46. »Hab ich dich!«

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»Los jetzt!«, zischte Luke. Er hatte ja keine Ahnung, wie schwer mir diese Entscheidung fiel! Plötzlich packte eine starke Hand meinen Arm und riss mich nach hinten. Ich stolperte und dabei fiel mir das Buch aus der Innenseite meiner Jeansjacke. Es wurde sofort vom Rauch verschluckt. Darin waren die Antworten auf all meine Fragen gewesen! »Nein!«, schrie ich entsetzt auf und griff nach dem Buch.

Doch mein Angreifer wirbelte mich herum sodass ich das Gleichgewicht verlor und hart auf den Boden aufschlug. Für einen Moment wurde alles schwarz vor meinen Augen. Ich rechnete damit, dass der Angreifer erneut zuschlagen würde, also kroch ich auf den Knien ein Stück weg. Niemand. Ich sah niemanden. Wer auch immer mich erwischt hatte, war verschwunden. Mein Kopf dröhnte. Rauch quoll mir in den Rachen. Ich schnappte nach Luft.

Ein einziger Gedanke pulsierte in meinem Kopf: ich musste es zum Rand des Tals schaffen. Die Flammen verbrannten mir schmerzhaft die Finger. Ich spürte fast nichts mehr. Mit letzter Kraft stemmte ich mich hoch und stand unsicher mitten in dem Durcheinander, das ich angerichtet hatte. Da war Tymian an meiner Seite. »Wir müssen hier schleunigst raus!«, brüllte er mir ins Ohr, bevor er meinen Arm packte und mich mit sich fortzog.

Connor und Luke traten durch den Rauch. Mir fiel auf, dass ich Alecya seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte. »Wo ist Alecya?«, schrie ich. »Sie ist fortgeflogen. In Gedanken teilte sie mir mit, dass sie eure Sachen holt. Wir treffen uns am Tor.« Das Brausen des Feuers war angeschwollen. Ich war noch immer halb betäubt und konnte kaum klar denken. Tymian hielt immer noch meinen Arm umklammert, er spürte wohl, wie weggetreten ich war.

Gemeinsam stolperten wir vier durch die brennende Wiese. Vor meinem Augen verschwammen die Flammen zu einem See aus Rot und Gelb. Wir mussten die Orientierung völlig verloren haben. Ich hörte und sah keinen der Dunklen Drachen. Hatten wir sie abgehängt? Irgendwie erreichten wir den Rand des Feldes. Zwischen den Büschen war es aber auch nicht besser: Rauch wallte überall am Boden, zog sich zwischen den Ästen hindurch und verschluckte alles, was im Weg war.

Hier musste doch irgendwo das Loch im Boden sein! So ein großes Ding konnte nicht einfach...verschwinden. Ich würde mich so gerne hinsetzen, aber Tymian zerrte mich unbarmherzig weiter. »Los, wo bleibt ihr denn?!« Alecya verfluchte uns in Gedanken. Das konnte nur heißen, dass sie hier irgendwo als Drache herumschwebte. Meine Augen suchten den Himmel nach ihr ab, aber der Rauch war undurchdringlich.

Wir blieben stehen. Connor trat ratlos von einem Bein aufs andere. »Hier müsste es eigentlich sein«, meinte er. Dieser Meinung war ich zwar auch, aber da befand sich kein Loch. Nicht mal ein kleines Erdloch. »Wartet mal...Connors Amulett hat den Eingang von der anderen Seite geöffnet. Vielleicht klappt es damit!« Auffordernd nickte er Connor zu. Das war die freundlichste Geste Connor gegenüber, die Luke je gebraucht hatte.

»Vielleicht ist hier ja auch so eine Einkerbung«, warf ich ein. Tymian, der bisher schweigend daneben gestanden und mich gestützt hatte, meldete sich nun zu Wort. »Der Stein mit der Einkerbung ist nur eines von mehreren Toren. Aber da ihr den Schlüssel seltsamerweise besitzt, kann ich euch sagen, dass der Stein sich zwei Meter rechts von uns befindet.« Wir starrten ihn an. »Woher...weißt du das alles?«, fragte Luke schließlich zögernd.

»Wenn ein Allianzbeauftragter loszieht, bekommt er vorher ein paar Infos«, erklärte Tymian. Connor ging nach rechts, wir folgten, und wie Tymian gesagt hatte, stand da ein großer Felsblock mit Kerbe. Diesmal war es Connor, der das Amulett der Magier in die Kerbe drückte.
Zunächst blieb alles normal. Erst nach einigen Sekunden fing der Stein von innen zu leuchten an und die Schockwelle aus Licht rauschte über uns hinweg.

Ich schloss geblendet die Augen, und als ich sie wieder öffnete, hatte sich vor uns ein Abgrund aufgetan. Das Loch, das in die unterirdische Kuppel führte. Hinter uns wurden Rufe laut. Die Dunklen Drachen hatten uns fast eingeholt! Wer wusste schon, was sie diesmal für Mittel einsetzten...
Connor begann sich zu verwandeln. Auch Tymian drängte zum Aufbruch. »Los, sagt eurer Freundin, dass sie da runter fliegen soll. Verwandeln, los!«

Kaum hatte er ausgesprochen, umhüllten ihn für Sekunden jadegrüne Funken, bevor er als Drache die Flügel weit ausbreitete, Luke packte und sich in den Abgrund warf. Connor folgte ihm, rief mir aber in Gedanken noch zu: »Ich habe Alecya gerufen, keine Sorge!« Ich konzentrierte mich, um meine Schuppen hervorbrechen zu lassen.
Doch ich war zu langsam.

»Hab ich dich!« Endaria stürzte aus dem Feuer, direkt auf mich zu. Ich dachte erst, sie wollte mich packen. Aber nein. Sie streckte die Arme aus, ein teuflisches Funkeln in den Augen. Und warf mich den Abgrund hinunter.

Dragons-Magische VerwandlungWhere stories live. Discover now