Kapitel 18

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( M e l o d y )

Eine Weile liefen wir stumm nebeneinander her. Es war nicht unangenehm, denn jeder von uns betrachtete auf seine Weise die Stadt, genoss die Herbstsonne und war in seine eigenen Gedanken vertieft. 

Von weitem war ein Boot zu sehen, welches die erste Schiffsrundfahrt des Tages startete. Es waren nur wenige Menschen auf dem Deck, die alles um sie herum fotografierten. 

Ich schmunzelte, blieb automatisch stehen und lehnte mich gegen das Geländer, um sie zu beobachten. Viele Einwohner Londons waren genervt von dem Tourismus, doch ich liebte es. Es motivierte mich, meine eigene Heimatstadt wieder mit anderen Augen zu sehen. 

Und es erfüllte mich mit stolz, dass Menschen aus anderen Ländern, manche sogar von anderen Kontinenten, extra hergereist waren, um das zu sehen, was unsere Augen jeden Tag erblicken konnten. 

Silas lehnte sich neben mir an das Geländer, folgte meinem Blick.  

Das Boot fuhr an uns vorbei und ein kleiner Junge winkte uns zu. Ich zögerte nicht, ihm fröhlich zurückzuwinken, als ich ein Schnauben neben mir vernahm. 

Fragend sah ich zu Silas, der nach unten auf seine Hände schaute. Ich gab einen fragenden Laut von mir, der ihn zu mir sehen ließ. 

"War mir irgendwie klar, dass du den Booten winkst", erklärte er in einem belustigten Ton. 

"Ich winke nicht den Booten, ich winke den Menschen, die sich darüber freuen", erklärte ich und schaute dem Boot hinterher. Es ärgerte mich, dass Silas sich darüber lustig machte. 

"Du hast sicher ihr Leben bereichert", murmelte er und drehte sich weg. 

Diesmal schnaubte ich. "Gott, du tust mir Leid", knurrte ich, mein Blick immer noch auf das Boot gerichtet. 

Plötzlich stand er hinter mir, ich drehte mich automatisch um und seine Hände fanden das Geländer links und rechts von mir. 

Er fixierte mich und stand so nah vor mir, dass ich zu ihm aufsehen musste. 

"ICH tue dir Leid?", fragte er mit zusammengekniffenen Augen. 

Mein Herz schlug doppelt so schnell, doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Auch wenn Silas mir ein unangenehmes Gefühl vermittelte, seine Launen undurchdringlich schienen, hatte ich durch die letzten Tage ein fragiles Gefühl von Sicherheit bekommen. 

"Ja", antwortete ich mit fester Stimme, "Du hast diesen Drang, immer alles kaputt reden zu müssen und das tut mir wirklich Leid für dich"

Silas sagte nichts. Seine Augen klebten auf meinen und ließen mich immer kleiner fühlen. Er blinzelte nicht, seine Augen zuckten nicht einmal. 

Aus dem Augenwinkel vernahm ich, wie er das Geländer fester umklammerte, hatte das Gefühl sein Kopf wäre mir um wenige Millimeter näher gekommen. 

"Na das ist wohl gefundenes Fressen für dich. So kannst du dich immer schön in deiner Opferrolle wiegen", antwortete er ohne seine Miene zu verziehen. 

"Natürlich", antwortete ich entnervt und atmete tief ein. Er schoss zurück, so wie er es immer tat. 

Silas löste seine rechte Hand vom Geländer und legte mir zwei seiner Finger unter das Kinn. 

"Was, willst du mich jetzt wieder küssen?", knurrte ich und verschränkte die Arme vor der Brust, um etwas Abstand zu gewinnen. 

Anders als erwartet erhellte sich Silas Miene. Ich zog die Augenbrauen zusammen, versuchte sein Gesicht zu lesen, doch das war wie immer unmöglich. 

Secrets of London I Dark Romance / AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt