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· exotic ·

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· exotic ·

strikingly unusual or strange in effect or appearance

× × ×

Der Mittelscheitel zieht sich hartnäckig durch das Zentrum meines Schädels und teilt das kurze Blau in zwei auseinanderdriftende Wellen wie Moses das Rot. Versuchshalber streife ich mir durchs Haar und bringe ein ordentliches Chaos in die streng geföhnte Mähne, doch der Scheitel besteht auf sein erstandenes Gewohnheitsrecht und lässt die Strähnen in ihren neuen Positionen unangenehm ziehen und zwicken.

„Und? Gefällt es dir?"

Das unsichere Gesicht der Friseuse taucht hinter mir auf. Sie mustert mich durch das Spiegelglas, dabei zupft sie sich immer wieder ihren schrecklich tiefen Ausschnitt zurecht. Diese Frau hat den seltsamen Tick, in regelmäßigen Abständen die Augen übermäßig weit aufzureißen, sodass sie jedes Mal überrascht oder erschrocken aussieht. Ich würde lügen, würde ich behaupten, es hätte mich nicht dezent nervös gemacht. Und das noch dazu bei einem Radikalschnitt wie diesem.
Während sie sichtlich angespannt auf mein Urteil wartet, ziehen sich ihre Lider abermals beängstigend weit zurück, sodass es den Eindruck erweckt, sie würden gleich wie bei den Möpsen aus ihren Halterungen hüpfen.

Also, die Hunde, meine ich.
Natürlich die Hunde.

Nachdenklich betrachte ich mein Abbild, das sich schon fast beängstigend stark von jenem unterscheidet, welches ich noch vor einer knappen Stunde in ein und demselben Spiegel erblickt habe. Mein Gesicht fühlt sich nackt an, liegt brach und verletzlich im Blick der Kritiker. Da ist kein Vorhang mehr, der verschleiert, versteckt, erstickt. Nur mehr Luft. Ich starre mir selbst in die Augen, meine Lippen verziehen sich und brechen zu einem schmerzhaft breiten Grinsen, dass sich meine Mundwinkel in meine Wangenknochen bohren.

„Ja. Ich mag es."

Und das war nicht einmal gelogen - beim Friseur ist das eine Seltenheit.

Ich gefalle mir tatsächlich sehr gut mit Kurzhaarfrisur, besser als mit den langen, strohigen Locken. Der Filz, welcher mein Gesicht bisher regelrecht verschluckte, liegt sauber zusammengebunden wie ein abgetrenntes Glied auf dem kleinen Glastisch vor meinem Stuhl. Es erfüllt mich mit einer gewissen Genugtuung, ihn losgeworden zu sein. Als hätte ich mich von einem Laster befreit, was mir die Norm aufgezwungen hat. Nicht nur für den kleinen Rebellen in mir ist dies ein Erfolg.

Ich bezahle, werfe der zuständigen Friseuse großzügig 3 Euro Trinkgeld in die Kaffeebox und trete hinaus in die mäßig gefüllte, sonnendurchflutete Fußgängerzone. Vielleicht ist es nur Einbildung, doch es kommt mir beinahe so vor, als hätte sich die Welt gerade eben ein wenig verändert.

× · × · ×

Einen Eisshake zu meiner Linken, mein Instagramfeed zu meiner Rechten, vor mir die gratis Tageszeitung, welche ich an einer Bushaltestelle gefunden habe. So sitze ich, zurückgezogen an einen ruhigen Einzelplatz in Fensternähe, in meinem Lieblingscafé und versuche die Zeit bis zu meinem Bus totzuschlagen.

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