Von Zorn und Liebe

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Es trug sich zu ältesten Zeiten zu. Noch bevor der erste Nordländer dem Meer entstieg und der Welt eintausend Namen gab. Noch bevor die Hochelfen die Wälder der Welt bezogen. In Zeiten, wie es sie niemals wiedergeben sollte, herrschte ein Volk der Dunkelheit über die Erde. 

Moener' nannten sie sich. Ihre Haut war bleich, ihr Haar ebenso. Ihre Augen waren so rot wie das Blut der Menschen, die sie zu ihren Diensten hielten. Ihre Zähne waren scharf, wie die von Raubtieren. Ruhe und Ordnung war das Gebot unter ihrer Herrschaft. Und doch litten Völker, wie die 'Saphronen', 'Tanterer' und auch die Menschen. Und genau wie diese waren die Herrscher der Erde ein junges Volk, ohne Liebe und ohne Licht in ihrem Herzen.

Sie erbauten Städte, höher, als der höchste Berg und so groß wie Länder heute sind. Ihre Schmieden waren heißer, als jede Wüste und ihre Körper kälter, als der tiefste Schatten. Die Erde, noch kein Jahrtausend alt, überfielen sie mit ihrem plötzlichen Auftauchen. Sie trugen Klingen aus Schatten und Rüstungen aus Stein. Kein Volk hatte ihnen etwas entgegenzusetzen. Der erste König der Moener hieß 'Tol'. Sein Name bedeutete: 'Der den Wind reitet'. Er trug die Fähigkeit, die größten Stürme über all die Lande zu bringen und richtete zu seinem Vergnügen Zerstörung auf der Welt an. Er war der erste, der den Göttern der Moener diente. Er opferte ganze Völker, um seinen Göttern gerecht zu werden. Und sie belohnten ihn.
Sie schenkten ihm die Magie in Form eines Edelsteines. Als Zeichen seiner Macht sollte sie bis in alle Ewigkeit im Besitz seines Hauses bleiben. Er hatten viele Söhne und Töchter, doch war keiner ihm stark genug, um das Juwel seines Volkes zu tragen. Er verstieß seine Kinder und verfiel für Jahrhunderte in Bitterkeit. Sein Volk breitete sich vom Rand der Erde bis zum Himmel aus. Sie berührten den Sonnenaufgang und den Sonnenuntergang.

Doch als Geschöpfe der Nacht und der Dunkelheit begehrten sie die den Sonnenuntergang, da ihre Götter immer zu jener Zeit erwachten. König Tol erwachte nach vielen Jahrhunderten aus der Bitterkeit und schickte viele Boten in alle Bereiche seiner Herrschaft, um einen würdigen Träger des Steins zu finden. Nach langer Zeit des Wartens wurden ihm einhundert junge Moener gebracht. Er ließ sie um den Stein kämpfen. Nur einer überlebte, Quilfor, der Feigling. Er versteckte sich, bis nur noch wenige seiner Gegner am Leben waren, dann erstach er sie. Und sein Speer wurde vom Kriegsgott Casteth verflucht. Er sollte jedes Wesen, das er traf, seiner Seele berauben. Diese sollte bis in alle Ewigkeit in der Klinge dieser Waffe weilen und viele Tode überdauern. König Tol hielt sein Wort und starb in Frieden, als erster König der Moener.

Quilfor ergriff an dem Tage den Thron und das Zepter. Blind vor Gier führte er einen Streitzug über die Welt und bevölkerte die letzten Winkel mit dem Volk der Moener. Lange lebten sie und entwickelten sich weiter. Sie erfanden Rad und Stahl, erbauten Tempel und Grabmäler für ihre Herren. Quilfors Frauen bekamen mehr als zweihundert Söhne und Töchter. Einem überließ Quilfor, der Feige das Zepter und den Stein der Magie. Als dieser Sohn mit dem Namen 'Heraskus' die Macht des Steines ergriff, schlich sich der Wahnsinn in seinen Geist. Die Kraft des Geschenks der Götter war zu groß. Er schlachtete seine Geschwister ab und hob eine neue Dynastie der Moener aus. Eine Dynastie, in der die Götter nicht mehr geachtet wurden. Er riss die Tempel nieder und spuckte auf die Grabmale seiner Vorväter. So wurde das Volk der Moener das erste Mal von den Göttern getrennt.

Zu Anfang ihrer Herrschaft sprachen sie viel miteinander. Sie machten den Göttern Geschenke und erhielten die Segen ihrer Herren. Lange Zeit herrschten die Moener über die Welt und lange Zeit waren sich die untereinander Götter einig. Bis zu der Nacht, in der sich etwas änderte. In der gleichen Nacht, als König Heraskus die Tempel der Götter niederriss.

Das Himmelszelt war klar, als die Göttin Thiris einen Spaziergang über den Himmel machte, scheinbar verborgen vor den Völkern der Erde. Unter den Moenern war sie für ihren himmlischen Gesang bekannt. Keine Stimme war lieblicher als ihre, kein Gesang betörender und kein Antlitz wunderschöner. Darum beneideten sie die anderen Götter. Als sie über den Himmel wanderte, erblickte sie auf der Erde einen jungen Moener. Sein Name war Sainel, der im Regen träumende. Kein großer Krieger war er und auch nicht hochwohlgeboren. Außerdem war er klein. Im Gegensatz zu König Tol, der so groß wie ein Baum war, war Sainel ein viel Geringerer von der Statur und Größe, was ihn ausstieß.

Melodie des ErwachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt