*(51) Davonlaufen*

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Du weißt, dass er für dich da ist. Trotzdem läufst du vor deinen Problemen davon.

~~~

Uns beiden war klar, dass Damian mir etwas verschwieg. Seine Aktion, mich vor dem Laden auf ihn warten zu lassen, weil er an den Arsch der Welt gegangen war, um zu pinkeln, war erst der Anfang seines seltsamen Verhaltens gewesen.

Seitdem waren elf Tage vergangen. Trotzdem kam es mir wie eine Ewigkeit vor, seit wir zusammen Zeit verbracht hatten. Er begleitete mich nach der Schule immer nachhause, trug meinen Rucksack bis zur Tür und verabschiedete sich dann. Ich wusste nicht wieso er das tat und genausowenig, wie ich damit umgehen sollte.

Das Wochenende verbrachte ich mit Finn auf der Rennstrecke. Finn sprach von guten alten Zeiten, während er insgeheim an Nick dachte und ich an Damian.

Ich hatte beschlossen, geduldig mit ihm zu sein. Er würde sich mir öffnen, wenn er bereit war, darüber zu reden, was ihn beschäftigte. 

Solange er sich nicht wieder verschanzte, stand ihm etwas Freiraum zu.

Am Freitag nach der Schule fragte er mich, ob ich mit zu ihm kommen wollte. Ohne zu zögern stimmte ich zu. Ich wollte Zeit mit ihm verbringen. Ihm nahe sein.

Meine Tante würde ohnehin erst am Abend nachhause kommen. Ich könnte vom Erdboden verschluckt werden und zuhause würde es erst auffallen, wenn ich bereits verdaut worden war.

Als wir nebeneinander herschlenderten, nahm Damian meine Hand und drückte einen Kuss auf meinen Handrücken, ehe er sie zwischen uns vor und zurück schwingen ließ.

Er wirkte wieder so nachdenklich... So als würde er innerlich mit sich selbst diskutieren. Schon vom Zuschauen wurde mir dabei fast schwindelig.

"Du starrst mich an, Marlon." Damian sah zu mir, mit einem leichten Lächeln.

"Ich bin obsessiv", behauptete ich.

Er grinste bloß.

"Und ich mache mir sorgen." Es hatte keinen Sinn, ihm etwas vorzumachen. Er roch es doch sowieso. "Du wirkst so als würde dich etwas beschäftigen."

Sein Lächeln verblasste nicht. Er umschloss meine Hand fester und meinte: "Ich habe eine Überraschung für dich."

Dass er versuchte, das Thema zu wechseln war klar. Wenigstens log er mich nicht an.

"Du kannst mit mir über alles reden. Das weißt du, oder?"

Er nickte, begleitet von einem leichten Seufzen. "Ich muss mich noch sortieren. Dann erzähle ich es dir."

Ich lächelte, um ihm klarzumachen, dass ich damit einverstanden war.

Damian war sein Leben lang alleine gewesen. Es musste ungewohnt für ihn sein, jemanden zu haben, der sich wirklich für seine Probleme interessierte. Schon klar, dass er sich nicht einfach so öffnen konnte. Sowas musste man lernen. Am besten Schritt für Schritt.

Dass er zugegeben hatte, dass da etwas war, worüber er sich den Kopf zerbrach, war, fand ich, ein guter Anfang.

Auf dem Weg zu Damian nachhause lächelte er mich noch ein paar Mal an. Ich erwiderte es, zufrieden damit, dass wir zumindest darüber geredet hatten, dass er mit mir reden konnte.

Als wir in seine Straße bogen, erkannte ich das Auto, dass mich immer mal wieder morgens für die Schule abgeholt hatte, im Hof stehen.

"Ist Nick da?"

Damian folgte meinem Blick zu dem Wagen und zog die Augenbrauen hoch. "Scheint so."

Ich vertraute darauf, dass Damian mich sicher zu seinem Haus bringen würde und schaute auf mein Handy. Finn hatte mir nicht geschrieben. Dass Nick sich bei ihm gemeldet hatte, war also unwahrscheinlich.

"Was glaubst du würde Nick mehr zu denken geben?", fragte ich Damian. "Wenn ich ihm klarmache, dass er scheiße ist oder wenn ich ihn nur böse anschaue und ansonsten ignoriere?"

"Klingt beides sexy."

Ich tat so als würde es mich nerven, wie schmutzig er mich angrinste. Dabei war ich alles andere als genervt davon. Es gefiel mir, dass er so deutlich zeigte, wie sehr er sich zu mir hingezogen fühlte.

Nachdem Damian die Tür zu seinem Haus aufgeschlossen hatte, hörten wir bereits Nick aus der Küche rufen: "Ich habe Fleisch für dich!"

Es klapperte und kurz danach kam Nick in den Flur. Als er mich sah, wurden seine Schritte langsamer. Sein Lächeln wirkte plötzlich aufgesetzt.

"Hey, ihr zwei."

Damian warf einen Blick zu mir, der wohl sowas wie "Viel Spaß" heißen sollte, ehe er Nick wortlos auf die Schulter klopfte und an ihm vorbei in die Küche ging.

Ich hatte zu wenig Zeit gehabt zu beschließen, wie ich ihm gegenübertreten wollte. Er hatte meinen besten Freund verletzt, also war die einzig logische Reaktion, dass ich ihn verletzte. Andererseits brachte so ein sinnloses Machogehabe keinem etwas.

"Schön, dass du noch am Leben bist", teilte ich ihm also mit. "Wir hatten unsere Zweifel."

Nick lachte unsicher und rieb sich über den Nacken. "Ist Finn sehr sauer?"

"Sauer nicht. Eher verletzt. Enttäuscht. Fühlt sich dumm und hintergangen."

Mein Gegenüber nickte. Dass er sich nicht die Mühe machte, mir irgendwelche Erklärungen aufzutischen, konnte ich verstehen. Ich war nicht die Person, der er das Herz gebrochen hatte.

"Ich werde ihm schreiben, dass du hier bist", teilte ich Nick nach einigen Sekunden des Schweigens mit. "Ich glaube zwar nicht, dass er herkommen wird, aber wenn du kein absolutes Arschgesicht bist, dann gibst du ihm die Chance, mit dir abzuschließen, statt einfach so zu tun als wäre nichts zwischen euch gewesen. Du bist ihm eine Erklärung schuldig."

Es interessierte mich nicht, was er dazu zu sagen hatte. Ich ging an ihm vorbei und in die Küche, dorthin, wo ich Damian vermutete. Dabei tippte ich die Nachricht an Finn in mein Handy und steckte es danach wieder in meine Hosentasche.

Damian hantierte gerade in den Schränken herum. Er holte Teller, Gläser und Besteck.

"Tu nicht so als hättest du nicht gelauscht."

Er drehte sich zu mir, mit einem leichten Grinsen. "Um ehrlich zu sein, bin ich etwas enttäuscht. Ich hatte mir mehr... Extase erhofft."

Kritisch schaute ich ihn an. "Du willst, dass ein Gespräch mit deinem Pflegebruder mich in Extase bringt?"

"Wenn du es so ausdrückst", er verzog sein Gesicht, "dann lieber nicht."

Schmunzelnd schlang ich die Arme um seinen Nacken. "Zum Glück."

Damian legte die Hände an meine Hüften und streichelte in kleinen Auf- und Abbewegungen darüber.

"Ich würde gerne weiter würde deine Extase reden, aber, um ehrlich zu sein, bin ich grade total hungrig. Lass uns das später aufgreifen, okay?"

Ich gab ihm einen Kuss und löste mich wieder von ihm. Meine Schmusekatze brauchte Futter.

wild (bxb)Where stories live. Discover now