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Bild: Jordan McCarthy
König James Menan von Dracma
Edward Goldan

Der Weg zum Kerker war kalt, dunkel und beklemmend. Ein Gestank von Ratten, Schweiß und verwesendem Fleisch lag in der Luft. Allzu gerne wäre Emma wieder umgedreht, doch wollte sie Stefan selber zur Rede stellen.

"Seid Ihr euch sicher, dass Ihr mit ihm selber sprechen wollt, eure Majestät?"
fragte sie ihr Soldat und Begleiter Jordan.

"Ich will den Mann selber in die Augen blicken, der für die Ermordung meiner Landsleute Schuld trägt."
Ihr sanftgrünes Kleid und ihre langen, roten Locken passten gar nicht in das Bild des Kerkers. Viele der Soldaten hier unten schienen es ebenso zu sehen. Dennoch folgten ihre Blicke der jungen, schönen Königin. Ihre Ausstrahlung gewann jeden Tag an mehr leuchten.

Vor einer schweren Holztür blieben sie dann stehen.
"Öffnen." befahl Emma dem Wächter.
Dieser tat wie befohlen und vor ihr saß der Söldner Stefan an einem Stuhl gekettet. Er sah immer noch aus wie damals. Schwarze, kurze Haare und einen kleinen Bart am Kinn. Einzig eine neue Narbe im Gesicht verriet die Veränderung durch die Zeit.

"Ist das eine Überraschung. Die Königin von Amestria kommt, um mich zu sehen. Welch eine Ehre." grinste Stefan süffisant.
Er war genau wie damals, dachte Emma. Selbstverliebt und arrogant.
Die junge Frau sagte nichts. Ihre braunen Augen fixierten ihn, ließen ihn spüren, dass er in Schwierigkeiten war. Langsam umkreiste sie den Stuhl. Dann nahm sie sich ein Messer zur Hand und blieb genau vor ihm stehen.

"Ich muss gestehen, ich hatte mehr erwartet." sagte sie extra provokant.
"Der Mann, der für die Ermordung meiner Landsleute verantwortlich ist, ist ein einfacher, nutzloser Säufer."

Mit Gewalt stemmte Stefan sich gegen die Ketten:"Wie könnt Ihr es wagen?! Wisst Ihr nicht wer ich bin?! Ich bin der Söldner Stefan! Von vielen gefeiert!"
Blitzschnell schlug Emma das Messer in den Tisch, keine fünf Zentimeter von ihm entfernt.
Geschockt hielt er den Mund, starrte sie an.
Ihr Blick blieb kalt. Sie wollte ihm zeigen wo er stand.

"Nein. Ihr seid ein einfacher Mörder, der für seine Taten gehängt wird, nichts weiter. Danach wird keiner von Euch sprechen. Als ob Ihr niemals existiert hättet."
Grinsend versuchte Stefan seine Angst zu verstecken. Die Frau vor ihm war furchteinflössend. Wie es nur eine Königin sein konnte.

"Und dennoch haltet Ihr mich fest. Also wollt Ihr was von mir." zitterte seine Stimme.

"Ich brauche alle Namen. Von allen Beteiligten bis hin zu Eurem Auftraggeber." nahm sie das Messer wieder in die Hand. Emma wusste, wie sie Menschen einschüchtern konnte. Dies hatte sie als Diebin und Überlebenskünstlerin gelernt. Niemals hätte sie gedacht, dass dies für sie als Königin auch von nutzen sein würde. Sie spürte den geschockten Blick von Jordan im Rücken. So hatte er Grace vermutlich nie gesehen. Doch war sie Emma, und sie würde diesen Stefan zum Sprechen bringen.

"Die Namen gibt es nur gegen einen Handel." grinste Stefan, genau wie Emma es vermutete. Wahrscheinlich wollte er um sein Leben verhandeln.
"Gewiss wird es einen Handel geben." grinste nun sie und Stefan fühlte sich, als würde er einer Schlange gegenüber stehen.

"Solltet Ihr keine Namen preisgeben, so werden Euch alle Fingernägel einzeln nacheinander herausgerissen." betonte sie langsam das Bild, dass sie für ihn formte.
Seine Augen weiteten sich.
"Und solltet Ihr weiterhin nicht sprechen, werden Euch weitere Gliedmaßen entfernt. Also solltet Ihr lieber Reden. Gehängt werdet Ihr sowieso, dennoch könnt Ihr die Schmerzen vorher vermeiden. Das ist der Handel."
Emma dreht sich um, wartete nicht mal seine Antwort ab.

"DU MONSTER!" schrie Stefan in seiner Angst. Der gefürchtete Söldner war wirklich leicht kleinzukriegen. Er würde bald sprechen.
Langsam drehte Emma sich noch einmal um.

Blutkrone Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz