*(74) Wissen*

244 31 1
                                    

Kann eine Wahrheit ans Licht kommen, wenn in ihr Dunkelheit ist?

~~~

Spence und ich unterhielten uns. Er erzählte mir von meiner Behandlung und ihrem Ablauf.

„Damian meinte zwar, du bist kein Experiment, aber irgendwie wurdest du trotzdem zu einem. Ich hatte noch nie jemanden hier liegen, dessen Biss so lange her war wie bei dir. Und du warst schon mitten in der Verwandlung! Deshalb musste ich improvisieren. Das hätte echt schiefgehen können. War richtig dramatisch, wie Damian verzweifelt ist, weil er nicht wusste, wie er für dich entscheiden soll."

„Was war die Entscheidung?"

Von dem, was Spence mir da erzählte, musste Damian den puren Horror durchlebt haben. Mein Herz verkrampfte sich bei der Vorstellung.

Ich wurde ungeduldig. Ich wollte Damian sehen. Ihm zeigen, dass es mir gut ging. Dafür sorgen, dass es ihm gut ging.

„Wir waren uns ziemlich sicher, dass du die Verwandlung überleben kannst und wussten, dass ich, sobald du dich einmal verwandelt hast, nichts mehr ändern kann. So weit bin ich noch nicht. Du hättest als Gestaltwandler leben müssen. Das war für Damian keine Option, aber er wollte auch nicht riskieren, dich durch einen unerprobten Versuch zu töten. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir dich in kleinen Dosen behandeln und schauen, wie dein Körper reagiert. Ich habe Damian nicht erzählt, dass eine kleine Dosis auch schon irreparable Schäden anrichten hätte können. Der Arme war schon fertig genug."

Ich ließ mir Zeit, seine Worte zu verarbeiten. Es hätte sein können, dass ich als Gestaltwandler aufwachte. Damian hatte das nicht für eine akzeptable Option gehalten. Ich konnte mir vorstellen warum. Er hasste diesen Teil von sich. Für das, was er getan hatte und für das, was er mit ihm machte. Davor hatte er mich schützen wollen.

Also hatte er eine Möglichkeit gesucht, es zu verhindern. Diese Möglichkeit hätte meinen Tod bedeuten können. Spence hatte Damian einen Sinn falscher Sicherheit gegeben, um ihm diese Entscheidung zu erleichtern.

Ein Teil von mir wollte Spence fragen was er getan hätte, wenn ich gestorben oder etwas anderes Schlimmes passiert wäre, doch ich war mir nicht sicher, ob ich die Antwort wirklich wissen wollte. Stattdessen glaubte ich viel lieber, dass es ein Akt der Barmherzigkeit Damian gegenüber gewesen war. Spence hätte sich für meinen Tod verantwortlich machen können und Damian somit einen Teil seiner Schuldgefühle genommen.

Ich war dankbar, dass es zu diesem Szenario nicht gekommen war. Ich war am Leben. Ich konnte Damian wiedersehen. Für ihn da sein. Mit ihm zusammen sein.

Ich war gerade dabei, Spencer zu fragen, wie lange ich hier gelegen hatte, als die Tür ein weiteres Mal aufging. Ich drehte den Kopf dorthin und erkannte die letzte Person, die ich erwartet hatte, hier zu sehen.

„Marlon! Schatz!" Meine Tante eilte zu mir und fiel mir um den Hals.

Ich zuckte aufgrund der Schmerzen zusammen und sie nahm sofort wieder die Arme von mir.

„Tut mir leid. Ich bin nur so erleichtert!" Tränen fluteten ihre Augen.

Ich war sprachloch, starrte sie an, um zu begreifen, dass sie wirklich hier war.

Sie wurde zunehmend unsicherer und wandte sich schließlich an Spence: „Hast du ihn untersucht? Hat er Nebenwirkungen?"

„Er ist nur perplex", schmunzelte Spence. „Wir haben ein bisschen geredet. Er wirkt orientiert, aber hat Erinnerungslücken an die Zeit kurz vor der Verwandlung. Zu mehr sind wir noch nicht gekommen."

„Okay." Carla schaute zurück zu mir und beugte sich runter, um über meine Wange zu streicheln. „Du musst viele Fragen haben, Liebling. Aber ruh dich erstmal aus." Sie lächelte mich an, schaute dann zu Spence und deutete mit einem Nicken zur Tür.

wild (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt