Hymne der Macht

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In den wenigen Unterrichtsstunden mit Meister Tyvel, in denen Lilith sich in der Magie geübt hatte, war es für sie mehr als schwer gewesen, mehr als nur Musik mit der Violine zu erschaffen. Es war schwer, in all der Gedankenflut die Konzentration zu behalten, die Magie zu kontrollieren.

Hier schien es nur gerade zu kinderleicht. Lilith spürte bereits die Magie fließen, noch bevor sie den ersten Ton vollendet hatte. Sie floss durch ihren Körper und durch ihren Geist, formte sich. Lilith konnte sich das verwunderte Gesicht des Dunkelelfen genau vorstellen. Leider konnte sie es nicht sehen, so grell leuchtete der Zauber auf, den sie wirkte. Sie sah ihn nicht, doch wusste Lilith genau, was er bewirkte. Sie spürte, wie der grelle Blitz eine Druckwelle in Richtung des Dunkelelfen losließ, die ihn kurzerhand durch den Gang zurück in den Hof schleuderte.

In diesem Moment fühlte Lilith sich so unfassbar mächtig. Mit aller Willenskraft spielte sie den Ton der Violine zu Ende und folgte dem zurückgeworfenen Magier schnellen Schrittes in den Hof. In diesem standen weitere Dunkelelfen, die zwischen Lilith und ihrem Anführer hin- und herschauten. Als die ersten sich aus der Schockstarre lösten, spielte Lilith abermals einen tiefen Ton auf der Violine. Dieses Mal richtete sie ihren Fokus auf den Gang, aus dem weitere Feinde von außen hereinströmten. Wieder durchfuhr Lilith die Macht des Tons und eine weitere Druckwelle wurde mit einem grellen Blitz losgelassen. Die Druckwelle fraß sich durch den Gang und warf die Feinde zurück. Nun würde sie erst einmal Ruhe vor Verstärkungen haben, dessen war Lilith sich sicher und es erfüllte sie mit Enthusiasmus. Nun wäre Lilith am Hebel und niemand könnte sie aufhalten.

"Du", knurrte es aus der Richtung des Magiers. Sie drehte den Kopf zu ihm und konnte gerade noch zur Seite ausweichen, als ein grün schimmernder Pfeil ihren Kopf nur um eine Haaresbreite verfehlte. Der Magier stand bereits aufrecht und hielt ihr die Klinge seiner Lanze entgegen. Wo kam der Pfeil dann her?

"Eine Magierin", beendete er seinen Satz und fletschte die spitzen Zähne. Sein Blick wanderte kurz zu den Meistern herüber, von denen sich Tyvel gerade wankend aufrichtete.

"Davon habt ihr mir gar nichts erzählt!", rief der Dunkelelf aus. Er klang dabei beleidigt und doch amüsiert. "Wie enttäuschend! Ein Mädchen, das stärker als ihr beide zusammen ist."

Ungewollt bebte Liliths Brust unter dem widerlichen Kompliment des Dunkelelfen. Tyvels Blick traf sich kurz mit dem von Lilith, ehe sie wieder ihren Gegner ansah. Was der Blick des Meister ausdrückte, konnte sie sich nicht vorstellen.

"Bringen wir es hinter uns", zischte der Dunkelelf und gab ihr kaum Zeit, sich auf den Kampf einzustellen. Er riss erneut seine Waffe in die Höhe und ließ erneut den Hagel aus grün schimmernden Pfeilen und Bolzen auf Lilith niedergehen. Diese wusste gar nicht, wie ihr geschah und spielte in ihrer Not eine kurze Melodie. Sie bestand aus nur vier Tönen und zeigte doch Wirkung. Ob es der Eifer des Gefechts oder Glück war, dass sich gerade mit dieser Melodie eine blau leuchtende Wand wie ein Schild vor ihr formte. Die Wand gab in hallenden Tönen den Zauber weiter und fing die Projektile ab. Es war wirklich ein schöner Anblick. Doch kaum waren die ersten Geschosse an dem Schild zerborsten, fuhr ein schrecklicher Schmerz durch Liliths Körper. Ihre Brust fühlte sich an, als würde sie von eintausend Speeren durchbohrt und sie ließ einen Schmerzensschrei los. Nun war es wirklich schwer, den Zauber aufrecht zu erhalten.

Sie erinnerte sich an Meister Barths Gesicht, als der Magier diesen Angriff anwandte. Schmerz. Und das war es. Jeder Pfeil, Bolzen und Speer fügte ihr Schmerzen zu, obwohl sie nicht verletzt war. Was für ein verfluchter Zauber war das schon wieder?!

Als der Magie merkte, dass seine Geschosse zwar an der Barriere zerbrachen, jedoch ihren Zweck erfüllten, nahm er den Stab wieder in beide Hände und näherte sich Lilith mit großen Schritten. Damit endete auch der Hagel aus Schmerzen. Doch Zeit zum Ausruhen gab es keine. Sie wich von der magischen Wand zurück, die der Elf mit einem Schlag seiner Waffe entzwei teilte und dadurch verblassen ließ.

Melodie des ErwachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt