49. »Wohl eher das Gegenteil!«

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Es rumste vernehmlich und ich schälte mich eilig aus der Decke, die ich im Schlaf um meinen Körper gewickelt hatte. Hinter dem Fenster war es dunkel, also herrschte noch Nacht. Leider hatte ich keine Armbanduhr an, um die genaue Uhrzeit nachschauen zu können. Nun ja, das war gerade wohl nebensächlich, wenn Luke und Connor gerade das Nachbarzimmer zerlegten. Da ich noch Schuhe anhatte, waren meine Schritte weder lautlos noch unauffällig.

Alecya drehte sich seufzend auf ihrer Matratze um, wachte aber nicht auf. Würde ich ihr auch nicht raten, bei dem, was gerade abging. Sie hatte sich ein bisschen Schlaf verdient, bei allem, was sie für Tiana auf sich genommen hatte. Tiana. Mein Herz zog sich zusammen. Würde sie jetzt, wo wir kein Gegenmittel hatten, sterben? Ich schob die beängstigenden Gedanken beiseite und tapste durch den Flur zum Zimmer der Jungs.

Jetzt hörte ich auch ihre wütenden Stimmen.
Ohne anzuklopfen - das wäre wohl sinnlos gewesen - betrat ich den Raum. Luke hatte sich mitten im Zimmer breit gemacht, Connor stand angespannt ihm gegenüber. Sie waren vertieft, aber Luke nahm mit einem kurzen Blick zur Kenntnis, wer soeben das Zimmer betrat. »Der Verräter wollte abhauen!«, giftete Luke. »Ja, aber nur, weil ihr mir nicht glaubt, dass ich kein Spion bin!«, rief Connor und rang die Hände.

»Du denkst doch nicht etwa, dass deine Fluchtaktion uns vom Gegenteil überzeugt? Wohl eher das Gegenteil!«, donnerte ich wütend. »Du bist anscheinend echt scharf drauf, getoastet zu werden.« »Das würde uns diesen ganzen Stress ersparen!«, meinte Luke freudig. »Was würdet ihr denn an meiner Stelle tun? Einfach abwarten und sich fügen? Glaube ich kaum!«, empörte sich Connor. »Ihr beschuldigt mich einfach.«

»War es nicht Beweis genug, dass du den Schwarzen Lord erkannt hast? Als deinen Freund?« Das hatte Alecya uns erzählt. Als sie und Connor geschnappt worden waren, hatte Jason Connor freundlich begrüßt und Connor hatte voller - wahrscheinlich gespielter - Überraschung Jasons Namen ausgerufen. War das nicht Beweis genug? Connor fand das wohl nicht. Er weigerte sich standhaft, seinen Verrat zuzugeben.

»Connie, gerade du solltest wissen, dass ich zu so etwas gar nicht fähig bin!« Flehend sah Connor zu mir. »Ich weiß gar nichts«, sagte ich abfällig. Wegen ihm hatten wir Tianas Gegenmittel nicht gefunden. Er war schuld! »Nächstes Mal bekommst du einen Schlag ab. Oder nein, besser zwei!« Mit diesen Worten drehte ich mich um und ging zurück ins Zimmer. Alecya schnarchte immer noch munter vor sich hin.

Ich beschloss, sie nicht zu wecken. Sie hatte genug Sorgen. Da musste sie sich nicht auch noch über einen ausbruchsfreudigen Connor den Kopf zerbrechen.
Es wurde wieder ruhig im Haus. Die Stille ging durch und durch. Ich spähte durch das Fenster und betrachtete den leuchtenden Mond. Ein paar Wölkchen schoben sich über den mitternachtsblauen Horizont und kleine Sternchen blitzten unternehmungslustig.

Der Anblick erinnerte mich an den Anfang unserer Reise. Da hatte ich ebenfalls den nächtlichen Himmel betrachtet, voller Erwartungen und Hoffnung. Mit einem Mal kamen mir Zweifel an Connors Schuld. Er hatte uns schließlich nicht dazu gezwungen, zur Festung zu gehen. Das war Alecyas Idee gewesen, durch eine ihrer Visionen. Mir kam die ganze Connor-und-Dunkle-Drachen-Sache einfach falsch vor. Gut, schiebt es ruhig auf meine anfängliche Freundschaft mit ihm.

Aber mein Herz sagte mir, dass da etwas faul war. Ich konnte damit aber nicht zu Luke kommen. Der würde mir den Vogel zeigen und mich verrückt nennen. Seufzend schloss ich die Augen und spürte die leichte kühle Brise des Nachtwindes auf meinem erhitzten Gesicht. Alles könnte so viel einfacher sein. Ein Gesicht erschien vor meinen geschlossenen Lidern. Jason.

Auch bei ihm war es so kompliziert. Ich hatte ihn erst einmal getroffen, bekam ihn aber einfach nicht mehr aus meinem Kopf. Erst war er so sanft gewesen, so freundlich. Ich hatte mich bei ihm so sicher gefühlt. Und von ihm geträumt...Peinlich, peinlich. Das durften die anderen auf keinen Fall erfahren! Ich musste ihn vergessen. Ganz simpel. Er war böse, skrupellos und kaltherzig.

Böse, skrupellos, kaltherzig. Böse, skrupellos, kaltherzig...Wie ein Mantra sagte ich mir diese drei Eigenschaften in Gedanken vor. Er hat mich zweimal entkommen lassen, schoss mir durch den Kopf. Das erste Mal, im Gang. Er hat den Energieball nicht geworfen und ist uns nicht gefolgt. Das zweite Mal, auf dem brennenden Feld. Würde das ein böser, skrupelloser und kaltherziger Mensch tun?

Ohje, ich suchte schon nach Argumenten, die ihn besser aussehen ließen...Ich sollte besser schlafen. Mit schleppenden Schritten ging ich zum Bett und legte mich wieder hin. Kurz darauf war ich fest eingeschlafen.

Dragons-Magische VerwandlungWhere stories live. Discover now