*(79) Schuld*

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Die einzige Person, deren Vergebung du tatsächlich brauchst, bist du selbst.

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Finn und ich lagen lange auf seinem Bett und sagten gar nichts. Irgendwann rutschte er näher an mich heran und kuschelte sich an meine Schulter.

„Mir ist was aufgefallen, als du nicht mehr auf meine Nachrichten geantwortet hast."

Es klang nicht vorwurfsvoll, aber ich fühlte mich dennoch miserabel.

„Ich konnte nicht", sagte ich leise. „Tut mir leid."

„Ich wusste, dass du deine Gründe haben musst. Ich werde dir das nicht vorhalten. Es hat mich nur zum Nachdenken gebracht... Über Nick."

Ich drehte den Kopf zur Seite, konnte aber nur seinen verwuschelten Haarschopf erkennen, der an meiner Schulter lehnte, während er meinen Arm umklammert hielt.

„Mit ihm ist es anders als mit dir. Ich kenne ihn nicht so lange wie dich, aber dafür auf eine andere Art. Eine intensivere. Ich hatte das Gefühl, wir haben uns einander geöffnet. Ein Teil von dir war immer verschlossen. Deshalb hat es sich ganz anders angefühlt, dass du dich nicht mehr gemeldet hast als bei Nick. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht und ich war ein bisschen traurig, dass ich nicht für dich da sein kann, aber ich konnte mich damit abfinden. Ich wusste, dass du irgendwann wieder auf mich zukommen wirst und wir einen Weg finden, weiterzumachen. Das sind wir. Meine Beziehung zu Nick ist... war ganz anders. Der Nick, den ich kennengelernt habe, würde sich Mühe machen, Zeit für mich zu finden. Er würde mir zeigen, dass ich ihm wichtig bin. Verständnisvoll sein und ehrlich und... Nick. Dass er den Kontakt abgebrochen hat... damit hätte ich niemals gerechnet. Das passt nicht zu ihm. Und deshalb habe ich das Gefühl, ich habe mich komplett in ihm getäuscht. Ich bin ständig am Überlegen, ob ich irgendwas in ihn projiziert habe, das gar nicht da war oder ob ich ihn einfach nicht so gut kannte wie ich es mir eingebildet habe. Ich denke die ganze Zeit an ihn, male mir jeden Tag aus, dass er vielleicht ausgerechnet heute wieder vor der Schule auf mich wartet, mich abholt und wir den Tag zusammen verbringen. Wenn ich jemanden sehe, der mir gefällt, bekomme ich sofort ein schlechtes Gewissen. Ich kann niemandem nahekommen ohne an ihn zu denken. Ich glaube nicht, dass ich ohne ihn jemals wieder richtig glücklich sein kann."

„Oh Finn", hauchte ich. Er hatte so viel gesagt, mir war dabei so viel durch den Kopf gegangen und doch kam mir alles, was ich sagen könnte vor wie leere Worte. Deshalb drehte ich mich zu ihm und umarmte ihn. „Ich liebe dich."

Er schniefte an meine Brust und krallte seine Finger an meinem Rücken in mein Shirt. „Ich dich auch."

Ich ließ ihn leise in meinen Armen weinen und dachte darüber nach, was er gesagt hatte.

Dass ich damit recht gehabt hatte, dass seine Trennung von Nick ihn nach wie vor belastete, fühlte sich beschissen an. Es war wohl etwas Hoffnung in mir gewesen, dass er doch okay damit klarkam und es ihm gut gehen würde. Jetzt, wo ich wusste, dass dem nicht so war, kamen meine Zweifel über meine eigene Rolle darin wieder auf: Die Tatsache, dass ich Finn nicht von Nicks Drogen erzählt hatte.

Ich war mir schon damals nicht sicher gewesen, ob es richtig war, es nicht anzusprechen und hatte auf Damians Einschätzung seiner eigenen Familie vertraut. Eine Einschätzung, die mit der Distanz zwischen uns an Einfluss auf mich verlor.

„Ich glaube nicht, dass Nick gerade er selbst ist."

Finn versuchte den Kopf zu heben, also nahm ich meinen Arm von ihm und rollte mich auf den Rücken. Er wischte sich seine letzten Tränen weg, bevor er mich aus geröteten Augen ansah. „Hast du was mitbekommen?"

wild (bxb)Where stories live. Discover now