104. »Was passiert ist?«

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Diese Erkenntnis legte sich wie eine kalte Hand um meine Kehle und lähmte mich. Ich wollte schreien, aber die Luft, die ich noch in den Lungen hatte, war zu wertvoll. Oder sollte ich einfach aufgeben und darauf hoffen, dass es schnell gehen würde, bis sich mein Bewusstsein abschaltete? Allerdings hatte ich gelesen, dass Ertrinken ein grausamer Tod sein sollte.

Warum musste von allen Toden genau dieser für mich bestimmt sein? Gab es den keine Möglichkeit, aus dem Wasser zu entkommen? Mit einem leichten Beinschlag schwebte ich zum Rand des Kanalbeckens und streckte verzweifelt den Arm nach oben, kam aber nicht weiter als eben auch. Dann legte sich eine kräftige Hand um mein Handgelenk. Sie fühlte sich so warm an...

Mit einem Ruck zog die Hand an meinem Arm, aber statt mich herauszuziehen, wurde ich nur gegen die Oberfläche gepresst. Ich leistete trotzdem keinen Widerstand. Jedes bisschen Sauerstoff wollte ich so lange sparen wie möglich. Mittlerweile spürte ich ein deutliches Brennen in meinem Bauch.

Es war wie ein Feuergürtel, der sich immer enger um meinen Brustkorb legte. Mein Blick verschwamm noch mehr, als so schon unter Wasser und schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen. Als mein Kopf zur Seite kippte, erkannte ich Als blasses Gesicht. Ihre Lippen waren zu einem stummen Schrei verzogen.

Ihre Hände, in denen sie immer noch die Fläschchen hielt, öffneten sich kraftlos und wie kalte Sterne blitzend versanken die Gläschen in einem Wirbel aus Luftblasen. Wie aus weiter Ferne vernahm ich Stimmen, die etwas schrien, aber ich war zu müde und paralysiert, um etwas verstehen zu können. Als Gesicht war so weiß...
Von ihr stiegen weitere abertausende winzige Bläschen auf und zerplatzen an der Luft.

Es war so ruhig hier im Wasser. So kalt. Warum sich anstrengen, wenn ich doch sowieso sterben würde? Wenn ich einfach tief einatmete, wäre bald alles vorbei...diese brennenden Schmerzen fänden ein Ende. Mittlerweile war der Feuergürtel in meiner Brust zu einem flüssigen Lavastrom geworden, der durch meine Adern schoss. Das Verlangen, einzuatmen, war übermächtig.

Die schwarzen Punkte vor meinen Augen vernebelten endgültig meine Sicht, während mein Kopf sich anfühlte, als müsste er gleich explodieren. Jeder Herzschlag schickte ein Feuerwerk an weiteren, noch stechenderen Schmerzen durch meinen Körper. Ich wusste, es war so weit. Das Verlangen einzuatmen stürmte die Kontrolle über mein Denken und ich konnte mich nicht mehr dagegen wehren.

Dann sah ich nur noch ein helles rotes Licht. Mein letzter Gedanke war, dass Ertrinken doch viel schneller und weniger qualvoll war, als ich gedacht hatte.

***

Ich hustete und würgte und dachte, ich müsse mir gleich die Seele aus dem Leib kotzen. Weit riss ich die Augen auf und verkrampfte meine Hände, die ich in einen weichen Stoff gekrallt hatte. Zuerst nahm ich nichts wahr außer meiner schmerzenden Lunge und dem Gefühl, mein Körper wöge tausend Tonnen.

Langsam erwachten auch meine anderen Sinne wieder und ich sah mich um. Der Stoff, in den ich meine Hände gekrallt hatte, gehörte zu Tymians Jacke, der eine Hand auf meiner Schulter liegen hatte und sie jetzt wegnahm. Beschämt löste ich meine klammen Finger von seiner Kleidung. Die Erinnerung schoss in meinen Kopf und brachte mich erneut zum Würgen.

Dann stürmten die Stimmen auf mich ein. Fragten, ob alles in Ordnung sei. Dankten wer weiß wem, dass ich lebte. Ich blendete sie alle aus. Wo war Alecya? Sie war viel länger im Wasser gewesen als ich. War sie...? Ich wagte nicht, weiterzudenken. Dann endlich streiften meine Augen einen am Boden liegenden Körper. »Al!« Schwankend richtete ich mich auf und streckte einen Arm nach ihr aus.

Sie zeigte keine Reaktion. Ein heißer Stich durchzuckte mein Herz. »AL!« Jemand packte meinen Arm und schüttelte mich, wodurch ich meine Aufmerksamkeit auf ihn richtete. Ty sah mich durchdringend an und sprach: »Alles gut, sie lebt. Aber sie ist noch nicht aufgewacht.« »Wie...« Meine Stimme versagte. Nicht, dass ich davor überhaupt eine Stimme gehabt hätte, jedenfalls war ich heiser als leide ich unter einer starken Erkältung.

Wie hatten die anderen uns aus diesem verfluchten Wasser bekommen? Das war die Frage, die ich hatte stellen wollen. Erst jetzt wurde mir klar, wer alles vor mir im düsteren Tunnel stand. Außer Fennus und Connor war nämlich auch das andere Team da. Tymian hatte wohl verstanden, was ich wissen wollte, denn er senkte mit einem tiefen Seufzen den Kopf und begann: »Was passiert ist? Verdammt, ihr Idioten wärt fast verreckt!«

Dragons-Magische VerwandlungWhere stories live. Discover now