*(62) Vergangenheit*

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Sie waren größer als du, älter, stärker, lauter... Manchmal kommt es dir so vor, als wären sie das immernoch.

~~~

Ich hörte dumpfe Stimmen von unten, konnte aber nicht verstehen, was genau sie sagten.

Damian saß neben mir auf dem Boden vor seinem Bett. Er hatte seine Beine angezogen und hielt sich die Ohren zu. Seinem leidenden Gesichtsausdruck zur Folge brachte es nichts. Er hörte genau, was unten vor sich ging und es schien nicht schön zu sein.

Ich fühlte mich so hilflos dabei, bloß neben ihm zu sitzen und ihn zu umarmen.

Wenigstens dauerte Nicks Streit mit seinen Eltern nicht lang. Nach ein paar Minuten trampelte Nick die Treppen nach oben, begleitet von seinem Vater, der ihn weiter anschrie. Nick sagte gar nichts. Genau das störte Bernd.

„Verdammt, Niklas! Rede mit mir! Was ist los?! Brauchst du Hilfe?! Warum zum Teufel lässt du dich auf solche Sachen ein?!"

Nick antwortete nicht.

Bernds Schreie wurden lauter.

Irgendetwas krachte und knallte.

Plötzlich wurde Damians Zimmertür aufgerissen. Nick stand darin und schaute auf Damian und mich herab.

Sein Vater erschien hinter ihm. Als er sah, wie verzweifelt Damian dasaß, verstummte er und atmete tief durch.

„Sorry, dass ich dich mit reingezogen habe, kleiner Mann", sagte Nick zu Damian. „Das wollte ich nicht."

Mein Freund hatte noch immer seine Hände auf seinen Ohren, hörte Nick aber trotzdem.

„Ich melde mich bei dir, okay?" Nick versuchte sich an einem Lächeln. Es scheiterte.

Damian reagierte nicht. Er wirkte nicht so als wolle er Nick gehen lassen und gleichzeitig so als hielt er es nicht aus, noch länger in seiner Nähe zu sein. Dabei lag es wohl weniger an Nick selbst als an der Gesamtsituation.

Nick warf mir einen kleinen Blick zu, in dem sowohl eine Entschuldigung lag, als auch die Bitte, mich um Damian zu kümmern. Natürlich würde ich das. Selbst, wenn alles, was ich tun konnte, war, ihn zu umarmen.

Nick zog Damians Tür wieder zu. Seine Schritte entfernten sich von Tür und trampelten über die Treppe nach unten. Die Stimme seines Vaters setzte wieder ein, diesmal leiser, ja fast schon reumütig.

Das änderte nichts daran, dass Nick das Haus verließ. Sogar ich hörte, wie er die Eingangstür hinter sich zuknallte und dann mit aufschreiendem Motor davonfuhr.

Dann war es still. Trotzdem änderte Damian nichts an seiner Position.

Ich küsste seine Hand, mit der er sich das Ohr zuhielt. „Es ist vorbei."

Mein nächster Kuss landete in seinen Haaren. Ich lehnte meinen Kopf an seinen und hielt ihn einfach nur fest.

Er schien nicht reden zu wollen und für den Moment war das okay. Auch, wenn ich mich total nutzlos fühlte, weil ich keine Ahnung hatte, was denn überhaupt los war. Ich tat, was ich tun konnte. Bei ihm sein. Ihn umarmen.

„Ich dachte, hier wäre es anders", hauchte er irgendwann.

„Was meinst du?", fragte ich leise.

Langsam lösten sich seine Hände von seinem Kopf und er ließ sie in seinen Schoß fallen. „Dieses Schreien..."

„Hat dich das an was erinnert?"

„Man weiß nie was passiert, wenn Erwachsene so rumschreien. Aber es ist nichts Gutes."

wild (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt