*(63) Besuch*

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Die Welt war eine andere, als du nichts zu verlieren hattest.

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Ich hatte Geheimnisse vor meinen Freunden. Solange meine Geheimnisse nichts mit ihnen zu tun hatten, fand ich, das war mein gutes Recht.

Finn nicht zu erzählen, was am Sonntag bei Damian passiert war, fühlte sich nicht richtig an. Sein Ex trug eine nicht gerade kleine Menge an Drogen mit sich herum. Entweder er dealte und/oder er konsumierte. Beides war scheiße und beides war etwas, das jemand, der ihn liebte, wissen sollte.

Vielleicht konnte das sein Verhalten erklären. Vielleicht konnte es Finn damit bessergehen. Oder aber Finn nahm das als Anlass, wieder auf Nick zuzugehen und es endete in einer Katastrophe.

Damian hatte mich davon überzeugt, Finn nichts zu sagen. Ich fühlte mich nicht gut damit, aber ich konnte mich auch nicht dazu überwinden, es anzusprechen. Ich wusste ja selbst nicht, was mit Nick los war. Vielleicht war es das Beste, Finn dabei zu unterstützen, mit Nick abzuschließen.

Noch schlimmer als nichts zu sagen, war Finn anzulügen, als er mich fragte, was mit mir los sei.

„Schlecht geschlafen", behauptete ich.

„Ohh, armes Baby." Finn umarmte mich von der Seite und wiegte mich hin und her.

Alisha schaute mich so an als wüsste sie, dass mehr dahintersteckte. Wahrscheinlich glaubte sie, es hätte mit meiner anderen Sorge um Finn zu tun. Rico.

Je öfter ich ihn in der Schule lachen sah, desto weiter stieg mein Hass auf ihn. Ich vergönnte ihm keine Sekunde, in der er glücklich genug war, lachen zu können.

Jeder seiner selbstgerechten Schritte kotzte mich an.

Mittlerweile war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ich explodieren würde und ihm sein dämliches Grinsen aus dem Gesicht schlagen. Ich stellte mir regelmäßig vor, ihm ein Bein zu stellen, ihn an einem Fuß die Treppen runterzuschleppen, ihm einen Arm zu brechen oder einfach nur auf ihn einzuschlagen.

Vielleicht, ja vielleicht, wartete ich auch nur auf den passenden Moment, ihm endlich einen Geschmack seiner eigenen Medizin zu geben.

„Jetzt hör mal auf, meinen Freund zu bemuttern." Damian schlug Finns Hände von mir und zog den Stuhl, auf dem ich saß zu sich.

„Sorry, Damian, aber du musst Marlon teilen. Er gehört uns allen."

Ich boxte Finn an die Schulter. „Ich bin kein Objekt, Alter!"

„Du bist Objekt meiner Begierde." Er zwinkerte mir grinsend zu.

„Irgh", machte Alisha und schüttelte sich angewidert. „Jetzt fängt wieder das Flirten an."

„Lass mich!", jammerte Finn sofort. „Marlon ist der einzige Typ auf diesem scheiß Planeten, der mir nicht wehtun wird!"

Das stach mitten ins Herz.

Finn hatte vor Nick schon genügend Erfahrung mit unaufrichtigen Typen gemacht. Sich auf Nick einzulassen, nicht nur körperlich, sondern vor allem seelisch, war ein wirklich großes Ding für ihn gewesen. Nick hatte das gewusst. Genauso wie er wusste, dass Finn unter seinem Verhalten litt. Erst wochenlang halbherzig antworten und dann einfach gar nicht mehr auf Nachrichten reagieren... Wie konnte man sowas tun, wenn man wusste, wie viel man jemandem bedeutete?

Nick war Finn eine Erklärung schuldig. Und ich kannte einen sehr kleinen Teil, der vermutlich etwas mit dieser Erklärung zu tun haben konnte. Aber ich sagte nichts, glaubte oder redete mir ein, dass es alles nur schlimmer machen würde. Gleichzeitig fragte ich mich, woher ich mir das Recht nahm, zu glauben, dass ich überhaupt eine Wahl hatte... Es war doch nicht meine Entscheidung, wem welche Informationen zustanden.

wild (bxb)Where stories live. Discover now