107. »Lasst uns endlich hier verschwinden.«

668 73 3
                                    

Ihr Gesicht war zu einem breiten, irren Grinsen verzogen und sie lachte mit ihrer schrillen Stimme auf, während sie sich losriss. Flügel brachen aus ihrem Rücken hervor und sie schoss über unsere Köpfe hinweg auf den Weg nach draußen. Ihr Lachen hallte in meinen Ohren wider und erfüllte mich mit reinem Grauen. Ich wollte schreien, aber als Ty sich zu uns drehte, war da keine Wunde. Ich heulte fast vor Erleichterung.

Na klar, er war unverwundbar, zum Großteil jedenfalls. Beschämt versteckte ich meine zitternden Finger in den Jackentaschen. Die Kleider hatte Luke vorhin mit ein bisschen Wärme grob getrocknet, also liefen Al und ich nicht herum wie gerade aus dem Kanal gekrochen, obwohl wir das ja irgendwie doch waren. »Lasst uns endlich hier verschwinden«, meinte Attica unwillig. Wir folgten dieser Aufforderung nur zu gerne.

In der Zeit, in der wir durch die Gänge nach draußen liefen, fühlte es sich an, als würden die Wände näher rücken und uns zurückhalten wollen, aber weiteren Drachenwandlern liefen wir nicht über den Weg. Zum Glück, denn so weit vertraute ich meinen Fähigkeiten dann doch noch nicht, dass sie mir gleich zweimal hintereinander reibungslos gehorchten.

An der frischen Luft angekommen holte ich tief Luft und versuchte die Anspannung der letzten Minuten abzuschütteln. Ty legte eine Hand auf meine Schulter. »Gut reagiert eben.« Er beugte sich bis neben mein Ohr vor. »Nur sollte man nach dem Besiegen eines Feindes die anderen nicht aus den Augen lassen.« Endlich waren alle wieder aus dem als Museum getarnten Höllenloch entkommen und nun trat Fennus vor.

»An dieser Stelle werden Arya und ich euch verlassen. Es war schön, dich wiederzusehen.« Er lächelte Alecya zu. »Vielen Dank«, bemerkte Tymian und sah erst Fennus, dann Arya fest an. »Ohne euch hätten wir diesen Ort und damit das Gegenmittel niemals gefunden. Wenn wir irgendwas für euch tun können...« »Ach was«, fiel Fennus ihm sofort ins Wort. »Ich schulde Alecya und Tiana sehr viel. Das war selbstverständlich.«

Ich fragte mich, was er damit wohl meinte. Die drei verband anscheinend viel mehr, als ich bisher gedacht hatte. Die beiden rätselhaften Helfer wandten uns so schließlich den Rücken zu und verschwanden in einer Seitenstraße. Eine Weile sagte keiner etwas, dann ergriff Tymian das Wort.

»Ich nehme an, ihr wollt nun schnellstmöglich zu eurer Freundin und ihr das Mittel bringen. Ich werde euch begleiten, da mein Auftrag es war euch zu beschützen. Wahrscheinlich würde es jetzt noch nichts bringen, euch zur Rückkehr zur Allianz überreden zu wollen, und Attica wird auf keinen Fall alleine irgendwohin gehen. Also, wo genau befindet sich denn euer Ziel?«

***

Einige Karten und Erklärungen später stand es fest - wir würden den nächsten Schellzug nach Deville, die Stadt nahe des Campingplatzes, in der wir wir damals Burger gegessen hatten, nehmen und von dort aus auf kürzestem Weg zum Baumhaus fliegen. Die Zugfahrt würde uns Kräfte und Nerven sparen, die wir später wohl noch ganz gut gebrauchen konnten, außerdem beschrieben die Gleise keine großen Umwege.

Lange brauchten wir nicht, bis wir in der Bahnhofshalle standen und unsere Bahntickets zogen. Bis unser Zug fahren würde, hatten wir etwa eine halbe Stunde Zeit, aber keiner von uns hatte das Bedürfnis, sich hier weiter umzusehen. Auf einer Bank am Gleis saßen wir die Zeit ab. Richtige Gespräche kamen nicht zustande, und als wir dann auf unseren Plätzen im Zug saßen, legte sich eine einheitliche Stille über uns.

Ich drückte meine Wange an das kalte Glas der Fensterscheibe und beobachtete die am Horizont verschwindende Stadt. Die Berge rückten in immer weitere Ferne und ließen den weiten Felder und Ebenen ihren Platz. Es passte noch nicht ganz in meinen Kopf hinein, dass wir jetzt wirklich endgültig auf dem Heimweg waren. Nach all dem, was passiert war. Zu viert waren wir aufgebrochen und zu sechst kamen wir zurück.

Hätte mir zuvor jemand gesagt, ich würde innerhalb so kurzer Zeit so viele neue Leute kennen gelernt und wäre nur mit ein paar Gleichaltrigen so weit von zu Hause unterwegs, hätte ich ihm den Vogel gezeigt. Aber ich war an einem Punkt, wo ich einfach nur noch Tatsachen akzeptierte, ohne viel zu hinterfragen.

Das hatte ich aus der verwirrenden Drachensache wohl gelernt. Selbstständig sein und in die Offensive gehen waren völlig neu für mich, aber auch das hatte diese Reise bei mir verändert. Ich hatte mich entwickelt; ob zum Guten oder zum Schlechten, konnte ich noch nicht entscheiden.

Endspurt O.o

Dragons-Magische VerwandlungWhere stories live. Discover now