*(85) Entscheidung*

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Gibt es Licht ohne Dunkelheit?

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Damians Präsenz war so mächtig wie die der Sonne am hellsten Sommertag. Ich musste ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass er da war. Ich spürte sein schweres Starren auf meinem Rücken, als ich mich von ihm wegdrehte und Spencers Nummer wählte.

Ich starrte auf die Bäume auf dem Schulhof und blinzelte die Erinnerung an den schmerzerfüllten Ausdruck in Damians Augen weg. Ich wollte nicht darüber nachdenken, was ich zu ihm gesagt und was ich dadurch vielleicht angerichtet hatte. Dafür hatte es zu gut getan, all das loszuwerden.

Vielleicht fand ich ja Gefallen daran, anderen meine Meinung zu geigen. Scheiß egal, wie unfair es war, nur mit Vorwürfen um mich zu werfen und ihnen kein Verständnis gegenüber zu bringen.

Wann hatte er mir Verständnis gegenüber gebracht? Als er darauf bestanden hatte, dass ich nicht als Gestaltwandler leben sollte und entschieden hatte, dass Spencer alles versuchen sollte, um das zu verhindern? Als er ohne Erklärung vor mir weggelaufen war und begonnen hatte, mir aus dem Weg zu gehen?

„Hallo?" Spencers Stimme zerrte mich zurück in die Gegenwart, lange bevor es sich so anfühlte als würden meine Gedanken und Gefühle aufhören, mich zwischen ihnen hin und her zu schicken.

„Spence?"

„Jaa?"

„Marlon hier."

„Oh, Marlon!", freute er sich. „Ich habe mich schon gefragt, wann ich von dir höre."

„Warum?"

„Die Proben, die du mir dagelassen hast, machen mir ein bisschen Probleme. Aber schön zu hören, dass du noch lebst. Irgendwelche Beschwerden?"

Gerade, als ich antworten wollte, riss Damian mir sein Handy aus der Hand und hielt es sich selbst ans Ohr. „Hör auf mit deinen Spielchen, Spencer. Wir hatten einen Deal."

Einen Deal?

Damian wich meinem Blick aus.

Ich schnaubte und griff nach seinem Handy. Damian sah meine Bewegung aus dem Augenwinkel, war aber nicht schnell genug, mir auszuweichen. Ich schaffte es, nach seiner Hand zu greifen. Er versuchte sie zurückzuziehen, aber ich hielt dagegen.

Damians Augen weiteten sich, als er auf seinen eigenen Arm sah, der sich unter seiner Anstrengung anspannte.

Ich wollte meine andere Hand zur Hilfe nehmen, aber Damian fing sie ab und drückte sie zur Seite.

Wir rangelten miteinander, ich funkelte ihn herausfordernd an und er mich missgünstig, bis wir Spence durch den Hörer schreien hörten.

„Hallo?!"

Also machte ich das einzige, was mir sinnvoll vorkam: Ich ließ zu, dass Damian meinen rechten Arm zur Seite drückte, überwand die Distanz zwischen uns, sodass die Frontseiten unserer Körper aneinander knallen und sog seine linke Hand so zu mir, dass er mir das Handy ans Ohr hielt.

„Ja, hi. Sorry für die Unterbrechung. Damian mischt sich in Dinge ein, die ihn nichts angehen."

Ich schaute ernst zu ihm herab. Er war derjenige, der gegangen war und sich nicht mit der ganzen Scheiße auseinandersetzen wollte. Er konnte nicht einfach in mein Leben kommen und gehen wie er wollte. Das hielt ich nicht aus.

Meine Aussage traf Damian tief. Ich sah seine Wut auf Spence, zusammen mit seinem vorgespielten Desinteresse von seinem Gesicht bröckeln.

Wir sahen uns dabei in die Augen und ich hatte das Gefühl, die Trümmer seiner Mauern stürzten genauso auf mich herab wie auf ihn.

wild (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt