*(10) Zuhause*

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Sie nennen es dein neues Zuhause. Du nennst es nur einen weiteren Ort, an dem du dich verstellen musst. 

~~~

Es dauerte zwei Wochen, bis ich wieder ohne Krücken gehen konnte. In der Zeit redete Damian kein weiteres Mal mit einem von uns. Er schaute bloß her.

Ich war es leid, seinen Blick mit einem unsicheren Lächeln auszuweichen und begann, ihn daher ebenso ausdruckslos zu erwidern.

So kam es dazu, dass wir ganze Schulstunden damit verbrachten, einander in die Augen zu starren.

In jeder Pause machte sich Finn darüber lustig. Alisha war eher genervt davon. Sie sah Damians Starren als Herausforderung. Als Provokation. Wenn es nach ihr ginge, hätte ich schon längst darauf eingehen und ihn in seine Schranken weisen sollen.

Sie konnte das nur für eine gute Idee halten, weil sie Damian noch nie ohne seinen übergroßen Hoodie gesehen hatte. Mit seinen Muskeln würde ich mich sicherlich nicht anlegen. Dazu war mein Selbsterhaltungstrieb zu groß. Ich erwiderte seine Blicke bloß, weil ich wusste, dass darin mehr lag als eine Drohung.

Finn hielt es für eine geniale Idee, mich mitzuschleppen, als er Nick eines freitagabends besuchen ging.

Ich war mir nicht sicher, was er von mir erwartete. Solange ich anwesend war, würde sicherlich nichts von dem passieren, das Finn passieren lassen wollte. Weder Sex, noch ihre angeblich so tiefgründigen Gespräche.

Okay, ich musste zugeben, dass es bei Finns Geschichte mit Nick um mehr ging als bloße Körperlichkeiten. Das bewies die Tatsache, dass sie sich heute zum ersten Mal bei einem von ihnen zuhause treffen wollten. Abgesehen davon war Finn so nervös wie... ja, noch nie.

„Ich verstehe nicht, warum du aufgeregt bist", teilte ich ihm mit.

„Ich auch nicht... Fuck, ich hasse dieses Gefühl, aber ich kann auch nicht genug davon kriegen. Ich bin so ein Masochist."

„Vielleicht bist du verliebt?"

Finn schüttelte den Kopf, erst langsam, dann immer schneller. „Ich weiß doch noch nicht mal, wonach ich in meinem zukünftigen Freund suche. Ich kann jetzt nicht einfach verliebt sein. Das geht viel zu schnell."

Für mich war es absurd, dass er fand, sich nach wochenlangem Kontakt in Nick zu verlieben würde zu schnell gehen, obwohl er mit anderen nicht mal Stunden verbracht hatte, bevor er mit ihnen geschlafen und sie wieder vergessen hatte.

„Du kannst dich nicht entscheiden, in wen du dich verliebst, Finn. Sei doch froh, dass du jemanden gefunden hast, mit dem die Chemie stimmt."

„Aber das war nicht der Plan!", stieß Finn verzweifelt aus. „Das ist alles nur seine Schuld, ich sag's dir. Seit ich beim Burgeressen gesagt habe, dass er mein Traummann ist, tut er so als müsste er mir beweisen, dass das stimmt. Er hat mich voll um den Finger gewickelt."

„Du hast ihn genauso um den Finger gewickelt wie er dich. Und ganz ehrlich? Auf mich wirkt es schon so, als wäre Nick ziemlich nah an dem dran, was dein Traummann sein könnte. Erfüllt er nicht alle Kriterien, die Alisha und du bisher rausgefiltert haben?"

Finn nickte wild. „Die und noch viel mehr. Fuck. Wenn das schiefgeht, kann ich mich nie wieder einem anderen nähern, ohne daran zu denken, dass Nick viel besser ist. Ich bin verflucht. Ich werde niemals glücklich sein."

„Dann ist der Schaden ja schon angerichtet."

Finn warf mir einen düsteren Blick zu. „Du bist keine gute Hilfe."

„Was soll ich denn sagen? Solange du am Leben bist, kannst du immer verletzt werden. Du musst selbst entscheiden, welche Erfahrungen es für dich wert sind."

wild (bxb)Where stories live. Discover now