Geheimnis des Waldes

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Viele weitere Tage dauerte der Ritt gen Südosten. Das Wetter spielte einigermaßen mit, die Kälte schien sogar erträglicher, als bei Liliths letzter Reise durch die Eiswüste.

Bemerkenswert und ebenso fürchterlich waren die Rückstände des Marsches von Rabeas Armee. Nicht selten trafen Lilith und ihre Begleiter auf stehengelassene Wägen, Baren und Kriegsmaschinen. An einem Tag passierten sie eine gewaltige Balliste, an einem Anderen lediglich ein paar Proviantkarren.

All das machte Lilith natürlich kein gutes Gefühl und den anderen augenscheinlich ebenso.

Den Spuren der Männer der Königin folgend erreichten sie nach einiger Zeit den Waldrand des Elfenkönigreiches. Hier endete das Gebiet von Karthem. Oder war dies hier schon Teil des Reiches Arborea?

Eigentlich war ja nur wichtig, wo sie jetzt waren.

Bereits von Weitem waren die Baumkronen zu sehen, wie sie majestätisch in den Himmel ragten. Beim Näherkommen verflog allerdings der erwartete Glanz dieses Ortes ins Nichts. Nicht nur, dass auch dieser Wald nicht vom Winter verschont geblieben war, sondern dass er genauso war, wie er in Yuros Brief beschrieben wurde.

Er sah nicht gesund aus und dies konnte nicht wegen des Winters sein. Das Holz der Bäume war grau und sah tot aus, als würde es bei der kleinsten Berührung zerbrechen.

"Was passiert hier nur?", fragte Lilith, als sie mit den Fingern über das tote Holz strich. Es zerbrach zu ihrer Erleichterung nicht. Möglicherweise gab es also noch Hoffnung.

"So sah der Wald das letzte Mal nicht aus."

Ruby war ebenfalls abgestiegen und schaute sich um. "Nicht mal ansatzweise."

"In dem Brief hatte der König von Arborea doch gesagt, dass der Wald sterben würde", schaltete Taric sich ein. Lilith nickte bestätigend.

"Also kann es nur mit dem Auftauchen unserer Feinde zusammenhängen. Das bedeutet, es ist noch nicht zu spät für diese Bäume."

"Was meinst du damit?"
Der Junge wandte sich Lilith zu und schaute sie fragend an.

"Wenn wir die Dunkelelfen vertreiben, ist es doch möglich, dass der Wald wieder leben wird."

"Wir wissen ja nicht mal, wo der genaue Zusammenhang liegt", widersprach Ruby.

"Einen Versuch muss es Wert sein", war Tarics Antwort darauf. Lilith lächelte knapp, dankbar für den Einsatz ihres Freundes.

Der Moment der Stille verging, als Ruby auf ihr Pferd stieg. "Wir sollten weiter."

Und so betraten sie den Wald. Die Straße schlängelte sich quer durch das Labyrinth aus Bäumen, deren Stämme immer dicker und Baumkronen immer höher wurden.

Doch diese, wahrlich beeindruckenden Teile dieses Ortes zogen nur unkommentiert an ihnen vorbei.

Ruby ritt die ganze Zeit vorneweg, während Taric und Lilith sich leise unterhielten.

"Die Sache in dem Lager", begann der Junge das unangenehme Thema. Sie hatten sich seitdem kaum unterhalten und die Ereignisse gar nicht besprochen. Es fühlte sich viel zu sehr wie etwas zutiefst privates an. Daher schluckte Lilith, als Taric dieses Thema anschnitt. Sie schwieg als Antwort.

"Vielleicht macht das dir etwas leichter, wenn ich schilder' was ich gesehen habe", sagte der Junge und beeindruckte Lilith abermals. Sie wäre nie darauf gekommen, dass Taric das Ganze ebenso unangenehm wäre.

Er räusperte sich und schaute weiter nach vorne.

"Ich nehme an, das Licht hat uns allen ähnliche Dinge gezeigt. Jedenfalls habe ich Coran gesehen. Und die Königin."

Melodie des ErwachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt