Kapitel 92

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( S i l a s )

Sie waren dort, wo alles begonnen hatte. 

Silas ließ das Anwesen seiner Eltern für einen langen Winterschlaf vorbereiten. Seine Eltern würden nicht zurückkommen und das war die richtige Entscheidung für alle. 

Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er darüber nachgedacht, dass auch sie keine Wahl gehabt hatten, besonders nicht seine Mutter. 

Der Groll, den er gegen sie spürte, war kleiner geworden. Besonders seinem Vater gegenüber hatte er einen Hass verspürt, der jenseits von Gut und Böse war. Für ihn war er der Ursprung seines beschissenen Lebens gewesen. 

In den vergangenen Monaten jedoch hatte er die Nächte sinnvoll genutzt und Juris Villa durchsucht. Er fand Dokumente, die ihm deutlich machten, dass auch seine Eltern keine Wahl gehabt hatten. 

Sie waren alle nur beschissene Marionetten. 

Vermutlich würde sich ihr Verhältnis nie richtig verändern, aber durch den Abstand wurde es trotzdem besser. 

"Also dann...", hörte er die vertraute Stimme seines besten Freundes hinter sich. Er zog das letzte mal an seiner Zigarette, warf sie von dem Balkon, auf dem er stand - und auf dem Melody seinen Geburtstag beobachtet hatte, als sie zum ersten Mal seine Welt betreten hatte. 

Er drehte sich zu Saint, sah die gepackte Tasche in seiner Hand. 

"Du willst wirklich weg?", fragte er und konnte den verbitterten Ton nicht verbergen. Saint war sein Bruder und sein Schatten. Er war ein Teil von ihm. 

Saint stellte sich zu ihm, hielt sich an dem Geländer fest und blickte über das riesige Anwesen. "Ich muss", seufzte er. "Ich werde zu Emma und Oliver fliegen und ihnen beim Aufbau deiner Stiftung helfen" 

Silas nickte, Stille kehrte ein. 

"Ich muss ein bisschen Abstand gewinnen, aber ich kriege das schon hin", fügte er an und Silas wusste, dass er Abstand von Melody und ihm brauchte. 

Saint hatte Gefühle für sie. 

In einer anderen Zeit, in der nicht so viel passiert wäre, hätte Silas sich vermutlich provoziert gefühlt. Saint und er hätten sich geprügelt, er hätte ihm gesagt, dass sie ihm gehörte und jeden seiner Schritte im Blick behalten. 

Doch in dieser Zeit war alles anders. Er wollte etwas sagen, doch Saint kam ihm zuvor. 

"Ich hätte das niemals gemacht, weißt du...", begann er und seufzte. "Egal, was ich fühle, sie gibt dir einen Sinn zum Leben, ich meine ein richtiges Leben ohne den ganzen Scheiß. Den hätte ich dir niemals genommen"

Silas schnaubte. "Dazu wärst du auch gar nicht in der Lage gewesen"

Beide sahen sich an und grinsten. "Fick dich"

Saint schaute erneut auf den Garten, erinnerte sich daran, wie sie als Kinder zwischen den Blumenbeeten gespielt hatten, glücklich eine so intensive Freundschaft führen zu können. Es war das, wovon jedes Kind geträumt hatte: Ständige Übernachtungspartys mit dem besten Freund. 

Bis ihnen klar wurde, dass Saint zu seinem Schatten ausgebildet wurde. Auch wenn Silas es nie so bezeichnet hatte: Saint war da, um für Silas zu sterben. 

"Tut mir Leid, dass ich vor deinem großen Gespräch gehe", seufzte er und holte die Zigarettenschachtel aus seiner Jacke. 

Silas winkte ab. "Macht nichts, das wird von alleine laufen. Sie haben keine andere Wahl, als mich gehen zu lassen"

Er hatte an alles gedacht. Die Dokumente, Fotos und Videos, die er gesammelt hatte, boten keinen Platz für Verhandlungen. 

Silas würde sich für immer von seinem Job für dieses wahnsinnige Land verabschieden und dafür Sorgen, dass niemand seinen Platz einnahm. 

Secrets of London I Dark Romance / AbgeschlossenWhere stories live. Discover now