Der Schlüssel

763 66 2
                                    

"Wie aufregend! Ich habe mich auch schon gefragt, was Mutter in ihrem Arbeitszimmer so alles aufbewahrt." 
Alexa machte ein verstohlenes Gesicht.

"Ich habe so im Gefühl, dass wir etwas finden werden", sagte sie und klopfte sich den restlichen Schnee von der Kleidung. "Keine Sorge, dieses Mal brauchst du mich nicht fangen", witzelte das Mädchen und lief vor.

"Komm mit."

Lilith folgte ihr stumm. Sie wusste nicht, was jetzt zu erwarten war. Mehr, als ein paar kleine private Einzelheiten zu Rabea und ihrer Herrschaft hätten ihr eigentlich gereicht. Die Tatsache, dass sie Liliths Briefe kontrollierte, war verdächtig und der eigentliche Grund für ihre Bitte.

"Lustig, dass du mich jetzt dran erinnerst", begann Alexa, als sie die Tür öffnete. Die Wärme schlug ihnen wieder entgegen, sodass Lilith es eilig hatte, die Tür wieder ins Schloss fallen zu lassen.

"Vorhin erst habe ich darüber nachgedacht, etwas in Mutters Sachen zu kramen. Doch alleine macht das keinen Spaß." 

Sie winkte ab. "Jon ist ein Feigling, der macht sowas eh nicht mit."

Lilith schluckte. "Du wolltest bereits deiner Mutter nachspionieren?"

Alexa verschränkte die Arme. "Was soll schon passieren? Niemand hier kann mir etwas erzählen, solange sie weg ist." 

"Ich weiß nicht recht", gab Lilith zu. Sie wollte ganz bestimmt nicht dabei erwischt werden, wie sie im Privatbesitz von Königin Rabea herumwühlte.

"Es wird es dir Wert sein!", ermunterte das Mädchen sie und lief weiter. Weiter durch all die Gänge, an ihrem Spielzimmer vorbei, in Richtung des Ostflügels.

Letzten Endes erreichten sie die große Wendeltreppe. "Erkennst du ihn?", fragte Alexa fröhlich.

Lilith dachte nach. "Sind wir in einem der drei Türme?"

Das Mädchen lachte und klatschte in die Hände. "Genau! Sogar im größten voll allen."

"Dann los", schnaufte Lilith und tat die ersten Schritte, einen langen und öden Aufstieg erwartend. 

Diese Erwartung wurde ihr erfüllt. Sie zählte mehr, als fünfhundert Stufen. Auf ihrem Weg gab es keine Fenster und so konnte Lilith sich schwer vorstellen, wie hoch sie gerade über dem Erdboden waren. "Mutter schickt mich oft hier herauf, wenn ich alleine lernen soll." 

Wie schaffte das Mädchen es nur, so viel Energie zu haben?

Bereits im Hauptgebäude war bereits aufgefallen, dass erstaunlich wenige Wachen unterwegs waren.

Dies war gerade wohl der einzige Vorteil an Rabeas Abwesenheit. Sie hatte ihre gesamte Gefolgschaft mitgenommen und so die Bahn für Lilith und Alexa freigemacht. Lediglich vor ihrem Arbeitszimmer lehnten zwei gelangweilte, ältere Männer. Sie waren wahrscheinlich ehemalige Soldaten, die nun als Ersatz dienten. Auch, wenn sie nicht besonders achtsam aussahen, hielten sie Alexa und Lilith die ausgestreckte Hand entgegen.

"Hier wird nicht mehr gespielt, Kinder", grunzte der Größere der beiden.

Alexa trat bis zu seine Hand vor und schaute nicht besonders amüsiert zu ihnen auf. "Du weißt schon, wer ich bin, oder?"

"Natürlich weiß ich das, Prinzessin", antwortete der Soldat. Er merkte wohl, dass er die Prinzessin anders zu behandeln hatte, als er es eben tat.

"Also, warum versuchst du, mich aufzuhalten?", knurrte sie. 

"Das sind die privaten Arbeitsräume ihrer Majestät", sagte er und schien etwas nervös zu werden.

"Und die müssen wir bewachen!", pflichtete der andere ihm bei.

Melodie des ErwachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt