Kapitel 9

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( M e l o d y )

Dass Silas De Clare etwas über mich wusste, was sonst niemand wusste, machte die Situation noch viel schlimmer. Es gab mir das Gefühl, dass er nun das bekommen hatte, was er von mir wollte: Er besaß einen Teil von mir. Egal, wie sehr ich mich dagegen gewehrt habe, er hat es trotzdem geschafft. Ich fühlte mich nackt und unsicher, wusste nicht ob er nicht schon der halben Schule davon erzählt hatte. 

Ein dumpfes Gefühl breitete sich in meinem Magen aus und ich schob meinen Teller samt Frühstück zur Seite. 

Wenigstens ließ er mich in den darauffolgenden Tagen in Ruhe. Er schrieb mir nur eine Nachricht, in der er mich daran erinnerte, die Salbe aufzutragen.  Ich antwortete ihm nicht, doch ich tat es und die Salbe half ziemlich gut. Auch der Schmerz verblasste, was mir für einen Moment ein wehmütiges Gefühl gab. Worauf sollte ich mich jetzt konzentrieren?

"Hast du keinen Hunger?", wunderte sich Maria und die Blicke der anderen richteten sich auf mich. "Nicht wirklich", antwortete ich, drauf und dran mich mit einem Ellenbogen abzustützen, doch das schickte sich nicht. 

"Irgendwas ist los, du bist so ruhig in den letzten Tagen", warf Leonora ein und prompt fühlte ich mich wie im Scheinwerferlicht. 

Ich konnte nicht anders, als unaufhörlich über die Situation nachzudenken, fühlte mich wie gefangen und rechnete jeden Moment damit, dass Silas um die Ecke kam und sich etwas Neues für mich ausdachte. 

"Ihr habt recht", begann ich seufzend. Dann erzählte ich ihnen, ich hätte mich mit meinen Eltern gestritten, was keine Lüge war. Ich sparte lediglich den Teil aus, in dem mein Vater in die Geschäfte von den De Clares verwickelt war und keine andere Möglichkeit sah, als seine Tochter an den Teufel zu verkaufen. 

"Oh Süße, das tut mir Leid" Emma nahm meine Hand in ihre, ihr sanfter Blick fand meinen. "Wenn du am Wochenende bei mir übernachten möchtest, dann kannst du immer gerne vorbeikommen" Ich lächelte matt. "Danke, das weiß ich zu schätzen"

Wie gerne ich bei ihr übernachtet hätte und so getan hätte, als wäre nichts. Doch das ging nicht, denn Silas De Clare würde am Samstag vorbeikommen und die Vorbereitungen liefen vermutlich jetzt schon auf Hochtouren. 

~

( S i l a s )

Sein Fahrer hielt vor dem kleinen Haus am Stadtrand von London. Noch nie zuvor war er in dieser Gegend gewesen, wusste nicht einmal dass sie existierte. 

Ein blinkendes Schild am Ende der Straße zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Ein Kiosk, der in den buntesten Farben leuchtete und Werbung für so viele Dinge machte, von denen er sich sicher war, dass ein Kiosk so etwas nicht verkaufen sollte. 

Durch das Tor ging er auf die Treppen zu und klingelte an der Tür. Er konnte Claire Thompson hören, die vermutlich schon einige Zeit hinter der Tür stand und auf ihn gewartet hatte. 

Die Familie Thompson war all das, was er hasste. 

Sie taten alles, um aufzusteigen, um in der Gunst von Familien wie seiner zu stehen. Harry Thompson schreckte nicht einmal davor zurück, seine Tochter an jemanden wie ihn zu geben. 

Und dann erklärte er ihr nicht einmal, worum es dabei ging. Was das für sie zu bedeuten hatte. 

Heute Abend würde er diese Farce mitspielen. 

Claire Thompson öffnete die Tür und empfing ihn mit einer so überdrehten Stimmlage, dass er sie wohl für immer in seinen Ohren hören würde. Er reichte ihr den Blumenstrauß, den er ihr mitgebracht hatte. Ihre Augen wurden groß. 

Secrets of London I Dark Romance / AbgeschlossenWhere stories live. Discover now