*(37) Beschützen*

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Du würdest immer wieder sterben, wenn es bedeutet, ihn zu schützen.

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Ich saß bestimmt eine Stunde auf der Lichtung. Das einzige, was in der Zeit passierte, war, dass ich an Damians Handy Tetris spielte und sein Ranking ruinierte.

Mir war nicht klar gewesen, wie gut er in diesem Spiel war, bis ich dabei zusah, wie seine Werte durch meine Leistung nach unten gingen. Er würde mich hassen, wenn es ihm auffiel. Falls es ihm auffiel. Falls er jemals wieder sein Handy in der Hand halten und Tetris spielen würde.

Er war noch nicht zurückgekommen. Entweder er versuchte noch immer, sich zu verwandeln oder er hatte es bereits geschafft und erinnerte sich nicht mehr an die Abmachung, dass er mich finden würde.

Beide Optionen klangen beschissen. Ich hoffte nur, am Ende des Tages würde er zu mir kommen. Ob als Mensch oder Schmusekatze oder Einhorn. Hauptsache er kam zurück.

Da ich seinen Akku nicht leerspielen wollte, gab ich meine Versuche, sein Ranking zu retten, irgendwann auf.

Ich stand auf und lief ein paar Meter über die Lichtung, schaute mir die Bäume an, die Büsche und den Weg in den Wald.

Alles beim Alten. Nichts hatte sich verändert. Wahrscheinlich würde sich auch nichts verändern. Dachte ich.

Im ersten Moment, als ich ein Rascheln hörte, glaube ich, es sei der Wind.

Im zweiten, galt mein Gedanke Damian. Dass er es geschafft hatte und hergekommen war, wie vereinbart.

Im dritten, als ich das Tier erkannte, gefror mir mein Blut in den Adern. Es war ganz anders als Damian gegenüber zu stehen.

Instinktiv machte ich ein paar Schritte zurück. Der Wolf lief mir hinterher. Er hatte den Kopf unten und fixierte mich mit dem Blick.

Ein Knurren hinter mir ließ meine Füße an den Boden gefrieren.

Ich schaute mich um und erkannte vier weitere Wölfe. Einer von ihnen war größer als die anderen. Während diese im Kreis um mich herum stehenblieben, lief der Größte weiter auf mich zu.

Es gab seit Jahren Berichte über einzelne Wölfe in Städten der Umgebung, aber ich hatte mich nie dafür interessiert. Meine Tante hatte damals, als die ersten Nachrichten dazu gekommen waren, gesagt, dass Wölfe Menschen normalerweise aus dem Weg gingen und Begegnungen vermieden. Wenn sie in die Nähe von Städten oder Dörfer kamen, dann nur, weil sie in ihren Gebieten nichts mehr zu fressen fanden. Es waren keine bösen Tiere. Sie wollten nur überleben.

Das Bild, das sie damals gezeichnet hatte, widersprach den Wölfen, die mir hier gerade gegenüberstanden, in allem. Von Vermeiden waren wir hier weit entfernt. Die waren ganz klar auf Konfrontation aus. Und ich hatte nichts, womit ich mich verteidigen konnte.

Das Beste, was mir einfiel, war dem Aggressivsten von ihnen in die Augen zu sehen und langsam die Arme zu heben, um ihm zu zeigen, dass ich größer war als er. Wenn ich Glück hatte, glaubte er so, ein Kampf gegen mich wäre aussichtslos und würde sich zurückziehen.

Viel wahrscheinlicher jedoch war, dass meine Größe ihm an seinem haarigen Arsch vorbeiging. Er und seine Kumpels waren in der Überzahl. Zu fünft konnten sie sicher auch einen Bären erlegen.

Unser Aufeinandertreffen kam ungefähr dem einer Giraffe mit einem Löwenrudel gleich. Nur, dass ich mich nicht dazu bringen konnte, wegzurennen.

Es war ein Fehler gewesen, heute überhaupt das Haus verlassen zu haben. Damian und ich könnten gerade im Bett liegen und uns darüber streiten, welche Musik wir beim Kuscheln hören wollten, uns gegenseitig anzanken, beleidigen und durch Küsse versöhnen.

wild (bxb)Where stories live. Discover now