg über seine Wangen bahnte. Ich zuckte zusammen als hätte man mich geschlagen, während eine weitere Träne auf meinem Gesicht landete. Leyon weinte.
Der stolze Prinz, der zukünftige König von Crowen, weinte. Vor mir. Wegen mir.
Ich konnte es nicht fassen. Er versteckte es nichtmal, verbarg den tiefen Schmerz, den ich ihm zugefügt hatte nicht. Leyon zeigte mir seine Schwäche, ließ zu, dass ich ihm das unsichtbare Messer noch weiter ins Herz rammen könnte. Er offenbarte sich mir vollständig, legte mir seine Gefühlswelt offen dar. Ich konnte neben dem unendlichen Schmerz, ein wenig Wut, Schuld, Selbsthass und Reue sehen, aber alles wurde überlagert von tiefer Liebe. Egal, was ich sagte oder tat, egal wie sehr ich ihn verletzte, Leyon liebte mich. Diese Erkenntnis riss mir den letzten Halt weg, ich konnte meine eigenen Tränen nicht mehr zurückhalten. Sofort verschleierten sie mir die Sicht. Ich schloss die Augen, wünschte mir es könnte anders sein. Die Tränen lösten sich unter meinen Wimpern und kullerten ungehindert über mein Gesicht. Es interessierte mich nicht. Ich war mit ganz anderen Gedanken beschäftigt. Es war das Richtige, redete ich mir ein, doch langsam fing ich an mir selber nicht mehr zu glauben. War es das wirklich?
Doch. Wie lange Leyon mich wohl noch lieben würde, wenn er erstmal mein Geheimnis erfahren hatte? Dann war es so oder so vorbei. Vielleicht war es egoistisch, doch ich hatte schon so viel Leid und Schmerz erfahren, war es mir da nicht gestattet, mir einmal noch größeren Schmerz zu ersparen? Noch hatte ich mein Herz nicht richtig verschenkt, aber ich wusste, dass ich auf dem besten Weg dahin war. Das schmerzhafte Stechen in meiner Brust bestätigte es mir nur nochmal.
Ich wurde durch einen leichten Druck auf meinen Mund aus meinen Gedanken gerissen. Etwas weiches hatte sich auf ihn gelegt. Leyon hatte die Augen geschlossen und küsste mich, innig und sanft. Die nasse Tränenspur war noch deutlich in seinem auch jetzt noch unglaublich schönen Gesicht zu sehen und sein Körper bebte leicht. Doch seine Lippen liebkosten meine mit einer Zärtlichkeit, die mir eine Gänsehaut verschaffte. Er küsste mich immer noch so als wäre ich das Kostbarste auf dieser Welt für ihn, und das, obwohl ihm ein ganzes Reich voller wertvoller Güter und teurer Schätze gehörte. Der Schmerz in meinem Herzen ließ ein wenig nach, sein weicher Mund küsste ihn einfach weg. Ich konnte nicht mehr, gab nach. Gierig, voller unerfüllter Sehnsucht, erwiderte ich den Druck seiner Lippen, gerade als er sich traurig zurückziehen wollte. Für einen Moment stockte Leyon überrascht, dann begannen seine Lippen sich mit dem gleichen sehnsüchtigen Hunger auf meinen zu bewegen. Wir waren beide ausgehungert, die Leidenschaft entfachte wie ein Feuer zwischen uns. Er drückte mich stärker in die Matratze, während seine Hände sich mit meinen verschränkten. Seine Zungenspitze strich erst liebevoll über meine Lippen, bevor er mit ihr fordernd gegen sie stieß. Bereitwillig öffnete ich meinen Mund ein wenig, hieß ihn Willkommen. Uns beiden entfuhr ein Stöhnen, als unsere Zungen aufeinander trafen. Hungrig eroberte er meinen Mund, erkundete jeden Winkel meiner Mundhöhle. Mein Verstand hatte sich schon längst ausgeschaltet, er war das Einzige, was zählte. Mit geschlossenen Augen gab ich mich ihm hin. Genoss seine Inbesitznahme regelrecht.
Fast wäre mir ein enttäuschtes Seufzen entwichen, als Leyon sich ein wenig zurückzog und sein Mund nun dicht über meinem schwebte, ihn aber nicht berührte. Verwirrt sah ich ihn an. Heißer Atem prallte gegen meinen Mund, der immer noch von dem Gefühl seiner Lippen auf meinen prickelte.
,,Lyana'', raunte er. Seine Stimme klang rau, dunkel, aber auch irgendwie erleichtert. ,,Du hasst mich nicht.'' Diesmal war es eine reine Feststellung. Natürlich, würde ich ihn wirklich hassen oder gar verabscheuen, hätte ich nie den Kuss erwidert. Selbst wenn es keine Liebe wäre, die ich für ihn empfände, so war es doch gerade die Bestätigung, dass es auf keinen Fall Hass oder Abscheu sein konnte. Was hatte es jetzt noch für einen Sinn zu lügen?
,,Stimmt, du hast Recht. Ich hasse dich nicht, Leyon.'', flüsterte ich. Eine plötzliche Müdigkeit suchte mich Heim. Ich war es so leid, ich war das alles hier so leid.
Das Funkeln kehrte in die Augen des Prinzen zurück, der Schmerz verschwand. Beinahe machte es mich neidisch. Während bei ihm das Leid und der Schmerz innerhalb von Sekunden wieder fort sein konnten, würden sie bei mir und so vielen anderen für immer bleiben.
,,Wieso hast du es dann gesagt?'' Durchdringend starrte er mich an, suchte in meinen Augen nach Antworten, die ich ihm nicht geben konnte. ,,Wieso lügst du, Lyana?''
,,Ich...'' Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Was die richtige Antwort war. Mein Kopf schien wie leergefegt. Eine Ausrede oder eine geschickte Halbwahrheit musste her, doch mir fiel beim besten Willen nichts ein.
,,Warum lügst du mich an, Lyana?'', wiederholte der Prinz ruhig, dennoch schwang ein verletzter Unterton in seinen Worten mit. ,,Jetzt noch?''
Ich runzelte leicht die Stirn, zog die Augenbrauen zusammen, in dem Versuch die tiefgründigere Aussage hinter seinen Worten zu verstehen. Mir kam es nämlich so vor, als würde er sich gerade nicht nur meine verletzenden Worte von gerade eben beziehen. Aber was konnte es sonst sein, auf das er anspielte? Leyon konnte meine Identität noch nicht aufgedeckt haben, denn dann würde sein Verhalten ganz anders sein. Dann würde ich schon längst in einer Zelle schmoren und auf meine Hinrichtung warten.
,,Ich...'', fing ich unsicher wieder an, bevor ich mich zusammen riss. Diese Unsicherheit war doch lächerlich! So war ich nicht und so würde ich ganz sicher jetzt auch nicht anfangen. Also hob ich ein wenig das Kinn und sammelte mich für meine nächsten Worte. Den Scham verdrängte ich entschlossen, stattdessen ließ ich meine Wut zu. ,,Was fällt dir eigentlich ein, mich gegen meinen Willen zu entblößen und dir dann auch noch das Recht herauszunehmen mich nach so einer beschämenden Nummer in deinem Bett festzuhalten?'', fuhr ich ihn an.
Leyon zuckte bei meinem harschen Tonfall kurz zusammen, fasste sich aber schnell. Ein reuevoller Aausdruck lag in seinen Augen und konkurrierte mit Wut und Hass, bei denen ich mir aber merkwürdigerweise sicher war, dass sie nicht gegen mich gerichtet waren. Zumindest der Hass nicht.
,,Es tut mir wirklich unendlich leid, Lyana. Das musst du mir glauben.'', beteuerte der Prinz und schaute mich so entschuldigend und niedergeschlagen an, dass meine Wut auf einen Schlag verpuffte.
,,Muss ich das?'', hakte ich trotzdem mit kühler Miene nach.
,,Ja. Bitte. Ich- ich war in diesem Moment einfach nur so unglaublich wütend darüber, dass dir so viel Leid und Schmerz zugefügt wurde und ich es nicht verhindern konnte....Ich wollte sie sehen, sie anfassen. Diese Zeichen deiner Stärke.''
Ich schnaubte verächtlich. ,,Zeichen meiner Stärke? Wohl eher Zeichen meiner Schwäche und meines Schmerzes.'' Zeichen der Ungerechtigkeit, hätte ich am liebsten noch hinten drangehangen, doch wagte es nicht dem zukünftigen König gegenüber solch rebellische, an Verrat grenzende Worte auszusprechen.
,,Nein, Lyana. Sie mögen dich an unfassbare Schmerzen erinnern und mit deinem Leid in Verbindung gebracht werden, doch letztendlich sind es Zeichen deiner Stärke. Du hast so viel erlitten, so viel aushalten müssen und bist dennoch daran nicht Zugrunde gegangen. Du hast weiter gekämpft, hast nicht aufgegeben, wie es so viele andere getan hätten. Diese Narben erzählen deine Geschichte von einem schweren Kampf ums Überleben und zeigen, dass du ihn gewonnen hast. Du bist unglaublich stark, Lyana. Vermutlich der stärkste Mensch, den ich je kennengelernt habe.'' Sein Blick sprach von so viel Liebe, dass mir warm ums Herz wurde und Tränen flossen. Ich konnte ein Schluchzen nicht mehr unterdrücken. Es war als wäre ein Bann gebrochen. Unaufhaltsam strömten mir die Tränen übers Gesicht, während mein Körper von lauten Schluchzern geschüttelt wurde. Ich weinte. Vor Leyon. Zum Teil auch wegen ihm und seinen Worten. Es war mir egal, dass ich ihm gerade meine Schwäche offenlegte. Ich weinte einfach. Richtig und ohne jegliche Hemmungen. Zum ersten Mal wieder seit einer Ewigkeit. All das, was sich über die Jahre hinweg angestaut hatte, brach nun aus mir heraus.
Leyon ließ mich los und stieg von mir runter. Nur um sich an das obere Bettgestell zu lehnen und mich auf seinen Schoß in seine Arme zu ziehen. Schluchzend presste ich mich an ihn, vergrub mein Gesicht an seiner Brust. Meine Finger krallten sich haltsuchend in den teuren Stoff seines Oberteils. Falls es ihn störte oder weh tat, sagte er nichts dazu. Still hielt er mich fest, spendete mir stumm den Trost und die Nähe, die ich gerade mehr als alles andere brauchte. Nach einer Weile begannen seine Finger auf meinem Rücken kleine Kreise zu ziehen, die sich in gleichmäßigen Bewegungen ausweiteten. Es war beruhigend.
Irgendwann verebte mein Schluchzen, das Beben meines Körpers ließ nach und ich weinte nur noch leise vor mich hin, bis auch die letzte Träne versiegte. Erschöpft schloss ich die Augen und entspannte meinen Körper in den Armen des Prinzen, der mich die ganze Zeit über eng an ihn gedrückt hatte. Auch jetzt schien Leyon mich nicht loslassen zu wollen. Und ich wollte, wenn ich ehrlich war, auch gar nicht, dass er mich losließ. Zu schön war das Gefühl von ihm gehalten zu werden. Langsam aber sicher entglitt ich der Realität und versank im Schlaf.
,,Meine kleine Rebellin,'', murmelte Leyon in mein Haar, doch ich war schon längst nicht mehr in der Lage seine Worte richtig wahrzunehmen. ,,So stark und unbezwingbar und  doch so verletzlich und gebrochen.''
Er hauchte mir einen zarten Kuss aufs Haar. ,,Keine Sorge, jetzt bin ich da und ich werde nicht zulassen, dass dir jemals wieder Leid geschieht. Du wirst endlich das Leben bekommen, das du verdienst. Als Königin an meiner Seite. Ich liebe dich so sehr, meine kleine Rebellin.''

Lyana- The Story of a QueenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt