*(29) Schlamm*

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In Gedanken bist du die ganze Zeit bei ihm.

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Wie bereits erwähnt, war die Party auf der Bahn als Reinfall verbucht worden. Sie war buchstäblich ins Wasser gefallen. Für etwa eine Stunde war gute Stimmung gewesen, bevor es angefangen hatte, wie aus Eimern zu schütten.

Diejenigen, die in der Bar platzgefunden hatten, waren dorthin geflüchtet, andere hatten den Rest des Abends im Wald hinter der Strecke verbracht und waren nur für Getränke und Toiletten in die Bar gekommen.

Finn hatte eine der Tafeln seines Vaters, auf denen normalerweise Angebote angeschrieben waren, genutzt, um eine Strichliste darüber zu führen, wie viele Leute im Matsch ausrutschten, wenn sie sich rauswagten oder vom Wald in die Bar gingen und wieder zurück.

Schon beim kleinsten Schauer waren die ersten in die Bar gegangen. Viele hatten gehofft, der Regen würde sich verziehen. Innerhalb weniger Minuten war er so stark gewesen, dass unsere Feuerstellen ausgegangen waren.

Ich hatte es nicht geschafft, mich davon zu überzeugen, mit der Masse in die Bar zu flüchten. Der Regen war verdammt kalt gewesen, ja. Aber er hatte sich auch schön angefühlt.

Wenn überhaupt hatte der Regen meine Partystimmung verstärkt. Ich war stehengeblieben, hatte mir angesehen, wie die Bahn sich im Regen tränkte, wie andere flüchteten und wie sie im Matsch ausrutschten.

Als Finn gesehen hatte, dass ich als einziger noch draußen gestanden war, hatte er die Musik weiter aufgedreht, sodass sie selbst über das Prasseln des Regens und die Schreie der Leute zu hören gewesen war.

Ich hatte das Lied erkannt, darüber gelacht, wie perfekt der Text in die Szene passte und begonnen, ihn in die Wolken zu schreien

Was ich nicht gewusst hatte, war, dass Finn mich dabei gefilmt hatte. Das erfuhr ich erst am Montag in der zweiten Pause, als er Damian erzählte, wie viel er auf der Party verpasst hätte und schließlich sein Handy auf den Tisch legte.

Auf seinem Bildschirm spielte ein Video, auf dem ich völlig durchnässt im Regen stand, die Arme ausgebreitet, mit dem breiteten Lächeln auf dem Gesicht und lauten Schreien des Songtexts:

„Feel the rain on your skin! No one else can feel it for you! Only you can let it in! No one else. No one else can speak the words on your lips! Drench yourself in words unspoken! Live your life with arms wide open! Today is where your book begins. The rest is still unwritten!"

Etwa zur Hälfte des Videos begann ich zu tanzen, ein paar Sekunden später mich um meine eigene Achse zu drehen, so schnell und so koordinationslos, dass ich stolperte, in den Matsch fiel und mich lachend darin zurücksinken ließ, um einen Matschengel zu machen.

„Der Typ hat völlig den Verstand verloren!", schrie Alisha auf dem Video über die Musik hinweg, bevor sie ins Bild rannte, über den nassen Dreck schlidderte und sich neben mich auf den Boden warf.

Wir begannen uns gegenseitig mit dem Schlamm zu beschmieren. Als ich versuchte aufzustehen, noch einmal ausrutschte, wieder hinfiel und schließlich auf allen Vieren von Alisha wegrobbte, während sie mir Matsch hinterherwarf, stoppte das Video.

„Das war das Highlight des Abends", erklärte Finn, während er sein Handy zu sich zurückzog.

Blitzschnell griff Damian nach seiner Hand, riss sein Handy daraus, nahm es an sich und begann zu tippen.

„Hey!", beschwerte sich Finn, traute sich aber nicht, etwas zu unternehmen.

Da ich direkt neben ihm saß, konnte ich mir mitansehen, dass Damian sich das Video selbst schickte, bevor er die Nachricht löschte, sodass Finn nicht mehr nachverfolgen konnte, was er getan hatte.

Nur er und ich wussten es.

„Mann, Damian! Wenn du nicht zufällig auf ein Nacktbild von deinem Bruder stoßen willst, gibst du mir am besten mein Handy zurück!"

Damian schaute Finn angewidert an und reichte ihm sein Handy über den Tisch.

Finn seufzte erleichtert, nahm es an sich und hielt es außerhalb von Damians Reichweite.

„Wie ging es danach weiter?", fragte Damian, während er sein eigenes Handy rausholte, auf die Nachricht von Finn tippte und zufrieden feststellte, dass er das Video erhalten hatte.

Ich saß in der ganzen Zeit daneben und fragte mich, was er damit vorhatte. Im Grunde sah man darauf nur ein Schwein, das sich in der Gestalt eines verrückten Vollidioten im Dreck suhlte.

„Ganz normal. Wir haben kräftig ausgeschenkt, ich habe Nick gezeigt, wie man gute Mocktails macht, Alisha und Marlon waren duschen-"

„Zusammen?"

Finn stockte. „Was?"

Damian wiederholte seine Frage nicht.

Ich war mir sicher, er hatte sie gar nicht bewusst gestellt. Trotzdem wollte er es offensichtlich wissen. Ja, er brannte darauf. Das wusste ich selbst ohne sinnlich wahrnehmen zu können, was in ihm vor sich ging. Dazu reichte meine Intuition.

„Natürlich zusammen." Alisha biss geräuschvoll von ihrer Karotte, während sie Damian mit dem Blick fixierte. „Es hatte gerade mal 3 Grad. Hätte einer von uns so lange warten sollen, bis der andere fertig ist?" Gegen Ende legte sie scheinheilig den Kopf schief.

Eins musste man ihr lassen: Ihre schauspielerische Leistung war nicht zu überbieten. Ebenso wie ihre Grausamkeit.

Ich stieß Damians Schulter mit meiner. „Sie verarscht dich. Sie war zuerst duschen. Wir dachten, bei mir reicht es, wenn Finn mich mit dem Gartenschlauch abspritzt, aber ich hatte Schlamm an Stellen, von denen ich nicht wusste, dass da überhaupt Stellen sind."

„Aha."

Er tat doch wirklich so als hätte er sich dafür kein Stück interessiert.

„Erzähl Damian von dem Typen, der gefragt hat, ob er dich sauberlecken darf!" Finn hüpfte sitzend auf und ab.

„Er hat mich auch gefragt, ob mein Arsch einen Zungensensor hat, damit er sich öffnet."

Finn flippte vor Lachen beinahe aus.

Alisha verzog ihr Gesicht.

Damian knirschte mit den Zähnen.

„Ich habe auf beides mit nein geantwortet", teilte ich ihm mit. Nur, falls das nicht ohnehin schon offensichtlich geworden war.

Er sagte: „Gut", startete sein Tetris-Spiel und begann, auf seinem Bildschirm herumzutippen.



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Achtung: Die Überarbeitung (gekennzeichnet mit den Sternchen neben dem Kapitelnamen) hat mehr Kapitel als die ursprüngliche Version. Deshalb treten Lücken und Verständnisschwierigkeiten auf, wenn man von der Überarbeitung zu den alten Kapiteln (ohne die Sternchen) springt!

wild (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt