Versehen

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Der Thronsaal war noch leer, als Lilith und Yuro eintraten. In ein paar Minuten würde Johann mit den Gästen hier eintreffen, damit das Mahl beginnen konnte. Obwohl es ihr ein gutes, oder gar triumphales Gefühl geben sollte, dass Rabea sie mochte, fühlte Lilith sich elend. Es fühlte sich so an, als sei sie eine Lügnerin und würde eine fremde Sympathie ihr gegenüber schamlos ausnutzen, obwohl sie es definitiv besser wusste. Sie nutzte niemanden aus, davon war Lilith überzeugt. Und trotzdem zehrte das schlechte Gewissen an ihr.

So lief sie nervös im Saal auf und ab, während Yuro mit den Händen verschränkt am Fenster stand.

Als sie zum fünften Mal bei ihm ankam und sich wieder umdrehen wollte, blieb ihr Blick an ihrem Gastgeber hängen. In einem Anflug von Neugier blieb sie hinter dem hochgewachsenen Mann stehen.

"Woran denkt Ihr?"

Yuro schüttelte nur den Kopf. "Wäre deine Neugier aus Wein, wärst du den ganzen Tag betrunken. Du musst nicht alles wissen."

Damit schloss er die Unterhaltung ab, da die Tür geöffnet und die Gäste hineingeführt wurden. Nun hatte sich die Zahl der Gäste von ungefähr vierzig Leuten auf zwei beschränkt. Der Thronsaal war nun einmal kein Ort für Soldaten. Anscheinend aber für Kinder. Denn kaum, dass die Tür geöffnet wurde, sprang das Mädchen mit den silbernen Haaren hinein und begann, begeistert quietschend die Umgebung genau zu inspizieren. Rabea trat unmittelbar nach ihr ein und sah sich beeindruckt um. Lilith kannte dieses Gefühl, sie staunte heute noch über die Pracht des Saales.

Yuro ging schon auf sie zu und geleitete Rabea zu ihrem Platz. Sie trug nun ein schwarzes Gewand mit zahlreichen Verzierungen, welche den Anblick der Frau in Kombination mit ihrer weißen Haut und den eisblauen Augen nur noch atemberaubender machte. Das Mädchen trug Ähnliches, nur verliehen ihrem Aufzug die silbernen Haare die Besonderheit. Sie passten gut zum Rest der Kleidung.

Rabea setzte sich auf den Platz direkt neben dem Kopf der Tafel und zischte in Richtung ihres Kindes: "Jetzt benimm' dich!"

Dieses gehorchte und setzte sich neben ihre Mutter, an Liliths Tafelende. Als letztes setzte sich Yuro und hob seinen Weinkelch.

Ein Diener füllte die Kelche von Rabea und Lilith und sie beide hoben ihre Kelche auch.

"Auf dass Euer Aufenthalt in Arborea und auch unsere Verhandlungen gesegnet seien."

Rabea nickte zustimmend und sie tranken einen Schluck. Auch, wenn das Getränk am Anfang etwas im Hals brannte, war es eine angenehme Erfahrung.

Das warme und angenehme Gefühl in ihrer Brust flüsterte ihr zu, sie solle sich beruhigen und nicht so angespannt sein. Auch, wenn alle Sinne ihr das Gegenteil zu schrien, versuchte sie, sich zu beruhigen und sich mehr auf das Essen zu konzentrieren. Unauffälligkeit musste schließlich unauffällig sein, sonst wäre der Sinn verfehlt.

Als Lilith sich wahllos etwas Fleisch eines unbekannten Vogels von einem Tablett mit ihrer Gabel aufspießte und auf ihren eigenen Teller fallen ließ, um es mit dem Messer zu bearbeiten, bemerkte sie den Blick des Mädchens. Er war wahrscheinlich schon länger auf sie gerichtet. Ihre Blicke trafen sich kurz und Lilith wandte sich wieder ab, um sich eine Gabel mit Fleisch in den Mund zu stecken.

Trotzdem kam sie nicht gegen das Verlangen an, unauffällig in die Richtung des Mädchens zu schauen. Die Prinzessin starrte sie immer noch an.

Lilith schluckte hinunter und erwiderte etwas unsicher den Blick. Nach einigen Herzschlägen sagte das Mädchen etwas, sich zum ersten Mal leicht schüchtern abwendend.

"Du hast schöne Haare."

Lilith konnte sich ein verlegenes Lächeln nicht verkneifen. "D-Danke sehr, Prinzessin."

Melodie des ErwachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt