Zukunft und Gegenwart

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"Und du weißt nicht, was deine Träume bedeuten?", fragte Coran, nachdem er ein neues Holzscheit in die Glut geworfen hatte.

Ein paar Haarsträhnen hatten sich aus seinem kurzen Zopf gelöst und hingen an den Seiten herunter. Irgendwie sah es an dem Jungen hübsch aus. Der Hof war bis auf sie beide leer und die Feuerstelle war die einzige Licht- und Wärmequelle.

Lilith starrte ins Feuer und schüttelte den Kopf. "Nein."

Coran schien selbst nicht zu wissen, wie er ihre Erzählungen deuten sollte. "Bist du dir sicher, dass du vorhin nicht wirklich nur geträumt hast? Von dieser Krönung?"

Lilith schaute ihn an, als hätte er sie für wahnsinnig erklärt. Vielleicht war sie es ja, doch vom Zugeben dessen war sie noch weit entfernt. "Es war zu echt für einen Traum."

"Ich meine... Wie kann das alles zusammen passen?" Antwortete Coran. "Wie kannst du von einer Krönungszeremonie träumen, von der keiner etwas weiß? Ich dachte, Yuro Horelio ist der Herrscher von dem, was von Arborea noch übrig ist."

"Ich weiß es selbst nicht... Es ist alles so viel!"

Stille kehrte ein und sie hörten eine Weile nur dem Knistern des Feuers zu, ehe Coran wieder etwas sagte.

"Warum hast du mir nichts erzählt?" Er klang leicht vorwurfsvoll und enttäuscht.

"Hättest du es mir geglaubt?", fragte Lilith zurück und schaute den Jungen an, der sich neben sie auf den Boden gesetzt hatte.

"Wenn du es mir gezeigt hättest, dann schon."

"Yuro riet mir, es zu verstecken."
Coran nickte langsam und schien zu verstehen. "Damit hat dir der alte Kauz tatsächlich einen guten Ratschlag gegeben." Auf ihren giftigen Blick hin hob er beschwichtigend die Hände. "Tschuldigung."

Lilith winkte ab. "Kein Problem. Sag mal, weißt du, was Ruby für ein Problem hat?" Die Wut kochte schon wieder in ihr hoch. Nicht nur, dass sie nicht wusste, was Ruby gegen sie hatte, sondern, dass sie vor den Augen von Coran nach Strich und Faden vermöbelt wurde. Sogar bis in die Bewusstlosigkeit.

Getroffen kratzte er sich am Hinterkopf, was Lilith als Anlass sah, weiter nachzuhaken. "Coran?"

"Nun ja", er grinste unbeholfen und wich ihrem Blick aus, "Wir waren einige Zeit mehr, als nur Trainingskameraden, wenn du verstehst."

"Du und ..." Wollte sie anfangen, schüttelte jedoch den Gedanken aus ihrem Kopf. "Und was habe ich damit zu tun?" Eigentlich bemerkte sie es im gleichen Moment und schaute weg, damit Coran nicht sah, dass sie mit aller Wahrscheinlichkeit rot wurde. Er schien das Gleiche zu denken wie sie, doch sprach es keiner aus. Irgendwie war sie darüber genauso enttäuscht, wie erleichtert.

"Denkst du nicht, wir sollten es einem der Meister sagen?", fragte der Junge mit einem besorgten Tonfall. "Das mit..." Er deutete auf die Violine, die Lilith schützend auf ihren Schoß gelegt hatte.

Sie zog die Schultern hoch, als alles sich in ihr sträubte.

Coran wartete nicht länger auf eine Antwort und fuhr fort. "Doch wer würde in Frage kommen? Meister Zelarus fällt raus, der ist viel zu gut mit der Königin befreundet. Meisterin Sisari hat schon so viel mit den jungen Schülern zutun, also bleiben nur noch Meister Barth und Meister Tyvel."

Zelarus. So hieß also der Meister, von dem Sennec lernte, der fanatische Junge, der mit Taric aneinander geraten war. Dabei gab es noch etwas, was Lilith noch mehr verwunderte:

"Du vertraust Rabea nicht?" Es schien eigentlich für sie die ganze Zeit über klar gewesen zu sein, dass Coran seiner Königin eine gewaltige Menge an Vertrauen entgegenbrachte, allein schon wegen ihrer gemeinsamen Zeit in Arborea und dem Weg nach Karthem. Verschiedenste Gefühle stiegen in Lilith auf und sie musste sich bemühen, an die wichtigen Dinge zu denken.

Melodie des ErwachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt