III - 7: Halbzeit

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Mit dem Ende der drittenDisziplin der Vorrunden ertönt ein lauter Gong. Wildes Getuscheldröhnt von den Zuschauertribünen, während der Rufer tief Luftholt.

„Halbzeitpause! Es geht in einerhalben Stunde weiter!", brüllt er lauter als zuvor, um dasunruhige Publikum zu übertönen. Während die Mannschaft des Königsstumm unter sich bleibt, versammelt sich außerhalb des Tores zumInnenhof das Team der Herausforderer, ausgeschlossen Spyke, derdeprimiert im Bus sitzt. Mike hat mittlerweile auch Skid, mittelseiner Ohrfeige, die einen Abdruck ähnlich einem rot blickendenWarnsignal hinterlassen hat, aus seiner Schockstarre befreien können.

„Also Leute, jetzt liegen wir noch inFührung", beginnt Roy zu erklären, "Auch wenn mich Skids Nutzenim Finale nicht ganz überzeugt..."

„Er wird sein Bestes tun",versichert Mike lächelnd, während er Roy freundschaftlich die Handauf die Schulter legt... und kurz darauf schlagartig wiederzurückzieht, als letzterer ihm einen glühendem Blick zuwirft.

„Es gibt kein Problem, wenn ich undMike durchkommen", wirft Merlany kühl, aber bestimmt ein.

Roy hebt skeptisch eine Augenbraue.

„Falls ihr beidendurchkommt...", faucht er sie provokativ an.

Er trägt ein breites Grinsen imGesicht, während er das ‚Falls' gar spöttisch in die Längezieht. Merlany beißt indes die Zähne zusammen und ballt ihreFäuste, um den arroganten Gesichtsausdruck dieses eingebildetenKindes ertragbar zu gestalten.

Natasha schmiegt sich derweil an Mikean und greift nach seinem Arm.

„Bei dem Muskelprotz hier würde ichmir keine Sorgen machen, Roy", kichert Nat ziemlich amüsiert.Während Mike leicht vor Scham errötet, weiten sich Merlanys Augenund beginnen förmlich zu blitzen. Ein Blick, der selbst einenDämonen versteinern würde, durchbohrte die Pinkhaarige förmlich.

„Nochmal sage ich dir nicht, dass dudeine Griffel weglassen sollst", haucht die Magierin mit einemrauen Ton des Hasses in der Stimme.

„Chill mal, Schwester. Ich nehme ihndir schon nicht weg. Also hör bitte auf so zu schauen, da kriegendie Leute doch Angst...", antwortet ihr Natasha leicht grinsend.

Mike hält sich aus der Angelegenheitraus, denn egal was er jetzt sagen würde, Merlany würde entwederihn, oder Natasha in die Luft sprengen. Also, Klappe halten, undnicken.

Roy lässt eine kleine Feuerkugel inseiner Hand unerwartet laut explodieren. Damit ist ihm die ungeteilteAufmerksamkeit wieder sicher.

„Hey, zuhören Ladies! Es geht um denPlan! Wir wissen alle, dass Skid in der ersten Runde verlieren wird-„

Jeder, inklusive Skid selbst, nicktzustimmend.

„- also muss Akiko den Läufer undvermutlich mindestens einen von den drei übrigen besiegen. Wer dannnoch im Spiel ist muss dann noch meinen...- ich meine König Blue soweit schwächen wie möglich. Ich weiß nicht, ob ich ihn bei seinervollen Kraft besiegen kann."

Natasha, Merlany und Mike sehen Royehrgeizig an. Jeder von ihnen will diesen Sieg!

Um zu vermeiden, dass Merlany wegenirgendeinem dummen Spruch oder Handgriff von Natasha in die Luftgeht, setzt sich Mike mit seinen Freunden abseits von Nat und RoysGang. Dennoch riskiert er einen Blick auf Nats relativ leichteBekleidung, nur um Unmengen von Munition in jedem möglichen Winkel,Täschchen oder Stofffältchen zu entdecken. Dieses Mädel scheintwirklich auf Schusswaffen zu stehen. Merlany hingegen beginnt nervösmit den Händen zu zittern, weil Mike dieses dahergelaufene Flittchenso gespannt beobachtet. Skid hingegen ist immer noch nicht ganzdarüber hinweg, dass er mit dem Meister der Schenkelmuskulatur inden Ring steigen muss.

Nach einigen weiteren Minuten kündigtder Rufer die vierte Runde an: „Die Herausforderung der Präzision!Zwei Herausforderer versuchen eine Zielscheibe zu treffen. Je weiterman sich dem Mittelpunkt annähert, desto mehr Punkte gibt es! Jederhat drei Pfeile, die Punkte werden addiert! Es treten an, Natasha undPiras!"

Da dem Gastgeber die erste Rundegebührt, wählt Piras seine Waffe - einen gewaltigen Großbogen,welcher, simpel gesagt, aussieht, wie ein Baumstamm, in den ein Seilals Sehne gespannt wurde und Lanzen statt Pfeilen verschießt.

Piras trägt ein leichtes Gewand undseine gülden glänzende Mähne liegt ihm luftig leicht, doch miteinem heroisch bestimmten Schwung, auf dem Haupt. SeineOberkörpermuskulatur ist stark ausgeprägt und selbst durch seineweite Tunika sichtbar. Zusammen mit seiner Größe von fast zweiMetern, ergibt sich das wahrlich eindrucksvolle Gesamtbild einererhabenen Erscheinung. Elegant spannt er die erste Lanze... nein, denersten Pfeil in die Sehne des Bogens und zieht sie ohne größerenWiderstand bis zum Anschlag durch. Einen Herzschlag später lässt erlos. Die Stille der Luft durchbrechend, saust der Pfeil auf dieZielscheibe, wo er am dritten Ring von innen einschlägt. Dann legter den zweiten Pfeil an die Sehne und beginnt zu ziehen.

„Lord Piras, könnten Sie das diesmaletwas langsamer machen? Ihre Technik interessiert mich brennend",flüstert Natasha dem Schützen, hinterhältig grinsend, zu. Alsdieser die Spannung der Sehne maximiert, nähert sich die junge Fraumit zusammengelegten Armen, die ihre Brüste nach vorne pressen, wasdem Jäger komplett die Sprache verschlägt. In seinem heroischemKodex erschüttert, kann er nicht widerstehen hinzusehen, wodurch ihmder Pfeil auskommt und weit abseits vom Mittelpunkt der Zielscheibelandet. Nat zwinkert ihm selbstgefällig zu. Piras, der schockiertüber seine eigene Unzulänglichkeit ist, fasst den Entschluss, dasRuder mit dem letzten Schuss herumzureißen. Er spannt die Sehne,visiert den Mittelpunkt an und lässt los. Der Pfeil saust pfeifenddurch die Luft, nur um Augenblicke später perfekt in der Mitte derZielscheibe einzuschlagen.

Der Rufer verkündet die Punktzahlen:

„Fünfundachtzig! Zwanzig!Einhundert! In Summe: Zweihundertfünf Punkte! Der Herausforderer istan der Reihe!"

Nat kichert siegessicher. Aus dieserDistanz würde sie mit ihrer Pistole ohne Schwierigkeiten drei maldie einhundert Punkte schaffen. Schnell zieht sie eineHalbautomatische aus ihrer Gürteltasche, wird jedoch unsanft vomRufer auf die Regeln hingewiesen:

„Um ein vergleichbares Ergebnis zuerzielen, müssen beide Teilnehmer die selbe Waffe verwenden! BringtNatasha einen Großbogen!"

Piras reicht ihr den seinigenschadenfroh. Neben ihr, wirkt er lediglich wie ein Baum, an dem einSeil hängt. Sie kann diesen massiven Holzbalken kaum aufrechthalten, so groß und unförmig, wie er ist, geschweige denn, dieSehne spannen. Probeweise versucht sie an dem Seil zu ziehen, dochihre Arme reichen nicht mal, um das Seil in Spannung zu bringen. Sowird das nichts.

Es bleibt nichts, außer zuimprovisieren. Natasha legt sich auf den Rücken, und stemmt dieBeine gegen den gewaltigen Holzbalken, während sie mit beiden Armenfest an der Sehne des Bogens zieht. Zugleich versucht sie dasZiel so gut es geht mit ihren Beinen anzuvisieren. Konzentriertrichtet sie die Pfeilspitze auf die Scheibe und lässt den Pfeil los,welcher sein Ziel, wenn auch sehr knapp, erwischt. Sowohl ihrKontrahent, als auch das Publikum sind sichtlich erstaunt. Schnellschnappt sie sich den zweiten Pfeil. Anhand des ersten Pfeiles,schätzt sie die ungefähre Flugbahn und spannt die Sehne mit vollerKraft, um den Pfeil deutlich schneller als davor abzufeuern. Diesmalkommt sie dem Bullseye deutlich näher. Die Unruhe im Publikumsteigt, während ihrem Gegenspieler so langsam die Nervosität imGesichte steht. Zielstrebig greift Natasha nach dem letzten Pfeil.Sie mobilisiert alle Kräfte, die sie noch in ihren Armen und Beinenhat, um diesen letzten Pfeil noch kräftig zu spannen. AufgeregtesStillschweigen umgibt sie. Sie lässt den Pfeil los.

„Da schaut was raus...", flüstertPiras ihr mit einem räudigen Grinsen unter seiner goldenen Mähnezu.

Perplex von einem unaufhaltsam schnellerscheinenden Gefühl von Scham, verliert Natasha noch kurz vor demAbschuss den Fokus. Der Pfeil fliegt im hohem Bogen über dieZielscheibe hinweg und in Richtung der Zuschauertribüne, wird jedochvon Marath dem Läufer, wenn auch in letzter Sekunde, abgefangen.

Damit ist das Spiel zu Ende!

„Fünfzehn! Fünfundachtzig! Null!Natasha verliert gegen Piras!", verkündet der Rufer.

Damit stand es wieder unentschieden.

Chaos City - Staffel 1Where stories live. Discover now