108. »Wir warten besser unten.«

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Starker Wind peitschte uns eiskalte Regentropfen ins Gesicht, als wir im Deviller Bahnhof aus dem Zug traten. Bei dem Wetter mussten wir schon mal nicht so viel Angst vor Entdeckung haben, Spaziergänger hatten sich mit Sicherheit in die trockenen Geschäfte des Ortes geflüchtet. Auf einer durch vor sich hin wuchernden Brombeerbüschen uneinsichtigen Wiese in Richtung Waldrand verwandelten sich alle außer Luke, der sich wieder auf Connors silbrigen Rücken schwang.

Wir stiegen in einer V-Formation auf, um uns bei den Wetterverhältnissen nicht zu verlieren und den Windschatten nutzen zu können, angeführt von Alecya. Sie kannte den Weg mit Sicherheit am besten. Es war hart, gegen den Wind zu fliegen, einige Böen brachten nicht nur mich in Schwierigkeiten, aber unsere Formation schützte doch ein wenig vor dem Schlimmsten. Die Baumwipfel unter uns verschwammen vor meinen Augen zu einer graublauen Masse, Orientierung war für mich unmöglich. Natürlich.

Unerbittlich zerrten Wind und Regen an meinen Schwingen, als wir schließlich in den Sinkflug gingen und auf einer mir nicht unbekannten Lichtung landeten. Hier hatte ich meine ersten Flugversuche unter Al und Tianas Anweisung unternommen. Ein leises Lächeln huschte über meine Lippen, als ich daran dachte. Wir verloren keine Zeit.

Der Weg zum Baumhaus war rutschig, da durch den Regen der sonst so trockene Waldboden zu braunem Matsch aufgeschwemmt worden war. Es roch durchdringend nach Harz und immer wieder platschte eine Ladung Wasser von den oberen Blättern der Bäume auf unsere Köpfe hinunter, aber das war egal. Wir waren schon lange bis auf die Knochen durchnässt, ein paar Tropfen mehr oder weniger änderten das auch nicht mehr.

Als die anderen vor mir zum Stehen kamen, sah ich verwundert nach vorne. Wieso hielten wir? Alecyas Gesicht war mir abgewendet, aber sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt und blickte nach oben. Dort, zwischen den nass glänzenden Ästen, schmiegte sich das Baumhaus an die Rinde. »Tiana!« Alecyas Ruf ging im Rauschen des Regens unter.

Sie warf einen kurzen Blick auf uns, bevor sie eilig die Leiter hochkletterte, gefolgt von Luke. Bevor auch ich hinaufstieg, hielt Tymian mich am Arm fest. »Wir warten besser unten«, meinte er und nickte zu Attica. Ich verstand. Die beiden wollten uns unsere Zeit geben. »Alles klar«, antwortete ich leise und stieg dann die Leiter hinauf. Wild klopfte das Herz in meiner Brust. Es war eine Weile her, dass ich Tiana gesehen hatte.

Ich hatte keine Ahnung, in welchem Zustand sie war. Ob sie überhaupt noch... Nein, bloß nicht daran denken! Und dann stand ich im Baumhaus. Die Luft war warm und der Regen prasselte aufs Dach. Im grauen Licht der Regenwolken konnte ich vier Gestalten außer mir erkennen. Luke, Al und eine Frau, die ich noch nie gesehen hatte, und wohl auf Tiana aufgepasst hatte.

Und auf ihrem Deckenlager lag, leichenblass und mit neben ihrem Gesicht aufgefächerten dunklen Haaren - Tiana. Ihre Lippen waren leicht geöffnet und gerade nahm Al ihre Hand. »Ich bin zurück, Tiana. Ich bin wieder da.« Tianas Lider flatterten und schließlich klappte sie die Augen auf. Meine Beine gaben nach und ich sank neben Luke zu Boden. Sie war am Leben. Wir waren nicht zu spät gekommen. Tiana würde leben.

Hinter mir tauchte nun auch Connor auf und stellte sich stumm ans Fenster, die anderen beobachtend.
Mit zitternden Händen zog Alecya das Fläschchen aus dem verfluchten Wasser aus ihrer Tasche und öffnete den Schraubverschluss. »Trink das. Du wirst wieder gesund werden, versprochen!« Tiana wollte etwas erwidern, aber ihre Stimme war zu leise. »Sag jetzt nichts, Tiana. Schone dich«, flüsterte Alecya und setzte die Flasche an die Lippen ihrer Freundin.

Tiana konnte kaum schlucken, so geschwächt war ihr Körper bereits. Die klare Flüssigkeit tropfte an ihren Mundwinkeln teilweise wieder heraus und sickerte in die Kissen. Schließlich war das Fläschchen leer und Alecya stellte es achtlos neben sich auf dem Boden ab. »Tiana?« Flehend umklammerte sie die Hand ihrer Freundin und beobachtete jeden Atemzug. Tiana öffnete die Augen jetzt weiter und öffnete die Lippen wieder, um etwas zu sagen.

»Ihr...seid zurück?« Jetzt gab es kein Halten mehr. Heulend umarmten Al und ich die verdutzt schauende Tiana, bis sie uns lächelnd von sich schob.

»Ihr habt es also geschafft. Ich will alles hören, von Anfang an.« »Einen Augenblick«, warf ich ein und deutete nach unten, wo Tymian und Attica im Regen standen. »Da gibt es zwei Helfer, die vielleicht auch gerne dazukommen würden.«

Ahh Leutee, es werden EXAKT 110 Kapitel! Ich schreibe gerade die letzten Zeilen und bin soo aufgeregt, was ihr zum letzten Kapitel sagt, denn auf diese Szene hab ich so lang gewartet! Die “richtige“ Auflösung und Antworten auf all die Fragen die das auslösen wird kommt aber erst in Band 2, heheee :JJ
Was denkt ihr, wer das Ende noch mal völlig auf den Kopf stellen wird?😂

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