Von Lehrern und Schülern

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Der Hof war immer noch leer, als Lilith ihn betrat. Leer, bis auf den alten Tyvel, der immer noch dort umherlief, auf der Suche nach Dreck, den er wegfegen könnte. Er schien Lilith nicht zu bemerken, oder sich nicht an ihr zu stören, da er weder etwas sagte, noch groß Blicke auf sie warf. Er hatte die Lippen zusammengepresst und ging friedlich seiner Arbeit nach, als gäbe es nichts anderes im Leben für ihn.

Nach ein paar Minuten warten, wurde es Lilith langsam unwohl. Ihr Meister würde kommen, hatte der nette Junge namens Teddy gesagt. Eigentlich war alles richtig, wo blieb nur ihr Meister? Er musste zu spät sein, das war es sicher. Nach weiteren Minuten der Stille, unterbrochen durch das unregelmäßige Geräusch des Besens, war sie sich gar nicht mehr so sicher. Irgendetwas musste sie überhört haben, falsch verstanden haben, doch was genau, konnte Lilith nicht erschließen.

Wider Willen entschied sie sich schließlich, den alten Mann zu fragen. Er würde es nicht sein. Teddy sagte doch, dass er nie Schüler hatte. Und trotz der Sicherheit, mit welcher der Junge es Lilith gesagt hatte, wandten sich die Sorgen um ihren Geist, wie eine Schlange um ihr hilfloses Opfer. Mit jedem Schritt, den sie auf den alten Mann zu ging, drückte die Würgeschlange des Zweifels immer fester zu, doch Lilith blieb zu ihrer eigenen Verwunderung scheinbar stark und zielstrebig.

"E-Entschuldigung?"

Der Mann schaute auf und lächelte sie an, die Augen zu Schlitzen verengt.

"Ach, Kind! Da bist du ja endlich!", rief er mit seiner kraftlosen, alten Stimme aus.

Eigentlich war es Lilith von Anfang an klar gewesen, als sie den Hof betreten hatte. So musste es kommen und sie musste sich bemühen, ihre, eigentlich offenkundige, Enttäuschung zu verbergen.

"Äh..."

"Jaja, das ist alles neu für dich und du brauchst deine Zeit, Kind."

Lilith biss die Zähne zusammen und nickte.

Meister Tyvel stöhnte kurz auf, schleppte sich betont langsam über den Hof und setzte sich auf eine der Bänke. Den Besen lehnte er gegen die Bank. Er tätschelte auf den Platz neben sich und Lilith nahm unsicher Platz.

"Du bist meine erste Schülerin seit Langem. Daher gehen wir es etwas langsam an. Was natürlich nicht heißt, dass mein Unterricht weniger Hart wird!" Auf einmal hatte er einen strengen Ton angenommen.

"Jeden zweiten Mittwoch gehst du mit deiner Zimmergenossin jagen, um das Mahl für alle zu besorgen. Die Beschaffung und Zubereitung übernehmt ihr immer mittwochs für morgens und abends. Die Mahlzeiten finden im Hof statt."

"Jagen?!"

Er redete weiter.

"Jeden Tag lehre ich dich bis zum Mittag in Dem, was die Königin mir in ihrem Brief beschrieben hat."

Eine gute Nachricht. Das, weshalb sie hier war, lag nun sichtbar in Reichweite. Weiter ging er jedoch nicht darauf ein, also würde Lilith sich von Dem überraschen lassen, was Rabea für sie bereithalten ließ.

"Und was ist mit nachmittags?"

"Den restlichen Tag gehst du entweder einem zugeteilten Dienst, oder deiner Profession nach."

"Profession?" Sie legte verwundert den Kopf schräg.

Tyvel nickte langsam. "Teddy, den du bereits kennengelernt hast, ist in der Profession der Buchführung und Haltung von diesem tätig. Ein schlauer Bursche, der Junge."

Er schüttelte den Kopf, als würde er den Gedanken nur auf diese Weise wieder loswerden können. "Einige der älteren Schüler werden Gelehrte und andere lassen sich sogar in die Garde ihrer Majestät einweisen!" Er lachte kurz auf.

"Was ist daran so lustig?", fragte Lilith stutzig.

Melodie des ErwachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt